- Hans Weber
- November 1, 2024
Das Luxushotel, in dem der Harley Davidson Club gegründet wurde
Schon von weitem sollte man sehen, dass hier ein Hotel der Luxusklasse auf den Gast wartete. Denn genau das sollte es sein, als das Hotel Gráf im Jahre 1898 seine Pforten öffnete. Noch immer künden der neobarocke Pomp und die üppigen Vergoldungen vom einstigen Glanz des Hotels, gelegen am heutigen náměsti I. P. Pavlova 1789/5 (I.P. Pawlow Platz) in der Neustadt (Prag 2).
Das Hotel, das nach seiner Eröffnung eine äußerst wechselhafte Geschichte durchlebte, gibt es schon lange nicht mehr. Aber fangen wir am Anfang an. Der Platz, der erst seit 1952 nach dem berühmten russischen Physiologen, Mediziner und Nobelpreisträger (1904) Iwan Petrowitsch Pawlow. benannt ist, verdankt seine Existenz dem 1897 erfolgten Abriss des Stadtttors zwischen Neustadt und Vinohrady, das damals noch nicht zu Prag gehörte. Der ging mit einer radikalen städtebaulichen Veränderung und Modernisierung des ganzen umgebenden Areals einher. Bei dieser Gelegenheit erwarb im selben Jahr der große Hotelier Alfred Gráf das bereits (nach Plänen von Bohdan Pudlač, den wir schon hier erwähnten) im Bau befindliche Gebäude, das eigentlich ein Mietshaus mit Café im Erdgeschoss werden sollte.
Nach den Plänen des bekannten Bauunternehmers und Architekten František Tichna, (auch hier), dem Prag unter anderem das 1909-11 erbaute Neue Rathause (wir berichteten hier) verdankt, ließ er das Gebäude zu einem Hotel transformieren, das seinen Namen tragen sollte, eben Hotel Gráf. Der Neobarock, der damals voll im architektonischen Modetrend lag, und der ja auch dem Image eines Luxusbaus entgegenkam, prägte die ganze, von Tichna gestaltete, Fassade des vierstöckigen Hauses. Sie dürfte ihre Werbewirkung nicht verfehlt haben. Dazu trug nicht nur die reiche Ornamentik bei, sondern nicht zuletzt auch der hohe Eckturm, der sich majestätisch über dem Gebäude erhebt.
Dass historistische Stile wie der Neobarock bald aus der Mode kommen sollten, merkt man, wenn man die Hotelhalle (die heute keine mehr ist) betritt. Zunächst fällt dabei die wunderschöne Kassettendecke auf, die nicht neobarock ist, sondern in einem sehr geometrischen Jugendstil gestaltet wurde. Sie entstand im Zuge einer Zusammenlegung mit dem benachbarten Haus 1829/4 zum Zwecke der Vergrößerung im Jahre 1906. Konzipiert wurde das ganze wieder von Tichna, der die Zeichen der Zeit erkannte hatte, denn in dieser Zeit war Neobarock out und Jugendstil in. Folglich ist das, was im Lauf der Zeit noch vom Interieur übrigblieb in diesem Stil gehalten.
Neben der Kassettendecke sind in der ehemaligen Hotelhalle die hölzernen Wandvertafelungen bemerkenswert, die liebevoll erhalten und restauriert wurden. Sie sind reich an Ornamenten. Es handelt sich meist um florale Motive, wie sie im Jugendstil sehr beliebt waren. Sie sind nicht bloß aufgemalt, sondern es handelt sich um Intarsien, also kunstvoll geschnitzte und geschliffene Holz-Einlegearbeiten. Das verlangt handwerkliches Geschick und man kann schon alleine daran erkennen, das sich Hotelier Gráf den Bau seines Hotels ordentlich etwas kosten ließ.
Bei den Gästen kam das wohl an. Und das Hotel hatte auch ein kurzes Rendezvous mit der Geschichte der großen weiten Welt. Am 25. Februar 1928 fand hier nämlich das erste General Meeting des Harley Davidson Clubs Prague statt, der sich in den Räumen dieses Hotels als erster Harley Davidson Club der Welt überhaupt gründete. Wieder eine tschechische Erstleistung! Nachdem der Club nach 1939 von den Nazis zwar nicht verboten wurde, aber die Wehrmacht den Mitgliedern die Motroräder requirierte, und nachdem die Kommunisten 1949 den Club auflösten, konnte er nach der Samtenen Revolution wieder auerstehen. Das heutige Management des Hauses pflegt das Andenken an die Club-Gründung mit Stolz. Nicht nur wurde außen eine Gedenkplakette angebracht, sondern im Treppenhaus gibt es eine kleine Ausstellung mit einer Original-Maschine auf der Gründungszeit des Clubs.
Die Machtergreifung der Kommunisten im Februar 1948 brachte nicht nur dem Harley Davidson Club Unglück, sondern auch dem Hotel, in dem er gegründet wurde. Das Hotel wurde fast umgehend enteignet und verstaatlicht. Es lief nun als Hotel der Klasse B (die Kommunisten meinten für ihre Planwirtschaft alles staatlich kategorisieren zu müssen) mit einer Volksgaststätte statt des bisherigen Cafés. Die wurde in Preisklasse III (ab 1955, als diese Kategorisierung eingeführt wurde) einsortiert, konnte sich aber 1977 auf Klasse II verbessern als in Nebenräumen eine große Tanzbar eingerichtet wurde.
Und natürlich durfte das Hotel nicht weiter nach dem Kapitalisten Alfred Gráf genannt werden. Stattdessen hieß es ab 1948 Hotel Kriváň, benannt nach einem Berg in der Hohen Tatra in der Slowakei, der den Namen Kriváň trägt. Viel für Pflege und Instandsetzung des Gebäudes tat man nicht. Wie so oft lebte man auch hier unter dem Kommunismus von der Substanz, die eimmer mehr herunterkam und verfiel. Eine von den heutigen Eignern im Erdgeschoss aufgestellte Phototafel zeigt einige der schönen Interieurs, die damals allmählich unwiderbringlich dem Verfall anheimfielen (Bild links). Schnelle Rettung kam allerdings auch mit der Samtenen Revolutuion 1989 nicht.
1992 sollte eine Sanierung stattfinden, die aber finanziell nicht abhob. Der Investor ging pleite. 1998 wollte darob ein österreichischer Investor das inzwischen unrentable Hotel wiederbeleben, geriet aber in Eigentumsstreitigkeiten, bei denen am Ende dann die frühere Besitzerfamilie restituiert wurde. Die verkaufte es wohl an einen anderen internationalen Investor. Da war schon lange klar, dass hier kein Hotel mehr eröffnet werden würde. In den Jahren 2003 und 2017 fanden grundlegende Umbauten statt, bei denen das gesamte Gebäude in ein modernes Bürozentrum umgewandelt wurde.
Die Betreiber des Bürohauses agierten aber stets kulturell sensibel und geschichtsbewusst. Das Hotel verschwand zwar, aber das Gebäude wurde so gut, wie es ging, erhalten und sorgfältig gepflegt An Tagen der Offenen Tür, etwa dem den architektury, lässt man die Öffentlich zur Besichtigung zu und führt sogar recht professionelle Führungen durch. Dabei darf man sogar die von außen unsichtbare Dachterasse betreten, von der aus man eine grandiose Aussicht auf Altstadt und Burg hat. Die muss von den Hotelgästen damals sicher als das besondere Extra im schönen Hotel Gráf empfunden worden sein. (DD)
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