- Hans Weber
- November 1, 2024
Der Beginn der Moldaukaskade
Bei der Ortschaft Vrané an der Moldau (Vrané nad Vltavou), rund 16 Kilometer südlich des Prager Stadtzentrums gelegen, beginnt sie, die sogenannte Moldaukaskade (Vltavská kaskáda). Wir befinden uns bei dem von schöner Felslandschaft umgebenen Stausee Vrané (Vodní nádrž Vrané) mit seinem Stauwehr und Wasserkraftwerk.
Was ist die Moldaukaskade, die Schritt für Schritt zwischen 1930 und 1966 aufgebaut wurde? Es handelt sich um ein System aus neun Stauwerken unterschiedlicher Größe, die sich von vom Stauwehr Vrané (Flusskilometer 71,4) flussaufwärts bis zu den beiden Stauseen Lipno II (dessen Wehr sieht man im kleinen Bild links) und Lipno I (Flusskilometer 329,5) aus dem Jahr 1959 erstreckt, und das gleichermaßen dem Hochwasserschutz, der Energiegewinnung und auch dem Tourismus (Wassersport) dient. Die Kaskade setzte dabei im Kern die zwischen 1896 und 1906 unternommene technische Bändigung der bis dato recht unberechenbaren und für Flößer und Schiffer gefährlichen Moldau nach Süden fort, die den Flusslauf zwischen Prag und der Elbe eindämmte und durch Schleusenwerke beruhigte.
Das Stauwerk Vrané war das erste Projekt der Moldaukaskade. Es wurde in den Jahren 1930 bis 1936 erbaut. Es handelt sich nicht um einen Staudamm im strikt technischen Sinne, sondern um ein Wehr, das den Ab- und Zufluss des Wassers regelt. Dazu gibt es vier 20 Meter breite Wehröffnungen mit Schütztafeln (Bild rechts), die gesenkt und gehoben (bis auf 9,7 Meter Höhe) werden können. Geöffnet können sie ganze 2800 m³ Wasser pro Sekunde ablaufen lassen. Der gestaute See erstreckt sich über 13 Kilometer bis zum nächsten Wehr bei Štěchovice (bei Flusskilometer 84,4), das von 1937 bis 1945 erbaut wurde. Der Rückstau des Wassers reicht auch in den rund vier Kilometer weiter oberhalb von Vrané einfließenden Moldau-Nebenfluss Sázava hinein, und zwar noch rund drei Kilometer.
Natürlich dachte man schon von Anfang an daran, dass primär zur Wasserregulierung dienende Stauwerk auch zur Stromgewinnung zu nutzen. Das kleine Kraftwerk am östlichen Ufer wurde 1935 zunächst einmal für ein Jahr im Probebetrieb, dann aber auf Dauer eingesetzt. Die damaligen Turbinen hatten ein Schluckvermögen von 75 m3 pro Sekunde. Sie wurden 1978 bis 1980 durch neuere Kaplan-Turbinen mit 90 m3 pro Sekunde ersetzt. Heute liefert das Kraftwerk rund 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr an Strom.
Aber so ein Stauwerk hat ja nicht nur den positiven Nebeneffekt, dass sich dort Strom produzieren lässt, sondern er macht den Fluss dahinter auf leichter für die Schifffahrt zugänglich. Da man durch die Wehröffnungen unmöglich durchfahren kann, hat man dafür eben Schleusen eingebaut. Man sieht sie am westlichen Ufer (Bild rechts). Die größere ist 134 Meter lang und 12 Meter breit (genug für kleine Frachtschiffe), die kleinere 84 Meter lang und 12 Meter breit.
Große Frachtschiffe kommen hier aber nicht allzu oft vorbei. Für Kanus oder Kajaks wäre die Betätigung der Schleuse zu aufwendig. Dafür gibt es am Ufer eine kleine Schienenbahn, mit der man die Kleinboote bequem am Wehr vorbei schieben kann. Womit wir beim Freizeitwert des Ganzen sind. An beiden Seiten des Stauseeufers kann man wunderschöne Wandertouren machen. Am Westufer sogar hoch über den Felsen, die hier die Moldau säumen, was atemberaubende Ausblicke auf das Wehr erlaubt (Bild oberhalb links).
Und auch dann, wenn man nicht so hoch hinaus will, kann man sich auf Höhe des Wasserspiegels ebenfalls gut amüsieren. Da es ja Dank der Stauung durch das Wehr keine unberechenbaren Strömungen oder gar gefährliche Untiefen gibt, wimmelt es an schönen Tagen auf dem Wasser nur so von kleinen Hobby-Segelbooten und Motoryachten, auf denen man sich anscheinend risikofrei äußerst gut unterhält.
Zu Fuß oder mit dem Auto kann man den Fluss an dieser Stelle nicht überqueren. Für die Bediensteten gibt es einen kleinen bedachten Überweg hoch über dem Wehr, der aber nur dienstlichen Zwecken dient. Will man das Ganze vom gegenüberliegenden Ufer betrachten, muss man entweder rund sechs Kilometer südlich nach Davle oder rund fünf Kilometer nördlich nach Zbraslav gehen, um eine für Fußgänger geeignete Brücke zu finden. Aber auch ohne Überquerungsmöglichkeiten ist das imposante, im Stil des 1930er-Jahre-Funktionalismus gebaute Stauwehr von Vrané einen Besuch wert. (DD)
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