- Hans Weber
- November 1, 2024
Burg mit Inschriften
Von weitem könnte man auf den ersten Blick meinen, es handle sich um eine alte Burg. Ist es aber nicht. Vielmehr handelt es sich um die Villa und das Atelier eines berühmten Bildhauers.
Die Vosmíkova vila (Villa Vosmík) in der Tichá ulice 1224/3 (am besten zu sehen aber von der oberhalb gelegenen Na Hřebenkách) im Villenviertel des Stadtteil Smíchov (Prag 5) ragt als Besonderheit gegenüber den Villen der Nachbarschaft heraus, was Form und Stil angeht. Erbaut wurde sie für Čeněk Vosmík ein damals sehr bekannter und vielgefragter akademischer Bildhauer (hier, hier und hier), der meist einen sehr monumentalen Realismus frönte, aber auch als ein begabter Restaurator anderer Stile, insbesondere des Barocks (u.a. hier), angesehen war. Bis zu seinem Tod 1944 lebte er hier in der Villa mit seiner Frau Růžena und seinen beiden Töchtern.
Der Architekt der Villa war kein Geringerer als Josef Fanta, der als Erbauer des Prager Hauptbahn- hofs berühmt wurde (wir berichteten hier), aber auch andere stilprägende Gebäude hinterlassen haben (z.B. hier und hier). Vosmík war mit Fanta persönlich befreundet und hatte mit ihm schon öfters zusammengearbeitet. Man kann davon ausgehen, dass Fanta den Wünschen des Bildhauers sehr entgegenkam, insbondere was die Dramatik der Inszenierung des Gebäudes als eine Art Burg anging. Jedenfalls ist die VIlla in jenem reinen Jugendstil gehalten, wie man ihn sonst bei seinen Werken i dieser Zeit sah. Vielmehr sind deutlich historistische Elemente (etwa der erhöhte Turm) im Gesamterscheinungsbild präsent. Erst bei näheren Hinschauen entdeckt die eher zurückhaltenden Jugendstil-Dekorationen (Bild rechts).
Aus einer Perspektive von oben, kann man von der Na Hřebenkách das eigentliche Atelier erkennen, das fast wie ein Treibhaus verglast ist, um so genügend Licht für die Bildhauerei hereinzulassen (Bild links und großes Bild oben). Als Atelier eines Bildhauers wird es wohl seit dem Tode von Vosmík nicht mehr verwendet, der solch einen großen Raum brauchte, um seine teilweise monumentalen Statuen anzufertigen – darin stilistisch vielfach seinem Lehrmeister Josef Václav Myslbek ähnelnd, dem wir u.a. die Reiterstatue des Heiligen Wenzels (unser Beitrag hier) auf dem Wenzelsplatz verdanken. Wie man überhaupt den Eindruck gewinnt, dass das Haus heruntergekommen ist und kaum mehr genutzt wird. In den 1990er Jahren starb nämlich Vosmíks Tochter Růžena. Das Gebäude verfiel allmählig. Seit 2018 gehört die Villa einem erfolgreichen Rechtsanwalt, der in der Umgebung schon einige Villen gekauft und anschließend solide restauriert hat. Es besteht also noch Hoffnung.
Noch sieht das Haus allerdings recht desolat und verkommen aus. Dabei könnte es eine kleines Bereicherung der Umgebung sein, schon allein, wenn man die Fassadeninschriften restauriert, die heute kaum mehr sichtbar und überwuchert sind. Es sind wunderschöne Sinnprüche (in Tschechisch), wie zum Beispiel Wer arbeitet, verdient oder Du wirst mit Mühe und Arbeit den Himmel erobern. Es wäre schön, wenn sie wieder gut sichtbar restauriert würden. Fanta und Vosmík hatten anscheinend einen guten Sinn für Humor. (DD)
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