- Hans Weber
- November 1, 2024
Die Bombe, die beinahe Himmler tötete
Vor der Kirche Maria vom Siege (Kostel Panny Marie Vítězné) in Bilá Hora befindet sich eine kleine Gedenksstätte, gelegen zwischen der Bushaltestelle Bilá Hora und der Kirche mitten in einer kleinen Grünanlage. So unscheinbar sie aussehen mag, so sehr verbirgt sich dahinter eine dramatische Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg.
Es handelt sich um ein Denkmal für Widerstandkämpfer gegen die Nazis. Der rechteckige Stein ist mit zwei Inschriften versehen. Auf der oberen Gedenkplatte (Original natürlich in Tschechisch) steht: „Den Gefallenen, Gefolterten und Hingerichteten des Zweiten Weltkriegs 1939-1945“ Und auf der unteren Gedenkplatte heißt es: „Für die vergessenen Helden und Opfer des inländischen anti-faschistischen Widerstand im 2. Weltkrieg – Josef Líkař, Václav Řehák, František Mandy. Hingerichtet von den Nazis am 30.6.1942. Mitstreiter von Oberstleutnant Josef Mašina, Oberstleutant Josef Balabán, Kapitän Václav Moravék in der militärischen Widerstandsorganisation Verteidigung der Nation (Obrana národa).“
Fangen wir mit den drei hier Geehrten an: Josef Líkař war eigentlich Klempnermeister hier in Bilá Hora. Er schloß sich 1939 dem Widerstand gegen die Nazi an und stellte zunächst Behältnisse für Munition und Waffen her. Später entwickelte er sich zusammen mit seinem seinem Schwager Václav Řehák (der u.a. den wichtigen Kontakt zu dem deutschen Doppelagenten Paul Thümmel aufrecht erhielt) zum Experten für „Süßigkeiten“, wie man Sprengstoffe zur Durchführung von Anschlägen nannte. Daneben diente seine Wohnung als konspiratives Versteck, wo er auch illegale Untergrundzeitschriften herausgab. Er schloss sich als Verbindungsmann der Widerstandsgruppe Tři králové (Drei Heilige Könige) an, ein Name, den ihr später die Gestapo gab. In Wirklichkeit nannte man sich die „Drei Musketiere“, aber der Name der Drei Könige blieb hängen.
Die Widerstandgruppe wurde von drei hochrangigen Offizieren der früheren Tschechoslowakischen Armee gegründet, nämlich Josef Mašín, Josef Balabán und Václav Moravék. Sie war so etwas wie der Geheimdienst und Sabotagedienst der größten bürgerlichen WIderstandsbewegung Obrana Národa (Verteidigung der Nation). Die Gruppe wurde die erst im Sommer 1942 nach und nach von der Gestapo entdeckt und hingerichtet. Zu den Aktionen gehörten nicht nur Sabotageakte in der Tschechoslowakei selbst, sondern auch in Deutschland – was die Gruppe zu den wirkungsvollsten in der Geschichte des tschechischen Widerstands machte.
Im Februar 1941 plante die Gruppe ein Attentat auf SS-Reichsführer Heinrich Himmler am Anhalter Bahnhof. Himmlers Ankunft mit dem Zug dort war auf 21.31 Uhr angekündet. Und es war eine von Josef Líkař in seiner Werkstatt angefertigten Zeitbomben gewesen, die zuvor von einem den Widerständlern nahestehenden Schlafwagenschaffner namens Jan Karel nach Berlin geschafft und dort versteckt worden war. Eine Gleisstörung machte im letzten Moment die Umleitung von Himmlers Zug auf den Bahnhof Friedrichstraße notwendig. Die Bombe explodierte, aber Himmler kam nicht zu Schaden. Was wäre, wenn der Zufall ihn nicht gerettet hätte? Die abenteuerliche Aktion der Heiligen Drei Könige wäre mehr als ein Randkapitel der Geschichte geworden.
Líkař wurde am 15. Mai 1942 und Řehák am 21. Mai 1942 gefasst und nach und nach auch die anderen Mitglieder der Heiligen Drei Könige. Beide wurden am 30. Juni 1942 auf dem Schießplatz von Kobylisy (Kobyliská střelnice, wir berichteten hier) hingerichtet. Likařs Frau Marie Líkařová, die die Aktion wie durch ein Wunder úberlebte, hatte noch unzählige der Waffen, die die Gruppe heimlich gehortet hatte, so gut versteckt, dass die Nazis sie nicht fanden. Als am 5. Mai 1945 der Prager Aufstand (siehe auch hier) gegen die Nazi-Besatzer begann, belieferte sie damit die Aufständigen.
Da unter den kommunistschen Regime der bürgerliche Widerstand zugunsten des eher unbedeuten kommunistischen Widerstand totgeschwiegen wurde, dauerte es bis 2013 bis Líkař und Řehák in ihrem Heimatort Bilá Hora ein Denkmal gesetzt bekamen. Nach einigen weiteren Recherchen fand man, dass ebenfalls am 30. Juni 1945 František Mandys hingerichtet wurde, weil er Teil der Gruppe war. 2022 hat man ihn dazugefügt. Die beiden unteren Photos stammen noch von 2016 und man sieht Líkař und Řehák noch ohne Mandys. Inzwischen ist der historischen Gerechtigkeit genüge getan und die Widerstandshelden von Bilá Hora werden nun vollumfänglich geehrte. (DD)
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