- Hans Weber
- November 1, 2024
Brutalistischer Brunnen (mit Ventilation)
Nachdem er lange Zeit als architektonische Abnormität behandelt wurde, hat der Brutalismus hat in den letzten Jahren eine immer größere Anerkennung erfahren. Der Ästhetik des rohen Betons und Stahls in kühn konstruierten einfachen geometrischen Formen, wie sie (nicht nur in kommunistischen Ländern) in den 1970er Jahren Verbreitung fand, wird heute als eigenständige und durchaus originelle Stilrichtung bewertet.
Und für Freunde des Brutalismus dürfte die Betonová fontána (Beton-Fontäne) an der Horská (Neustadt) am Rande des Park na Karlově als geradezu archetypisches Meisterwerk gelten. Und das nicht nur, weil der Brunnen einen kaum noch zu übertreffenden Kontrast zu der üppig barocken Fassade Kirche St. Marien und Karl der Große (Kostel Nanebevzetí Panny Marie a sv. Karla Velikého na Karlově; wir berichteten) bietet. Vielmehr wird hier die Botschaft der brutalistischen Architektur (zumindest der anspruchsvolleren Variante) deutlich, nämlich dass die simplen Formen eine soziale Zweckmäßigkeit ausdrücken sollen. Der Brunnen, der in seiner Form einem überdimensionierten Zahnrad (oder möglicherweise dem Drehknopf eines Wasserhahns) dient nämlich zugleich als Ventilationsschaft für die darunter herlaufende Metro-Linie C. Er ist nämlich Teil eines brutalistischen Großensembles, das mit einem städteplanerischen Verkehrprojekt verbunden war.
Um die Altstadt vom Autoverkehr zu entlasten wurde 1973 die riesige Nusle Brücke (Nuselský most; wir berichteten hier) errichtet, die über das tiefe Nusletal hinweg die Neustadt mit dem Vyšehrad verbindet (die Metro fährt durch ihr Inneres). Gegenüber befindet sich die Metrostation Vyšehrad (erwähnten wir hier), die zusammen mit der Brücke von dem Architekten Stanislav Hubička sozusagen in einem brutalistschen Betonguss geplant worden war. Der Brunnen bildete sozusagen auf der Neustädter Seite den Endpunkt. Der Park wurde später dem Ganzen angepasst, als Hubička Sohn Radim in den späten 1980er Jahren die Anlage umgestaltete und den Brunnen in einem runden Areal anbaute und stilistsch angleichte – ohne den Charakter der zur Kirce gehörenden Parkanlage aus dem 19. Jahrhundert allzu sehr zu beeinträchtigen.
Der Brunnen samt Ventilationsschacht wurde 1973 von dem Architekten-Ehepaar Neda Cajthamlová und Miloslav Cajthaml entworfen, die in Prag unter anderem durch den Bau des Hotels Pyramida bekannt wurden, über das wir hier berichteten. Die zahnradförmige Betonstruktur steht in einem runden Wasserbecken, das früher vom Zentrum her gefüllt wurde. An einer Seite sieht man kleine Trittsteine aus Beton, mit deren Hilfe man das Wasser überqueren kann. Tut man dass, kann man den gut kaschierten und somit das Kunstwerk nicht optisch beeinträchtigenden Eingang mit Leiter entdecken. Dann erst wird die Zweckorientierung des Ganzen klar, Hier kann das Wartungspersonal der Metro einsteigen, wenn etwas an der Ventilation geregelt werden muss, und wohl auch das Wasser für den Brunnen anstellen. Das ist leider schon seit Jahren nicht mehr geschehen. Das Becken ist leer. Es gibt keine Fontäne. Bleibt nur zu sagen: Der Brunnen würde viel gewinnen, wenn man ihn auch tatsächlich wieder als Brunnen nutzen würde. (DD)
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