Die Zvon #9801 (Glocke #9801) erinnert an ein trauriges Kapitel der Geschichte aus der dunklen Zeit des Nationalsozialismus. Schon 1936 hatte Hitler erste Metallsammelaktionen angeordnet, um Rohmaterialien für die Aufrüstung zu bekommen. Als dann der Krieg weiter fortschritt, schreckte er 1941 auch nicht mehr vor der Konfiskation von Kirchenglocken zurück, die bis dato verschont geblieben waren.

Zwischen 1941 und 1942 wurden im ganzen Reichsgebiet rund 102.000 Glocken eingeschmolzen. Im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren erging eine entsprechende Anordnung zur Requirierung 26. November 1942, die dann auch umgehend umgesetzt wurde. Es wurde genau 9801 Glocken abmontiert und für die auf vollen Touren laufende Rüstungsproduktion verwendet. Genau an diese Schandtat erinner die Glocke, die zur Zeit auf einem Ponton am Rašínovo nábřeží (Rašín Ufer) an der Moldau zu sehen ist. Das ist sie nur vorläufig untergebracht (zuvor war sie noch am gegenüber liegenden Ufer bei Smíchov), später im Jahr soll sie dann weiter nördlich am Rohanské nábřeží ihren endgültigen Platz finden. Dort befand sich seinerzeit die Sammelstelle für die von den Nazis gestohlenen gestohlenen Glocken.

Initiiert hatte die Idee einer Gedenkglocke für die eingeschmolzenen Glocken Ondřej Boháč, der nicht nur Direktor des Instituts für Stadtplanung und Entwicklung (Institut plánování a rozvoje) von Prag ist, sondern vor allem auf Vorsitzender des Vereins Sanctus Castulus, der sich um die Förderung des Glockenspiels und die Wiederherstellung verlorengegangener Glocken kümmert. Zu den ersten Glocken, die der Verein wiederherstellte, gehört die der Kostel sv. Haštala (Kirche des Hl. Kastulus) in der Altstadt (wir berichteten hier), was möglicherweise der Grund für die Namensgebung des Vereins ist.

Der Kulturausschuss der Stadt Prag genehmigte das Ganze schnell im Jahre 2021. Die Herstellung der Glocke sollte aber nicht auf Steuerkosten, sondern schon seit dem Februar 2020 durch eine freiwillige Sammlung ermöglicht werden, die bis März 2024 rund 12 Millionen Kronen (ca. 47.000 €) erbrachte. Nach einen Wettbewerb wurden von einer Jury die eingereichten Entwürfe begutachtete und am Ende gewann das Design der beiden Prager Glöcknerkünstlern Kryštof Čižinský und Jakub Kamínek die Ausschreibung. Der Glockenkörper ist dabei sehr symbolhaft durch Trümmer verschiedener Glocken zusammengesetzt (siehe großes Bild oben).

Beauftragt wurde danach die österreichische Glockengießerei Grassmayer aus Innsbruck, die auf eine veritable, bis ins Jahr 1599 zurückreichende Tradition im Metier zurückblicken kann. Die Glocke hat eine Höhe von 187 cm, einen Bodendurchmesser von 258 cm, und natürlich 9801 Kilogramm Gewicht. Denn für jede von den Nazis zerstörten Glocken auf Böhmen und Mähren wurde ein Kilo Bronze verwendet (daher auch der Name Glocke #9801). Die Initiatoren wollten dabei erreichen, dass die Glocke eine Ansporn und Inspiration dafür liefert, noch mehr Geld zu sammeln, damit möglichst viele fehlende Glocken in den Kirchtürmen des Landes wieder hergestellt werden. Die Aufschrift auf der Glocke lautet: „Ich spreche mit der Stimme von tausend Glocken, die durch den Krieg zum Schweigen gebracht wurden.“ (tsch.: Promlouvám hlasem tisíců zvonů, které umlčela válka.) (DD)

Source