- Hans Weber
- November 1, 2024
Auf Den Spuren Von Bohumil Hrabal III: Die Mauer, Wo Das Haus Stand – Ahoj Aus Prag!
Er gehörte zu den Großen der modernen tschechischen Literatur: Der Schriftsteller Bohumil Hrabal. Und den verbindet man mit Prag, genauer: mit dem Stadtteil Libeň, wo man sein obiges Konterfei auf einem Wandgemälde bewundern kann.
Hrabal trieb in seinen Werken meist den vielleicht für die tschechische Literatur typischen Hang zum Grotesken und Schwarzhumorigen auf die Spitze. Das Ganze verband sich zu einer eher äußerst pessimistischen Weltsicht, die wohl tief in seiner Psyche eingegraben war. Man findet dies schon ausgeprägt in seinem in Deutschland wohl bekanntesten Roman Ich habe den englischen König bedient (Obsluhoval jsem anglického krále) von 1971 (unzensiert erst nach 1989 erschienen), der die Biographie des Scheiterns des Protagonisten in den Zeitläufen von der Republik über die Nazibesetzung zum Kommunismus nachverfolgt. Überhaupt spielen zeitgeschichtliche Themen eine wichtige Rolle bei ihm, wie etwa bei der zu Ende des Zweiten Weltkriegs spielenden Geschichte Reise nach Sondervorschrift, Zuglauf überwacht (Ostře sledované vlaky) von 1965, und schon 1966 erfolgreich verfilmt, in der die anfänglich noch mit Humor gespickte Geschichte in infernalischem Grauen endet. Die Schrecken der Nazizeit wurden auch sonst von ihm oft – und wohl mit autobiographischen Hinweisen versetzt – thematisch verarbeitet. Aber auch die Kommunisten verabscheute er wohl. Er galt deshalb als ideologisch unzuverlässig und geriet mit dem Regime immer wieder in Konflikt. Offen dem Widerstand – etwa der Charta 77 – hat er sich als Eigenbrötler allerdings nie angeschlossen, was ihm von manchen Dissidenten später vorgehalten wurde.
Eine Zeitlang wurde er sogar mit einem Publikationsverbot belegt. Sein in Tschechien vielleicht bekanntester Roman Allzu laute Einsamkeit (Příliš hlučná samota) von 1976 handelt von einem Intellektuellen, der in einem Papierpresswerk alleine arbeitet und maschinell Bücher zu Altpapierpacken zerstampfen muss. Eine klare Anspielung darauf, dass er nach 1970 Hilfsarbeiterjobs annehmen musste, um zu überleben. Ein für ihn erniedrigender Selbstbezichtigungsartikel ermöglichte ihm, unter eingeschränkten Bedingungen ab 1975 wieder schriftstellerisch tätig zu sein. Umso mehr zeigten ihm die Tschechen ihre Zuneigung als 1989 der Kommunismus auf dem Müllhaufen der Geschichte landete. So wurde ab 1991 eine Werkausgabe publiziert, die viele Werke erstmals ungekürzt und unzensiert präsentierte. Das wahre Genie des Autors wurde nun noch deutlicher sichtbar.
Hrabal hat überall in Prag Spuren hinterlassen, aber nirgendwo ist er heute noch so präsent wie eben im Stadtteil Libeň, einem damals industriell geprägten Arbeiterdistrikt, der sich heute damit rühmt, sozusagen Hrabals Kiez gewesen zu sein. „Meins ist Libeň! Ich bleibe hier, ich werde nie von hier wegziehen!“, schrieb er 1987 in einem seiner Bücher, obwohl er realiter 1973 in den Stadtteil Kobylisy umgezogen war. Aber irgendwie blieb er stets der Bewohner von Libeň, wo auch alles an ihn erinnert. Insbesondere die Liste der Kneipen, in denen er Bier getrunken hat oder getrunken haben soll, ist lang.
Zudem ließ er sich von der Umgebung literarisch inspirieren, worüber wir bereits hier berichteten. Und dann gab es noch das Haus in der kleinen und unscheinbaren Na Hrázi 24/326, wo er von 1950 bis 1973 mit seiner Frau und vielen Katzen (Individualisten wie er!) wohnte. Das Haus wurde allerdings leider 1988 zu Beginn der Bauarbeiten für die dann 1990 eröffnete Metrostation Palmovka, abgerissen. An der Stelle, wo es stand, befindet sich nunmehr die Nordseite des angeschlossenen Busbahnhof. Die wird allerdings durch eine an sich öde Betonmauer begrenzt. Das bot immerhin – mit etwas Phantasie – Möglichkeiten, daraus einen Gedenkort zu machen.
Im Jahre 1999 dekorierte die Malerin Tatiana Svatošová, die dafür später sogar prestigereiche Preise einheimste, die von Garagen durchsetzte und hinter einem Parkplatz befindliche Wand mit einem Gemälde, das sich über satte 333 Quadratmeter erstreckte: Die Hrabal-Mauer, die mittlerweile zu den zentralen Hauptsehenswürdigkeiten des abseits der Touristenströme liegenden Stadtteils gehört. Dort sieht man im Stil der Pop-Art portraitiert, Hrabal und alles, was im wichtig war: Seine Katzen, das Bier, seine Bücher und auch seine berühmte altertümliche Schreibmaschine vom Typ Perkeo, die von der Dresdner Clemens Müller AG produziert worden war. Die war so etwas wie ein Markenzeichen des Schriftstellers.
Auch sonst lässt man sich in Libeň nicht lumpen, wenn es um die Pflege des Andenkens an Hrabal geht. Der Platz vor dem Wandgemälde bzw. dem früheren Wohnort wurde 1999 erst einmal Bohumil Hrabal Platz (Náměstí Bohumila Hrabala) umbenannt. Der ist allerdings so trübe gestaltet, wie man es von der Rückseite eines Busbahnhofs nur erwarten kann. Deshalb gab es schon früh engagierte Initiativen, den Platz würdiger zu gestalten. Zunächst ergriff der örtliche Kulturförderverein Serpens 2004 die Initiative, dass hier ein hauptsächlich Hrabal gewidmetes Kulturzentrum mit Ausstellungen und einem Buchladen erbaut werden solle. Ein Stück Land stand bereit und wartete darauf, erworben zu werden. Aber zunächst einmal schaffte der Verein es lediglich, hier als Signal für die Welt einen Grundstein für ein Bohumil Hrabal Zentrum (Centrum Bohumila Hrabala) einzuweihen, der jetzt etwas unmotiviert in der Gegend herumsteht. Aber das Signal wurde gehört.
Die Stadtregierung von Prag 8 sagte Unterstützung zu. Aber wie es mit Verwaltungen so ist… Planungen und Grundstückskäufe zogen sich ein wenig hin. 2020 schrieb man einen Architektenwettbewerb aus, Umbaupläne für den Platz vor, der zur Bedingung machte, dass der Platz dadurch ein architektonisches Denkmal für Hrabal mit entsprechenden Einrichtungen sein soll. Dadurch würde auch ein echtes Denkmal (im Sinne einer Skulptur, die den Schriftsteller darstellt) vermieden – etwas, was Hrabal wohl zu Lebzeiten strikt abgelehnt hatte. Es tut sich also langsam etwas in der Umgebung des Wandgemäldes. Mal sehen, was dabei herauskommt.
Was Hrabal zu all diesen Ehrungen gesagt hätte? Wir wissen es nicht. Denn der allem offiziösem Pomp eher abholde Schriftsteller ist seit 1997 tot. Er hatte sich im nahen, Bulovka genannten Krankenhaus in Libeň zu einer Behandlung eingefunden. Angeblich fiel er beim Versuch, an dem hoch gelegenen Zimmer, in dem er sich befand, Tauben zu füttern, aus dem Fenster. Aber die meisten Menschen glauben, dass er Selbstmord begangen hatte. Suizid ist eines der Themen, mit denen er sich fast zwanghaft in seinen recht schwarzen Romanen und Geschichten befasst hat. Noch am Morgen des Todestages soll er einem Krankenhausarzt gesagt haben, er habe eine „Einladung“ von einem längst verstorbenen Dichter bekommen, der in der Nähe begraben sei. Aber restlos geklärt ist das alles nicht. Aber man kann sich kaum des Gedankens erwehren, dass das rätselhafte und tragische Ende in einer engen Beziehung zu dem so grimmig schwarz anmutenden Werk des großen Schriftstellers stehen muss.
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