Als die Brücke zusammenbrach (und neu errichtet wurde)

In jeder Verwaltung gibt es solche und solche Abteilungen. Das gilt auch für die Technische Verkehrsverwaltung (Technická správa komunikací) in Prag. Gut funktionierte die Abteilung, die die Brückensicherheit überprüfte, als sie 2011 monierte, dass die Trojská lávka (Trojaer Füßgängerbrücke) so baufällig sei, dass sie in 5 bis 7 Jahren zusammenbrechen werde. Weniger gut waren diejenigen aufgestellt, die jetzt zur Tat hätten schreiten müssen. Weshalb die Brücke fast sechs Jahre später, am 2. Dezember 2017 (heute vor fünf Jahren) krachend zusammenfiel. Geradezu termingerecht wie vorhergesagt. Es war Glück, dass nur vier Menschen (zwei davon schwer) verletzt wurden.

Immerhin, schon im Oktober 2020 konnte eine neue Brücke eröffnet werden. Das ging wiederum vergleichsweise fix. Aber gehen wir zuerst einmal zurück zum Anfang der Geschichte. Die eingestürzte Brücke war im Jahr 1984 nach den Plänen des Architekten Jiří Stráský, heute ein renommierter Professor an der Technischen Universität in Brno (Brünn) erbaut worden. Der Bau einer solchen Brücke war schon lange als wünschenswert erachtet worden, weil man über sie die Strecke vom Innenstadtbereich zum Zoo, dem Botanischen Garten und dem Schloss im Stadtteil Troja für Spaziergänger entscheidend abkürzen konnte. Dabei führte der Weg auch noch durch den schönen Stromovka Park und die große Kaiser Insel (Císařský ostrov) in der Moldau hin nach Troja. Die einzige Verbindung zwischen Kaiser Insel und Troja war lange Zeit eine kleine Fähre, was hinten und vorne nicht ausreichte. Schon 1976 hatte man zur Abhilfe eine improvisierte Pontonbrücke installiert, die aber bei dem Hochwasser von 1981 weggeschwemmt wurde.

Deshalb wurde der Bau der Brücke 1984 auch begrüßt. Und das nicht nur, weil sie sinnvoll war, sondern weil sie auch als ein kleines technisches Meisterwerk galt. Die Konstruktion bestand aus 156 Stahlseilen, die je über einen Pfeiler an jedem Ufer gespannt waren, und auf die der Gehweg gelegt wurde, der aus Polymerbeton bestand. 256 Meter war sie lang, 3,80 Meter breit. Auf 50 Meter Länge verlief sie über der Kaiser Insel, 85 Meter über Troja auf dem Land. Der restliche Verlauf querte die Moldau. In der Mitte konnte man eine herrliche Aussicht auf die recht pittoreske Umgebung genießen.

Die Brücke sah elegant, luftig und leicht aus. Auch war sie zunächst recht stabil. Hochwasser – etwa das von 1997 – überlebte sie weitgehend unbeschadet. Aber der Zahn der Zeit nagte halt doch an ihr. Dann kam die Sicherheitswarnung von 2011, die eigentlich gründliche Renovierungsarbeiten zur Folge gehabt haben hätten müssen. Zumal eine neuerliche Prüfung 2014 schwere Korrosionsschäden an den tragenden Stahlseilen, die den Gehweg trugen, feststellte. Seit einiger Zeit hatte man ein elektronisches Sicherheitsystem installiert, das im 2-Minutentakt meldete, ob noch alles in Ordnung sei. Am 2. Dezember 2017 um Punkt 13.16 Uhr kam das letzte Signal. Nichts war mehr zu retten. Die Brücke war restlos und unwiderbringlich zerstört.

Der Einsturz machte weltweit Schlagzeilen und blieb darob auch in Prag nicht ohne Konsequenzen. Der Leiter der Verkehrs-Verwaltung, Jan Zemánek, musste seinen Hut nehmen. Die vier Opfer des Einsturzes wurden vom Rat entschädigt. Und eine Prüfung aller Moldaubrücken wurde angeordnet, die fast erwartungsgemäß Resultate hervorbrachte, die allen Prager, die aus beruflichen Gründen regelmäßig die Moldau überqueren mussten, eine Gänsehaut den Rücken hinunterjagte. An einigen der meistbefahrenen Brücken der Stadt, darunter die Auto- und Straßenbahnbrücke von Libeň (Libeňský most) und die Eisenbahnbrücke von Smíchov (Železniční most) mussten umgehend Reparaturmaßnahmen und teilweise Verkehrssperrungen vorgenommen wurden Einige andere Fußgängerstege wurden gar gänzlich gesperrt. Und um Troja wieder vom anderen Ufer aus erreichbar zu machen, wurde schon Ende Dezember 2017 wieder ein Fährverkehr eröffnet. Nebenbei bemerkt: Die wesentlich konventioneller gestaltete Brücke, die die Kaiser Insel seit 2006 (als sie eine 1901 eröffnete Brücke ersetzte) mit dem Stromovka Park verbindet, war nie einsturzgefährdet und steht heute noch so da wie seit ihrer Eröffnung. Diese Brücke zur Kaiser Insel (Most na Císařský ostrov), die wir oberhalb links sehen, erlaubt sogar Autoverkehr.

Und natürlich ging man sofort daran, eine neue Brücke an Stelle der eingestürzten zu errichten. Der Entwurf dafür stammt von den Architekten Libor Kábrt, Lukáš Vráblík, Gabriela Elichová und Martin Elich von der auf brücken spezialisierten Firma Stavby mostů Praha (SMP, dt.: Brückenbau Prag). Bei den Plänen war vorgeschrieben, dass die Brücke auf 100 Jahre Haltbarkeit ausgelegt werden sollte. Nach der Bewilligungs- und Planungsphase begannen die Bauarbeiten im November 2019. Die offiziell wieder Trojská lávka, manchmal aber auch Nová Trojská lávka (Neue Trojaer Fußgängerbrücke) genannte Brücke wurde dann am 23. Oktober 2020 feierlich eröffnet.

Der mit der Jahreszahl 2020 versehene Grundstein befindet sich auf der Aufgangsrampe am Tojaer Ufer. Auf dem Photo rechts sieht man dahinter bereits Dekorationen des Schlossgartens von Troja. Dieser Kontrast von alter und neuer Architektur ist bereits so etwas wie ein Hinweis darauf, dass sich ein Ausflug, der diese Brücke mit einbezieht, sich definitiv lohnt. Da gottlob keiner der Menschen, die 2017 mit der Brücke abstürzten, zu Tode kam, kann man die Sache auch ein wenig unbefangen betrachten und sich einfach so freuen. Und die Aussicht genießen! Denn die neue Brücke ist noch einmal deutlich höher als die alte. Und mit vier Metern auch ein wenig breiter (wenngleich mit 256 Metern exakt genauso lang)

Die Brücke ruht nicht mehr auf zwei Pfeilern, sondern auf vieren. Es wurden auch keine Stahlseile zum Tragen des Gehwegs verwendet, sondern Stahlröhren und Träger, die sich rippenförmig darunter befinden. DIe Geländer der Brücke sind ebenfalls aus Stahl. Als Belag für den Gehweg selbst wählte man ein besonders hartes und robustes afrikanisches Tropenholz mit der Bezeichnung Azobé (botanischer Name: Lophira alata). Das Holz scheint auch bei Nässe noch recht rutschfest zu sein – ein zusätzlicher Vorteil.

Alles an der Brücke ist nicht nur auf Eleganz (möglicherweise noch mehr als die alte Brücke), sondern auf Stabilität ausgelegt. Nach der Vorgeschichte war das ja auch eine gute Idee. (DD)

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