Das Haus des reichen Welschen

Es gibt Häuser, deren Anblick einfach das Herz erwärmt. Dazu gehört für mich ohne Zweifel das Haus Na Kamenci an der Ecke Altstädter Ring (Staroměstské náměstí 478/26) an der Ecke zur Melantrichova. Der Ursprung des Namens, der sich auf eine Ortschaft westlich von Prag beziehen könnte, ist unbekannt. Aber es ist einfach hübsch anzusehen.

Die Geschichte des Hauses beginnt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als hier in den Jahren 1170 bis 1200 ein romanischer Bau errichtet wurde, von dem anscheinend noch Teile in den Kellergewölben existieren. Ein wenig mehr Spuren hinterließ der Umbau zu Beginn der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, diesmal im hochgotischen Stil. Das kann man noch ein wenig an den Arkaden mit ihren Spitzbögen erkennen, die sich zum Nachbarhaus 479/25 fortsetzen. Auch zu Beginn des 15. Jahrhunderts – nach den Hussitenkriegen – gab es noch einige kleinere Veränderungen im spätgotischen am Hause.

Schließlich, um das Jahr 1526 wird zum ersten Male der Name Na Kamenci für das Haus in Dokumenten erwähnt. In eben dieser Zeit erfolgte auch ein abermaliger Umbau, diesmal im Stil der Renaissance. Wie oder ob beides miteinander zusammenhing, ist aber nicht mehr zu ergründen.

Wenn man sich von der engen, von unzähligen pittoresken Häuser gesäumten dem Rathausvorplatz nähert, sieht man am Ende, wie sehr sich das Haus dem recht unkonventionellen und unregelmäßigen mittelalterlichen Grundstückszuschnitt anpassen musste. Alles ist eckig und nutzt den engen Raum so gut wie möglich aus. Das blieb auch so, als die mittelalterliche Stadt (aber meist nicht der Eintrag im Grundstückskataster) allmählich verschwand und neueren Baustilen wich (die meist auch geschützter vor Feuer waren). Wer das Haus erneuern wollte, musste sich an die Vorgaben halten – so auch beim Renaissancebau.

Aber auch diese Bauphase war nicht die letzte. Für das Jahr 1697 ist ein gewisser Jakub Minetti als Besitzer des Hauses nachgewiesen. Der stammte aus einer italienischen Händlerfamilie aus Mailand, die ein/zwei Generationen zuvor nach Prag eingewandert war. Die Welschen (Vlašský), wie man die Italiener damals hier nannte, hatten sich mit Unterstützung der Habsburger Herrscher Rudolf II. und Matthias II. Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts in Prag angesiedelt. Viele kamen als Handwerker, die besonders auf der Kleinseite das Stadtbild im italienischen Barockstil erneuern sollten, der ideal zu den konterreformatorischen Idealen der habsburger passte. Außerdem sollte der fast unisono katholische Bevölkerungszuwachs aus Italien den katholischen Glauben in Prag zu stärken, das immer mehr zur hussitischen und protestantischen Seite tendierte.

Dabei waren die Minettis an vorderster Front mit dabei. Sie waren zum Beispiel als Mitglieder der italienischen Marienkongregation engagiert beim Bau des Welschen Spitals bei Kapelle der Frau Maria und des Heiligen Karl Borromäus (kaple sv. P. Marie a sv. Karla Boromejskeho). Das machte sie beliebt, sodass sie bald in den Ritterstand erhoben wurden und die Herrschaft über die außerhalb Prag liegenden Orte Branišov und später Větrný Jeníkov erlangten Und in Prag konnte man sich schöne zentral gelegene Liegenschaft leisten, neben dem Haus Na Kamenci auch das um die Ecke gelegene Haus zur Silbernen Teekanne (U stříbrné konvice) in der Melantrichova 476/18. Wie dem auch sei: Der sehr wohlhabende Minetti baute im Jahre 1708 das nunmehr dreistöckige Haus im prachtvollsten Barockstil um – so wie man es heute noch sehen kann.

Innen erfolgten immer wieder sehr weitreichende Umbauten, etwa im späten 19. Jahrhundert, 1914 und 1919 und schließlch auch 1926. Da wurden es baulich mit dem Nachbarhaus 479/25, dem Haus zu den kleinen Leuten (dům U Človíčků) über das wir zuletzt berichteten, vereinigt. Dadurch konnte ihr ein größeres Hotel eröffnet werden. Von außen sind es immer noch zwei Häuser, von denen das Na Kamenci sicher mehr auffällt.

Der durch das mittelalterliche Grundstück vorgegebene Grundriss, die kühnen Stützbögen über die Melantrichova, die zum gegenüberliegenden Haus 462/27, dem Haus zum Ochsen (dům U vola), führen, die Kombination schwerer gotischer Arkadenbögen im Erdgeschoss mit dem prachtvollen barocken Fassadenstuck und die (wahrscheinlich neuere) kontrastreiche Farbgebung blau/gelb geben dem Haus zweifellos eine äußerst originelle Note. Selbst hier in der Alstadt, wo es nur von wunderbarer alter Bausubstanz umgeben ist, ragt es optisch heraus. (DD)

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