Die Universität im Palais

Zum Studieren täglich diese Prachttreppe hinaufzusteigen, muss doch irgendwie die akademische Leistung beflügeln! Jedenfalls hat sich die Anglo-American University (AAU) in der Letenská 120/5 auf der Prager Kleinseite einen kaum noch zu überbietenden Standort ausgesucht.

Man sieht es dem Gebäude an, dass es ursprünglich nicht als Bildungsstätte konzipiert war, sondern als Palast. Kein Palast für irgendwen, sondern für eines der ganz großen und reichen Adelshäuser. Es handelt sich nämlich um das Palais Thurn und Taxis (palác Thurn-Taxisů), benannt nach dem böhmischen Zweig des Geschlechtes Thurn und Taxis, Die Familie begründete im 16. Jahrhundert als erfolgreiche Organisatorin es deutschen Postwesens ihren Ruhm, der Dank vieler von Medien gerne aufgegriffener unkonventioneller Aussagen der gegenwärtigen Fürstin in der Boulevardspresse auch heute noch ungebrochen fortwährt. Aber ein Palastgebäude steht hier nicht erst seit der Zeit, als die Familie Thurn und Taxis hier einzog. Ursprünglich standen hier zwei ältere Häuser, die 1696 von Wilhelm Johann Anton Reichsgraf von und zu Daun erworben wurden, einem hochrangigen Militär, der 1689 zum Kommandanten von Prag berufen worden war. Der Graf ließ die Häuser zu einem Palais im Barockstil zusammenfügen. Nach seinem Tod 1706 fiel das Gebäude für kurze Zeit der Familie Liechtenstein zu, die es aber schon bald an Franz Wenzel von Wrtby (František Václav z Vrtby) verkaufte.

Der ließ 1726 eine umfassende Umgestaltung durchführen. Wahrscheinlich lieferte die Pläne dazu der bekannte Architekt Franz Maxmilián Kaňka (wir erwähnten ihn u.a. bereits hierhier und hier), der für Wrtby zuvor bereits etliche Gebäude entworfen hatte, aber gesichert ist das nicht. Jedenfalls entstand ein erlesenes Werk des Hochbarock. Zum prachtvollen Gesamteindruck gehörte auch die reiche skulpturale Ausstattung des Palastes, die wahrscheinlich das Werk von Schülern des bekannten Bildhauers Matthias Bernhard Braun (den erwähnten wir u.a. hier und hier) sind. Teile davon – etwa die Statuen im Treppenhaus – wurden ob ihrer Schönheit auch nach der späteren stilverändernden Umgestaltung beibehalten. Der Palais blieb in seiner barocken Gestalt auch weiter bestehen, als ihn im Jahre 1814 Maximilian Josef Prinz von Thurn und Taxis, der Begründer der böhmischen Linie der Familie, von der Wrtby-Familie erwarb. Er schien kein Interesse an einer stilistischen Veränderung zu haben, obwohl Barock bereits völlig aus der Mode war.

Darüber machte sich erst sein Enkel Hugo Maximilian Prinz von Thurn und Taxis , einem hohen Militär und Mitglied des österreichischen Reichsrates, tiefere Gedanken. Der heuerte den bekannten Architekten und Bauunternehmer Jan Bělský (den erwähnten wir u.a. hier) an, der den Palais im Stil des Klassizismus umbaute. Die Anpassung erfolgte gefühlvoll und geschmacksicher. Barocke Elemente wurden integriert und auch bei der neuen skulpturalen Ausstattung versuchte man stilsicher zu sein. Dazu gehören auch die beiden identischen Familienwappen der Thurn und Taxis über dem mittleren Fenster der Außenfassade, die an die alte Barocktradition anknüpfen.

Das Wappen wirkt geradezu überladen. In sechs Felder aufgeteilt sieht man dort zweimal je einen dreizinnigen Turm hinter dem sich zwei Lilienstäbe (auch Gleven genannt; eine bildliche Anspielung auf Zepter) kreuzen, zweimal je einen aufsteigenden gekrönten Löwen, einmal einen ungekrönten Löwen (steht für die später gefürstete Grafschaft Friedberg) und zweimal das Symbol einer Schere (steht für die 1785 in Besitz der Familie gekommene später gefürstete Grafschaft Scheer). Und in der Mitte sieht man das Herzschild mit der Darstellung eines Dachses. Die Vielfalt der Motive ist ein Sinnbild des Aufstiegs der im Mittelalter noch eher unbedeutenden Reichsritterfamilie. Am Anfang befand sich nämlich auf dem Wappen nur der Dachs. Mit jedem Schritt des Aufstiegs (im 17. Jahrhundert in schneller Folge zum Reichsfreiherrenstand, zum Reichsgrafenstand und 1695 schließlich zum Fürstenstand. Das, was wir am Prager Palais sehen, spiegelt bereits den Aufstieg zum Reichsfürstenstand im Jahre 1786 wider. Im Grunde war fast jeder Schritt nach oben für die Familie mit einem neuen Feld zusätzlich zum ursprünglichen Dachs verbunden.

Die Zeit der Thurn und Taxis‘ lief mit dem Ende des Habsburgerreichs im Jahre 1918 aus. Erbe Alexander von Thurn und Taxis verkaufte das Gebäude schon kurz darauf an die Erste Tschechoslowakische Republik, um sich fortan auf seinem Landschloss im etwa 35 Kilometer nordöstlich gelegenen Loučeň seiner Jagdleidenschaft hinzugeben. Fortan war der Palais ein zusätzliches Gebäude des in direkter Nachbarschaft liegenden Finanzministeriums. So überlebte es bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als es der 1949 neugegründete Stadtbezirk Prag 1 erwarb. Der brachte darin verschiedene Büros (u.a. die tschechoslowakische Architektenkammer), Wohnungen und einen Kindergarten darin unter. in den 1990er Jahren vermietete man auch einige Büros an den Senat, der zweiten Parlamentskammer des Landes. So blieb es, bis 2002 das große Hochwasser dem das Gebäude arg zusetzte. Immerhin konnte man danach noch den Betrieb des Kindergartens notdürftig aufrechterhalten, aber ansonsten stand das Gebäude leer. Aber das war bei der Lage mit Aussicht auf die Burg (s. rechts) kein natürlicher Zustand, der lange anhalten konnte.

Die Besserung hatte sich 1990 angebahnt. In diesem Jahr gründete sich die An.glo-American University (AAU). Der Kommunismus war im Jahr zuvor zusammengebrochen und auch in Sachen Bildung sehnte man sich nach einem Leben ohne staatliche Planung und viel privater Eigeninitiative. Und man wollte an Anschluss an die Standards der westlichen Welt. Und so entsand die erste englischsprachige private Universität auf tschechischem Boden. Gründers und erster Rektor war Jansen Raichl. Man sieht sein Portrait im Hintergrund des Bildes rechts, während im Vordergrund der tatkräftige gegenwärtige Rektor Jiří Schwarz gerade die Premiere eines Buches anlässlich des 30. Jubiläums der AAU feiert. Die AAU kombiniert mitteleuropäische Werte und amerikanische Akkreditions- und Qualitätsstandards. Man ist dabei kosmopolitisch – Studenten aus 80 Ländern studieren hier.

Die AAU war lange Zeit nur improvisiert untergebracht. Man verhandelt über die Anmietung des Palais‘, das 2014 vom Stadttbezirk gründlich renoviert wurde. Seither darf die AAU hier für 9 Millionen CZK pro Jahr zur Miete residieren. Mit 2500 m² an Räumlichkeiten (einschließlich umgebauter Ställe o.ä.) war der Platzbedarf gut abgedeckt und es blieb sogar noch ein wenig übrig für den immer noch existierenden Kindergarten, den man erhalten wollte. Die Wiederherstellung der klassizistischen Gestaltung der repräsentativen Räume (links die Aula) wurde stilsicher und handwerklich solide von den Restauratoren durchgeführt. Gerade für feierliche Veranstaltungen – etwa den Examensverleihungen – bietet der alte Palais der Familie Thurn und Taxis eine kaum zu übertreffende Atmosphäre.

Die Universität hat alles, was es braucht. Der vierflügelige Bau mit seinem schönen Innenhof ist auch ein wenig eine Ruheinsel inmitten eines überaus touristischen und somit recht lärmigen Umfeldes. Auch das ist gut für die akademische Leistung und für die geselligen Seiten des Studentenlebens.Dazu trägt auch das als Mensa fungierende Café des Taxis bei, in dem man nach der Lernerei einen kleinen, aber gepflegten Imbiss zu sich nehmen und abends auch des öfteren Parties feiern. Und der Name knüpft traditonsbewusst an die Geschichte des Gebäudes an, das immer noch nach dem Geschlecht der Thurn und Taxis benannt ist. (DD)

Großartiger Wochenendausflug – auch ohne Libuše

Es ist schon ein bemerkenswerter Anblick, wenn man durch den inneren Verteidigungsring der alten Burgwallanlage von Libušín (Hradiště Libušín) kommt, um im Mittelpunkt des Areals die barocke Fassade der Kirche des Heiligen Georg (Kostel sv. Jiří) auftauchen zu sehen.

Wir befinden uns rund 30 Kilometer nordöstlich von Prag und in der Nähe der modernen Bergbau- und Industriestadt Kladno. Der eher unscheinbare Ort Libušín ist schon ein wenig ländlicher und von Wäldern umgeben. Den Berg hinauf erreicht man die Wallanlage – ein Ort voller Mythen! Der Mönch Cosmas, der berühmteste mittelalterliche böhmische Chronist, erwähnt sie ausführlich in seiner im frühen 12. Jahrhundert verfassten Chronica Boemorum (Chronik der Böhmen). In der Burg habe im 8. Jahrhundert eine zeitlang die legendäre Fürstin Libuše gelebt, die durch ihre Heirat mit Přemysl die in Böhmen über Jahrhunderte regierende Herrscherdynastie der Přemysliden gründete (wir berichteten u.a.hier und hier). Die Seherin soll hier irgendwann im 7. Jahrhundert eine Vision gehabt haben, das Prag dereinst eine blühende und große Stadt werde, und dass man dort eine Burg (den heutigen Hrad) erbauen solle.

Die deutlich ältere Christianslegende (Legenda Christiani) aus dem späten 10. Jahrhundert behauptet jedoch, die gute Fürstin und Seherin habe ihre Vision auf dem Vyšehrad gehabt, der südlichen Burganlage Prags. Das wirkt irgendwie plausibler, denn die Burg von Libušín liegt doch weit außerhalb Prags und auch ganz an der Peripherie des Herrschaftsgebiets der Přemysliden, wenn nicht gar außerhalb. Wenn man eine dramatische Prophezeiung inszenieren will, dann eignet sich der Vyšehrad erheblich besser, weil man hier hier aus der Höhe mit großem Gestus den Blick über die zukünftige Metropolstadt schweifen lassen kann. Aber vermutlich stimmt weder das eine, noch das andere. Beide Chronisten lebten und schrieben Jahrhunderte nach den geschilderten Ereignissen und füllten Wissenslücken mit sehr viel Phantasie. Was sie offenbar nicht wussten, ist, dass sich hier im 8. Jahrhundert noch gar keine Burganlage mit herrschaftlichen Sitz befand. An der Stelle, wo wir heute die Burganlage und die Georgskirche bewundern können, gab es damals lediglich eine kleine unbefestigte Ansiedlung,

Diese Siedlung kann allerdings, wie die Archäologen herausfanden, auf eine lange Geschichte zurckblicken. Beginnend mit der Bronzezeit úber die Hallstattkultur und die Eisenzeit führt sie uns hin bis zum Frúhmittalter. Auf einem hohen Hügel mit steilen Abhängen und inmitten sehr fruchtbaren Landes gelegen, bot das Areal Schutz und Lebensmöglichkeiten. Ein idealer Sidlungsort also. Zur Festung wurde der Ort wahrscheinlich erst im 10. Jahrhundert unter dem böhmischen Herzog Boleslav I.. Das war der, der seinen Bruder, den späteren HeiligenWenzel ,umbringen ließ, weshalb er als Boleslav der Grausame in die Geschichte einging. Boleslav fand, dass sich sein Bruder politisch zu sehr dem deutschen Kaisertum angenähert hatte. Nach dem gewaltsamen Ende Wenzels versuchte er Böhmen davon zu lösen und bekämpfte Kaiser Otto I. Das ging schief und 950 erkannte Boleslav die kaiserliche Oberhoheit an. War die Burganlage also ein Teil des Boldeslavschen Verteidigungssystems gegen Kaiser Otto? Es kann sein, aber genaues wissen wir nicht.

Die Anlage wurde zu Beginn des 11. Jahrhunderts noch einmal ausgebaut, möglicherweise in Zusammenhang mit dem Krieg, den der böhmische Herzog Jaromír – diesmal mit Unterstützung des deutschen Kaisers Heinrich II. – gegen die im Land einfallenden Truppen des polnischen Herzogs Bolesław Chrobry siegreich führte. Wenn dem so ist (was man nicht so recht weiß), dann war das die letzte Blüte des Areals als Festung mit militärischer Bedeutung. Die Wallanlagen wurden seit dem 11. Jahrhundert nicht mehr gepflegt und in Stand gesetzt. Das Land wurde friedlicher und nicht nur hier in Libušín evrschwanden sie, sondern überall in Böhmen. Man suchte andere Orte als Handelszentren und wenn irgendwo Burgen gebaut wurden, dann größer und aus Stein.

Blieb aber noch die Kirche inmitten der alten Anlage. Die kann nämlich auch auf eine lange Geschichte zurückblicken. Soweit man es archäologisch erschließen kann, entstand sie bereits im 10. Jahrhundert, also in der Zeit, als die Siedlung zur Festungsanlage wurde. Von der Originalkirche der Zeit, die wohl aus Holz gebaut war, sieht man nichts mehr. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckte der Archäloge Josef Ladislav Píč bei Augrabungen das Fragment eines romanischen Portals aus dem 12. Jahrhundert. Heute mit dem Auge nicht mehr sichtbar, ist es das älteste erhaltene Stück der Kirche. Schriftlich erwähnt wird die Georgskirche erst 1355 in einem päpstlichen Zehntenregister. Von da an bis zu den Hussitenkriegen ab 1420 kennt man sogar die Namen der Pfarrer der Gemeindekirche für den Ort Libušín. Zu diesem Zeitpunkt konnte man hier ein Krichengebäude im spätgotischen Stil bewundern.

Dem Kirchenbau wurde 1514 noch ein großer hölzerner sechseckiger Glockenturm (Campanile) hinzugefügt. Er wurde mit zwei großen Glocken bestückt, eine wurde schon 1504, die andere 1536 gegossen. Die ältere der beiden Glocken wurde 1996 gestohlen und später durch eine neue Glocke ersetzt. Die abgelegene Lage schien wohl Einbrecher in den 1990er Jahren geradezu anzulocken. Schon 1991 waren Einbrecher in die Kirche eingebrochen und stahlen zwei Altarbilder, ein weiterer Einbruch mit weiteren Diebstählen erfolgte 1998.

Der Glockenturm von 1514 ist übrigens wegen seiner Höhe der am weitesten sichtbare Teil der Kirche. Im Jahre 1650 ging man aber an einen grundlegenderen Umbau. Die Kirche – insbesondere die Fassade – wurde im spätbarocken Stil umgebaut. Immer wieder wurde sie weiter ausgeschmückt. Ein neuer barocker Altar wurde 1683 errichtet und 1760 noch ein zusätzlicher Rokokoaltar. Auch im 19. Jahrhundert gedieh die Kirche. Im Jahr 1800 kamen noch Gemälde mit Aposteldarstellung dazu und 1859 wurde zum Beispiel die Orgel eingebaut. 1908 kam allerdings das Gemeindeleben in der zum Erliegen. Im 19. Jahrhundert erlebten Bergbau und Industialiserung ihren Aufschwung und die Bevölkerung wuchs. 1775 hatte Libušín noch 18 Einwohner (die passten alle in die Kirche!), 1869 waren es schon 501 und 1900 ganze 4087.

Darob baute man 1908 ein neues Gotteshaus für die Gemeinde, die neogotische Kirche des Heiligen Prokop (kostel sv. Prokopa), für die die Gemeinde nicht einmal mehr einen hohen Berg hochsteigen musste, weil sie mitten im Ort liegt. Diese neue Kirche scheint bis heute groß genug für die Bedürfnisse der Gemeinde zu sein. Das heißt nicht, dass man die Georgskirche oben darob vernachlässigte. Im Zeitalter des erwachenden tschechischen Nationalbewusstseins wurde ein Ort, den man mit der sagenumwobenen Gründerfürstin Libuše in Verbindung bringen konnte, leicht zum Gegenstand patriotisch aufgeladener Gefühle.

So war die alte Kirche bereits „Kult“ als die neue Kirche die Bühne betrat. Im Jahr 1883 regotisierte man teilweise bei einem neuerlichen Umbau wieder die zuvor barockisierte Kirche. Der Bezug zur Gotik schuf eine größere Nähe zur tschechischen Mythenwelt, während Barock mit Habsburgertum verbunden wurde. Auf jeden Fall ist das, was heute von außen wie die alte vorbarocke Gotik aussieht, in Wirklichkeit relativ moderne Neogotik (siehe die Apsis im Bild links). Die barocke Frontfassade behielt man aber bei. 1907 sorgte man für ein neues Dach. Etwas später im 20. Jahrhundert riss man noch einige neuere Häuser, die das Zusammenspiel von Kirche, Burgwall und Landschaft störten ab. Kurz: Um die Kirche und ihre Pflege musste man sich wohl keine Sorge machen.

Bis zum Jahr 1948. Das ergriffen die Kommunisten die Macht. Die hatten eine Neigung, Kirchen aus ideologischen Gründen zu vernachlässigen und verfallen zu lassen. Nur einmal, 1973, ergriff man Maßnahmen, das Holzdach des Campanile zu reparieren. Nach dem Ende des Kommunismus musste man 1990/91 Nägel mit Köpfen machen. Alles – Fassade, Bedachung, Turm, Inneneinrichtung – wurde renoviert. Auch die oben erwähnte Einbruchserie, die danach folgte, ist passé.

Heute gibt es ab und Konzerte, vor allem aber wird sie als Kirche für Beerdigungen genutzt, denn innerhalb der Kirchenmauern liegt ein mit schönen alten Baumbestand versehener Friedhof. Und ebenfalls führt hier am St.-Georgstag (24. April) eine St. Georgs-Wallfahrt (svatojiřská pouť) statt, um den namensgebenden Heiligen zu ehren. Dem fühlt man sich vielleicht auch deshalb nahe, weil der Ort Libušín im 13. Jahrhundert der bedeutenden Basilika des Heiligen Georgs (Bazilika sv. Jiří) bzw. dem dazugehörigen Kloster in der Prager Burg gehörte. Die Kirche wird von vielen Ausflüglern besucht, die zumeist alelrdings sie nur von außen betrachten können, da sie aus Sicherheitsgründen nur bei Gotetsdiensten oder Veranstaltung geöffnet ist.

Aber natürlich wird der Ort nicht nur wegen der Kirche, sondern vielmehr, weil dieselbe inmitten einer enormen Burgwallanlage platziert ist. Eine Doppelsensation sozusagen… Ein gut (allerdings auf Tschechisch) mit Tafeln ausgeschilderter Lehrpfad führt heute durch das Gelände. Im 20. Jahrundert fanden große Ausgrabungen statt, etwa 1929 durch Jaroslav Böhm, dem Leiter des Staatlichen Archäologischen Institut (immerhin von 1923 bis 1962) und dann noch eine lang anhaltende und ergiebige Ausgrabung von 1949 bis 1971 durch Zdeněk Váňa, ein Spezialist für das böhmische Frühmittelalter. Die Funde waren zum Teil sensationell, etwa die in Stein geritzten Darstellungen von bewaffneten Reiters auf dem Pferd, die auf das 9. oder 10. jahrundert datiert werden können. Manche behaupten, sie seien die ältesten überlieferten slawischen Bildwerke auf böhmischem Boden. Auf einem der Wege im Areal findet sich die rechts abgebildete Kopie eines solchen Kunstwerks.

Das Burgareal war ideal für eine Festungsanlage, schon weil es an der südlichen Seite durch einen sehr steilen Abhang begrenzt wurde, der einen schnellen und effektiven Angriff von hierher verunmöglichte. Die reestlichen drei Seiten sind durch einen noch ausgesprochen gut sichtbaren Wall geschützt (Bild links), der einen westlichen und einen östlichen Eingang hatte. Hinter dem Wall befand sich ein Graben, der dem potentiellen Feind das Eindringen erschweren sollte. Übrigens: Anscheinend wurde die Burg dann auch nie erobert. Möglicherweise war sie aber auch nie wirklich umkämpft.

Etwa 100 Meter weiter westlich wurde die auf einer bergzunge erbaute Burganlage durch einen zweiten Wall geschützt, der ebenfalls noch gut sichtbar und hoch ist. Interessant ist hier, dass die Archäologen bei einer der letzte Ausgrabungen bewusst einen der Aushube nicht wieder zugeschüttet haben. Dadurch kann man einen Blick ins Innere solch eines Walls erheischen. Dann sieht man, dass es sich nicht nur um aufgeschüttete Erde handelte, die möglichewrweise obendrauf noch ein paar Palisaden aufgesetzt bekam. In Wirklichkeit befanden sich im Kern Steinaufschüttungen und vor allem steinerne Längsverstrebungen, von denen man eine im Bild rechts gut erkennen kann. Die Burganlage war also solider befestigt als man sich das so gemeinhin vorstellt.

Geht man weiter nach Westen in Richtung des dritten und äußeren Burgwalls kann man sehen, warum die beiden äußeren Wälle zur nördlichen Seite leider zum Teil verschwunden sind. 1902 eröffnete direkt neben der Anlage die Zeche Schöller (Důl Schoeller) ihren Betrieb – ein großes Steinkohlebergwerk, das nach seiner Verstaatlichung 1946 in Zeche Nejedlý umbenannt wurde. Zur Info: Zdeněk Nejedlý (wir erwähnten ihn u.a. bereits hier) war ein Stalinist, der in der ersten kommunistischen Regierung den Kulturminister gab. Warum man ausgerechnet ein Bergwerk nach ihm benannte, erschließt sich nicht so einfach. Nach dem Ende des Kommunismus 1989 wurde die Benennung rückgängig gemacht. Und 2002 wurde das Bergwerk geschlossen. Heute ist hier ein Industriemuseum, von dem man auf dem Weg zum dritten Wall den Fördertum sehen kann (Bild links).

Was den dritten/äußeren Wall geht, der sich rund 100 Meter westlich des zweiten Walls befindet, so fiel nicht nur der nördliche Teil dem Bergwerk zum Opfer. Dort, wo der Lehrpfad entlang führt, ist er duch die Zeitläufe und Erosion fast bis zur Unsichtbarkeit abgetragen worden. Man muss schon ein wenig vom Hauptweg nach Süden über überwucherte Trampelpfade gehen, um dort den Außenwall wieder deutlich zu erkennen (Bild rechts)

Alles in allem: Ein sehr geschichtsträchtiger Ort – auch wenn die legendäre Libuše hier mit Sicherheit nie war und auch nichts prophezeit hat. Eine der größten Burgen der Přemysliden, die idyllisch in der Mitte gelegene Kirche und die bewaldete umgebende Landschaft, die zu langen Spaziergängen einlädt – das alles zusammen ist das Holz, aus dem der ideale Wochenendausflug für Prager Stadtmenschen geschnitzt ist. (DD)

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