Brutalistisches Gebetshaus in Eigeninitiative

Direkt neben dem berühmten Malvazinky Friedhof (wo Karel Gott beerdigt ist) in der Peroutkova 2482/57 im Stadtteil Smíchov (Prag 5) liegt dieses auffällige Gotteshaus der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten (Církev adventistů sedmého dne, CASD).

Recht wuchtig wirkt die Architekur im Stile des Brutalismus, der in den 70er und 80er Jahren in Ost und West en vogue war, und für den es in Prag zahlreiche herausragende Beispiele gibt (einige präsentierten wir u.a. hierhier und hier). Der Schöpfern dieser Bauwerke ging es darum, durch klare Konstruktionen mit rohen Beton und Stahl zu einem authentischen kulturellen Statement zu formen. Gerade in Tschechien wird er oft fälschlich mit der Zeit des Kommunismus verbunden, aber natürlich gab es ihn auch auf der guten Seite des Eisernen Vorhangs.

Erstaunlich ist daher eher die Tatsache, dass man überhaupt solch ein großes Gotteshaus in den Zeiten des staatsbefohlenen Atheismus gebaut hat. Denn das Gebäude wurde in den Jahren 1982 bis 1985 nach den Plänen des Architekten Václav Tříska gebaut. An der Stelle befand sich vorher die Begräbniskapelle des Neuen Jüdische Friedhof in Smíchov (Starý židovský hřbitov na Smíchově). Der Friedhof wurde aber schon seit Jahrzehnten nicht mehr aktiv für Beerdigungen genutzt, weshalb man die Kapelle für überflüssig hielt.Der Friedhof wurde 1990 für die Öffentlichkeit geschlossen, steht aber unter Denkmalschutz. Die Kirche hat extra eine Empore neben der Mauer bauen lassen, die eine Besichtigung von außen ermöglicht.

Die karge Betonstruktur passt vielleicht zum Inhalt. Denn das ist keine Kirche (kostel), sondern dem Selbstverständnis der Siebten-Tags-Adventisten gemäß ein Gebetshaus (modlitebna). Dieses Selbstverständnis erteilt jedwedem ornamentalen Prunk eine Absage. Da die freikirchlichen Adventisten an eine baldige Wiederkunft Christi glauben, wäre so etwas ein unangemessenes und unzeitiges Indiz von Verweltlichung. Wie viele evangelischen Gemeinden verbinden auch die Adventisten ihr Gebetshaus mit dem Anspruch, gleichzeitg kulturelles und soziales Zentrum zu sein. Deshalb wurde ein etwas stilfremdes (im Bild links oberhalb auf der rechten Seite zu sehen) Nebengebäude gebaut, in dem es Pfarramt, Säle und Unterkünfte gibt.

Dafür, dass die Gemeinde sehr aktiv ist, spricht, dass das Gebetshaus – dem ja jede staatliche Unterstützung unter dem Kommunismus versagt war – mit viel Eigeninitiative errichtet wurde. In ihrer Freizeit halfen die Mitglieder damals bei den Bauarbeiten kräftig mit. Sonst wäre ein Gebetshaus dieses Ausmaßes wohl hier nicht entstanden. Zumindest der gesamte Vorplatzbereich ist architektonisch wohl gelungen, was selbst zugeben muss, der sonst mit brutalistischer Architektur wenig anfangen kann. Die weite Treppe und die kantig gefaltete Front, in die geschickt ein kreuzförmiges Fenster integriert wurde, sind durchaus formschön und originell. (DD)

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