- Hans Weber
- December 18, 2024
Hus im Schulhof – Ahoj aus Prag!
Heute ist der 6. Juli, ein staatlicher Feiertag in Tschechien. Genauer: Der Tag der Verbrennung von Jan Hus. Hier steht er auf dem Scheiterhaufen, wie damals 1415, also vor 609 Jahren. Nur, dass um ihm herum Kinder ausgelassen spielen. Denn Hus steht mitten auf dem Schulhof der Grundschule (Základní škola) von Troja (Prag 7) in der Trojská 211/110.
Jan Hus war, wie man weiß, ein böhmischer Vor- und Frühreformator. 100 Jahre vor Martin Luther prangerte er die Verweltlichung der Kirche, den Ablasshandel, den Mangel an echter bibeltreuer Frömmigkeit und die Volksferne der Kirche an, wegen der er beschloss in Tschechisch zu predigen statt in Latein. Die offizielle Kirche verdammte ihn als Häretiker und er wurde er zum Konzil von Konstanz vorgeladen, um seine Thesen zu rechtfertigen. Von Kaiser Sigismund bekam er freies Geleit und Schutz zugesagt. Man soll Politikern halt nicht glauben, was sie halt so versprechen. Kaum in Konstanz angekommen, wurde Hus angeklagt und als Ketzer dem Feuertod überantwortet – ohne dass der Kaiser etwas zu seinem Schutz tat.
In Böhmen sorgte die Schandtat für Empörung, die sich schließlich in den Hussitenkriegen entlud. Hus wurde posthum nicht nur zum Kirchenreformer erhoben, sondern auch zu einem Symbol des tschechischen Nationalismus, insbesondere im 19. Jahrhundert. Deshalb ist das Andenken an die Verbrennung heute auch ein Staatsfeiertag.
Ein Nationalsymbol für die Schule
1927 wurde das von den Architekten Mečislav Petrů und Vratislav Lhota geplante und für damalige Verhältnisse sehr modernistische Gebäude der Svatopluk Čech Schule (Škola Svatopluka Čecha) in Troja eröffnet. Zu dieser Eröffnung wollte man – ganz im Geiste der Ersten Republik – die Schule um ein nationales Symbol mit Vorbildwirkung ergänzen. Jan Hus lag dabei nahe. Die Chance darauf bot sich bald. Statue in Lebensgröße wurde 1926 wahrscheinlich von dem Bildhauer und Steinmetz Vojtěch Brůžek fertiggestellt und stand ursprünglich an einer Straßenkreuzung, wo sie aber bei wachsenden Verkehraufkommen den Autos im Wege war. Und so bekam die Schule recht günstig, was sie wollte, und kurz danach wurde sie im Schulhof aufgerichtet. Allerdings basierte die Statue auf einem schon wesentlich älteren Entwurf. Der ursprüngliche Entwurf wurde schon 1895 von dem bekannten Bildhauer Vilem Amort (wir erwähnten ihn bereits hier) in Gips angefertigt.
Amort war ein glühender Patriot und Hus-Begeisterter. Der Frühreformator gehörte zu seinen Lieblingsmotiven und über die Statue, die er hier in Gips entwarf schrieb er in sein Tagebuch, er habe sie erschaffen „für diese liebe Nation, die noch immer demütig ist – tatsächlich scheint es mir, dass durch dieses Denkmal Licht auf mein liebes Volk scheinen wird“.
Hus auf dem Scheiterhaufen
Das Hus-Denkmals, das von Brůžek nach Amorts Tod umgesetzt wurde, strahlt eine gerade über den weltlichen Dingen stehende Mystifizierung von Hus aus. Dazu trägt schon der auffallend hohe und schlichte Sockel bei, der die lebensgroße Figur viel größer erscheinen lässt (und, was angesichts des Standorts äußerst praktisch ist, die Schulkinder daran hindert, ihn zu besteigen). Auf der Vorderseite der Säule steht (in Tschechisch) in leider etwas verwitterter Schrift: „Magister Jan Hus heiligen Gedenkens“. Auf der Rückseite findet man die Widmung: „Das Denkmal wurde aus dem Nachlass des Bildhauers Vilém Amort von den Eheleuten Václ. und Jarmila Kočkovi gewidmet. 1926 von den Bürger von Troja erbaut.“
Hoch auf den Sockel sieht man die Statue von Hus im schlichten Ketzergewand auf den bereits aufgestapelten Holzscheiten stehen. Er ist mit Ketten an einen Baumstumpf gebunden. Er schaut entrückt nach oben in den Himmel, wo er die Gerechtigkeit finden wird, die er beim Konzil nicht fand. Die durch die nachdenklichen Falten auf der Stirn und den Bart verstärkte Impression des Gesichtsausdrucks verrät Stolz und Strenge. Selbst der papierne Ketzerhut (auch Schandkrone genannt) auf seinem Haupte (übrigens bei neueren Hus-Darstellungen ein sehr seltenes, wenngleich historisch überliefertes Attribut) nimmt ihm seine Würde nicht.
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