- Hans Weber
- November 1, 2024
Arbeiterromantik über dem koscheren Hotel
Heute ist der 1. Mai – der Tag der Arbeit. An diesem Tag nutzen wir gerne die Gelegenheit, ein wenig in Kunst gegossene Arbeiterromantik vorzustellen, die in Prag übrigens keineswegs nur in sozialistischen Zeiten gepflegt wurde, sondern auch in der Ersten Republik – möglicherweise sogar noch mehr. So wie hier, in in jenem vierstöckigen Hotelgebäude in der Hybernská 1674/42 in der Neustadt.
Allerdings fragt man schon, warum man gerade ein Hotel, wo der Gast gerne mal entspannen möchte, mit solch eher unentspannten Tätigkeiten ausgeschmückt hat. Nun, die Antwort ist natürlich, dass das hier anfänglich gar kein Hotel war. 1884 entstand hier zunächst ein normales Miethaus. Der Architekt Franz Heberle entwarf es in dem damals modernen Neorenaissance-Stil, von dem es innen wohl noch einige Spuren erhalten gibt. In den Jahren 1918/19 ließ man das Gebäude jedoch richtig überholen, weil man nun daraus ein Bürogebäude machen wollte. In diese Zeit fallen auch die vier Arbeiterreliefs oben am vierten Stock unterhalb des imposanten Eckturms. Jedenfalls passen sie so halbwegs zu einem der Arbeit gewidmenten Gebäude.
Als Architekten für das Neudesign beauftragte man den Architekten Bohumír Kozák, der über den wir u.a. hier, hier, hier und hier berichteten und der später als einer Begründer des modernen Funktionalismus in Prag bekannt wurde, und den Architekten und Bauunternehmer Václav Nekvasil (wir begegneten ihm bereits hier und hier). Insbesondere Kozák experimentierte noch mir dem Stil und so findet man Elemente des bereits im Niedergang befindlichen Jugendstils, aber auch der des Klassizsimus und der Kubismus. Man hat es sogar als ein Beispiel für Kuboklassizsmus beschrieben, ein Ausdruck, der sich aber noch nicht so recht durchgesetzt zu haben scheint. Immerhin gibt es klare klassizistische Elemente bei der skulpturalen Ausstattung über dem zweiten Stock, wo man in ovalen Formen klassische Figurenrelief sehen kann, die in keinem Zusammenhang mit den Arbeiterdarstallungen weiter oben zu sein scheinen.
Leider weiß man nicht, wer die unsignierten vier Steinreliefs aus dem Leben hart arbeitender Menschen damals erschaffen hat. Sie stehen in der Tradition des in der Ersten Republik sehr populären Zivilismus der gerne volksnahe und industrielle Themen aufnahm (Beispiele hier und hier). Auf den oben im Bild dargestellten Relief auf der Ostseite (zur U Bulharska) sieht man einen Küfer und einen Stahlofenarbeiter. Und auf dem Bild links (Nordseite, hin zur Hybernská) einen Minenarbeiter und als einzige Frau einer Weberin am Webstuhl.
Erst 2014 wurde das ehemalige Mietshaus, das später in ein Bürohaus verwandelt wurde, nunmehr zu einen Hotel umgebaut – dem Hotel King David. Ein israelischer Investor hatte die Idee, ein speziell auf die Zielgruppe von gläubigen Juden ausgerichtetes Angebot zu entwickeln, das bis dahin ein Nischendasein gefristet hat. Alles – insbesondere die Zubereitung von strikt koscheren Speisen – ist dabei auf israelische/jüdische Gäste zugeschnitten, um so den Gläubigen den Aufenthalt in Prag zu so bequem wie möglich zu gestalten.
Das gelingt anscheinend so gut, dass sich nicht gläubige Juden, die hier des öfteren einkehren, vom koscheren Service und Speisen begeistert sind. Eine gute und völkerverbindende Idee, also. Und so ist es ja irgenwie auf mit dern Relief oben am Turm. Sie enthalten eine gute Botschaft – nämlich das man der Arbeit – gerade heute am 1. Mai – die ihr gebühren Ehre .zuteil werden lässt- ist ja eine Angelegenheit, die am Ende doch zeitlos ist und von keiner politischen Kraft instrumentalisiert werden sollte. (DD)
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