Die Rohrpost, die immer noch auf die Wiederauferstehung wartet

Hier sieht man eines der wenigen sichtbaren Relikte eines einmaligen technischen Denkmals, das sonst immer noch im Verborgenen schlummert: Die Prager Rohrpost. Es steht, heute unbenutzt natürlich, im Postgebäude in der Moravská 1530/9 im Stadtteil Vinohrady.

Das erste (private) Postamt in Vinohrady, eine damals noch im Entstehen begriffene Stadt, die erst 1922 zu Prag eingemeindet wurde, entstand bereits 1875. Im Jahr 1882 wurden die Postämter der Staatsverwaltung unterstellt. Immer dichter wurde das Netz von Poststationen im Laufe der Jahre. Das Postamt in der Moravská wurde im Jahre 1909 gebaut und diente bald als Hauptpostamt von Vinohrady. Ein recht großes Postamt, das auf zwei Etagen betrieben wurde; im Erdgeschoss für den Brief- und Paketdienst, in Obergeschoss die Postsparkasse. Und eine Rohrpost wurde gleich von Anfang an mit eingebaut, den die war damals der letzte Schrei.

 

 

 

 

 

 

Die erste Rohrpost wurde im Jahre 1853 in London eingeführt, in Wien entstand sie 1875 und in Prag folgte 1887, wobei der Betrieb erst 1889 augekommen wurde. Eine Rohrpost funktionierte im Prinzip so, dass eine in einem Rohr befindliche Kartusche, die luftdicht eingepasst ist, durch Luftunterdruck zu bewegen. Die Rohrpost hatte meist ursprünglich die Funktion, aufgegebene Telegramm an den Aufnahmestellen möglichste schnell zur Telegraphenvermittlung zu verschicken. Später kamen aber nach andere Funktionen wie Bargeld transport hinzu. Die Hauptlinien gingen vom Hauptpostamt in der Jindřišská aus zur Altstadt und Kleinseite, und dann eben zum Hauptpostamt in Vinohrady in der Moravská oder Filialen wie etwa in diesen Wohn- und Geschäftshaus in der Anglická 384/25 (Ecke Italská), über das wir bereits hier berichteten. Nach dem Krieg wurden noch Erweiterungen nach Smíchov, zur Burg und zum Masaryk Bahnhof vorgenommen. Insgesamt 55km Trassen wurden verlegt.

 

 

1924/1925 wurde das alte Postgebäude zu klein und es entstand der moderne Bau, den wir heute bewundern können – ein typisches Beispiel für den Purismus, einer Mischung aus klassischer Fassadenstruktur und modernen kubistischen oder funktionalistischen Elementen. Plus einer immer noch wunderschönen Inneneinrichtung im Stil des Art Déco (siehe Bild rechts unterhalb). Dazu gehörte auch eine Erweiterung der Telefonkapazitäten im 4. Stock, die damals immerhin 6000 Telefonstationen zu versorgen hatte. Der Umbau kam gerade rechtzeitig zu einem umfassenden Modernisierung in den Jahren 1927 bis 1932 bei dem neue Rohrposttrassen verlegt wurden und ein leistungsfähiges Automatiksystem der Berliner Firma Mix & Genest eingebaut wurde. Das Logo der Firma kann man auf der sorgfältig erhaltenen Rohrpostanlage in der Moravská heute noch sehen.

 

 

 

 

Dank der Renovierung konnten nunmehr durchschnittlich pro Jahr 420.000 Kartuschen verschickt, werden die 1,1 Millionen Telegramme transportierten. Während der Nazi-Okkupation spielte die Poststelle in der Moravská auf eine Rolle bei Widerstand. Von hier aus schickte am 12. April 1942 einer der beiden Attentäter, die später den stellvertretenden Reichprotektor Reinhard Heydrich seinem gerechten Ende zuführten, Jan Kubiš ein Telegramm an seine Freundin und Mitwiderständlering Marie Knaislová-Žilanová schickte, um eine Sabotageaktion gegen die für die Nazis wichtige Škodafabrik in Pilsen einzuläuten. Es wurden daraufhin in Pilsen zu einem vereinbarten Zeitpunkt Feuer gelegt, um den RAF-Piloten, die die Fabrik bombardieren sollten, den genauen Zielort zu markieren.

 

 

 

In den 1990er Jahren wurden immerhin noch 100.000 Behälter jährlich durch die Rohre gejagt, Danach wurde der Betrieb recht schnell immer weiter verringert. Im digitalen Zeitalter ergaben Telegramme schon bald keinen Sinn nur. Das vorläufige Ende kam mit den großen Hochwasser von 2002, in dem Teile des Rohrpostsystems völlig unter Wasser gerieten. Einige Teilabschnitte waren so beschädigt, dass eine Reparatur sich nicht mehr so recht lohnte. 2005 ging im Zuge der Privatisierung das Telefonnetz und die Rohrpost gleich mit an die spanische Gesellschaft Telefónica, die das an sich ja intakte Rohrpostsystem 2012 an den Zdeněk Dražil verkaufte, der zwar ein wahrer Enthusiast zu in Sachen Rohrpost zu sein scheint, aber bisher vergebens nach Sponsoren sucht, um wenigstens Teiles dieses großen Denkmals und Rarität zu revitalisieren – sei es als Museumsprojekt oder als Verbindung zwischen Präsidentenpalast und anderen politischen Akteuren. Bisher ist leider nicht daraus gewurden.

Aber immerhin kann kann man in der Poststelle von Vinohrady noch einen Original-Terminals besichtigen. Schließlich ist die Rohrpost nicht nur ein wichtiges Kapitel der Technikgeschichte. Das Besondere an der Prager Rohrpost ist, dass sie nie abgebaut wurde, wie etwa in London, Paris, Wien oder Berlin. Die einzige ihrer Art. Und sie schlummert weitgehend intakt tief unter den Straßen der Stadt – bis sie vielleicht jemand wieder auch aus dem Dornröschenschlaf wachküsst.

Nur den Prinz schuf man halt noch… Auf jeden Fall sollte man der Poststation in der Morasvká dankbar sein, dass sie bei ihrer letzten Generalmodernisierung im Jahre 2003 uns ein wenig von Zauber der alten Rohrpost sichtbar erhalten hatten. (DD)

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