Die Spende des Ritters Asinus

Plötzlich und unerwartet steht man vor ihr, der Kirche des Heiligen Pankraz (Kostel svatého Pankráce), die zufälligerweise (?) auch noch im Prager Stadtteil Pancrác steht. Der ist nämlich ziemlich modern überbaut, sodass man überrascht ist, wenn man ein so ganz besonders geschichtsträchtiges Bauwerk sieht.

Eine Kirche an dieser Stelle wurde erstmals 1205 in einer Urkunde erwähnt, in der es heißt, das „ein Ritter namens Asinus“ hier eine Kirche „an einem Ort namens Krušina“ gespendet habe. Krušina war ein kleines Dorf, das aber schon im Hochmittelalter (möglicherweise wegen des chronischen Wassermangels in der Umgebung) zu existieren aufhörte. Das, was da überliefert wurde, konnte in den 1970er Jahren bestätigt werden. Da baute man nämlich die Metrolinie C (rot) und stieß 1976 direkt bei der heutigen Kirche und darunter auf Überreste eines mittelalterlichen Bauwerks, das sich als Fundament einer romanischen Kirche in Rotundenform erwies, die tatsächlich aus der Zeit des Ritters Asinus stammte, der möglicherweise unter seinem Namen litt, denn Asinus ist das lateinische Wort für Esel. Jetzt wurde das Areal sorgfältig von Archäologen untersucht, bevor man mit dem Metrobau weitermachte, der 1978 vollendet wurde. Die Kirche hatte wohl, wie damals üblich, einen eigenen Kirchhof, denn man fand bei den Ausgrabungen auch rund 40 mittelalterliche Gräber.

1420 war ein Schicksaljahr für die alte Kirche. Die Hussitenkriege begannen. Im Herbst tobte hier eine Serie von Gefechten, die als Schlacht bei Vyšehrad in die Geschichte einging, und in der die Hussiten erfolgreich die Kaiser Sigismund folgenden katholischen Invasoren zurückschlugen. Dabei wurde die Kirche, die im 14. Jahrhundert im gotischen Stil (u.a. wurde ein Längsschiff zugefügt) überarbeitet worden war, schwer beschädigt. Wie und warum das geschah, dafür fand man nun bei den Ausgrabungen auch archäologische Indizien. Man fand nämlich etwas nordöstlich der Kirche Reste eines Grabens, der möglicherweile ein Teil der hussitischen Befestigung war und im Kriegsgeschehen eine Rolle spielte. Die Hussiten hatten hier wohl ihre Artillerie aufgebaut.

Die Kirche wurde schnell repariert, aber 1618 kam der nächste Glaubenskrieg, der gleich dreissig Jahre dauerte. In der Endphase 1648 versuchten noch einmal die Schweden Prag einzunehmen. Wieder tobten im Umfeld der Kirche Gefechte, die so heftig waren, dass die Kirche zerstört wurde. Nur Stücke der Grundmauern blieben, in denen immer noch einige Kanonenkugeln aus dem Krieg steckten. Zumindest eine davon kann heute man noch als eine Art schwedisches „Souvenir von 1648“ an der Außenwand der Apsis bewundern (Bild links). Der Jesuitenorden ließ die Kirche schon ab 1650 wieder aufbauen, wobei nun der barocke Stil zum Tragen kam, der die Kirche bis heute auszeichnet.

Schon im 16. Jahrhundert wurde der separate Glockenturm (auch Kampanile genannt) gebaut, der die Kirche optisch zu einer Besonderheit macht. Die Dachkonstruktion wurde um 1700 barockisiert. Im Turm (Bild rechts) wurde eine der ältesten Glocken Prag aufgehängt, ein 350 Kilogramm schweres Meisterwerk des berühmten Glockengießers Bartholomäus von Prag (Bartoloměj Pražský) aus dem Jahre 1505. Im Jahre 1724 wurde die Kirche dem großen Jesuitenkolleg im Klementinum in der Altstadt zugeschlagen. Für eine gewisse Zeit schien nun ein wenig Ruhe in das Kirchenleben hier eingetreten zu sein. Aber eben nur für eine gewisse Zeit….

Denn schon 1757 okkupierten die Preußen unter Friedrich II. im Laufe der Belagerung Prags im Siebenjährigen Krieg die strategisch günstige Anhöhe, auf der die Kirche steht. Die Preußen schafften es nicht, Prag einzunehmen, aber dafür plünderten sie die Kirche aus. Dann, im Jahr 1773 löste die aufgeklärte Kaiserin Maria Theresia (in Übereinstimmung mit einem päpstlichen Beschluss) den Jesuitenorden auf und enteignete ihn. Die Kirche wurde recht rüde säkularisiert und diente teilweise als Schießpulverlager der Armee. Die Zweckentfremdung, die ihre Spuren im Gebäude hinterließ, dauerte bis 1818. Jetzt erst hatte die Leidensgeschichte der Kirche ein Ende.

In den 1860er Jahren wurde der Innenraum der durch die recht grausamen Geschichtsläufe völlig entleerten Kirche im historistischen Stil wieder neu ausgestattet, während man außen eine Renovierung durchführte. Die Kirche fungiert seit Beginn des 20. Jahrhunderts als römisch-katholische Gemeindekirche, allerdings nur als „Zweigstelle“ der Kirche des Heiligen Wenzel (Kostel svatého Václava) – wir berichteten bereits hier – im weiter unten gelegenen Nusle (Prag 4), unter deren Verwaltung sie steht. Der ehemalige Kirchhof wurde 1866 aufgelöst. Aber an der Kirchenwand kann man noch Relikte von Grabdenkmälern aus dem 19. Jahrhundert erkennen.

Durch den Wegfall des Kirchhofs wurde vor dem Kirchengebäude viel Platz geschaffen für eine kleine Grünanlage. Zu dieser Grünanlage gehört auch ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus Pankrác. Das Denkmal wurde im Jahre 1921 aufgestellt und wurde durch den Bildhauer Jan Gabriel gestaltet, der im Stadtteil Holešovice eine Steinmetzwerkstatt betrieb. Auf einem vierkantigen Steinsockel, auf dem auf allen vier Seiten die Namen der (recht vielen!) Gefallenen stehen, thront ein bronzener Adler, der wiederum auf einer Weltkugel sitzt. (DD)

Source

Recent posts

See All
  • Hans Weber
  • October 18, 2024

A Czech “Catch me if you can” story!

  • Hans Weber
  • October 18, 2024

Vernissage at The Design Gallery: Celebrating the Art of Manuel Bonfanti under the Auspices of the Italian Embassy

  • Hans Weber
  • October 18, 2024

Celebrating 30 Years of Diplomatic Relations Between North Macedonia and the Czech Republic

Prague Forum Membership

Join us

Be part of building bridges and channels to engage all the international key voices and decision makers living in the Czech Republic.

Become a member

Prague Forum Membership

Join us

    Close