Dominikaner Hof – vorerst keine Brauerei

Als er erbaut wurde, lag das Areal des Dominikaner Hofs (Dominikánský dvůr) im heutigen Stadtteil Braník (Prag 4) definitiv außerhalb Prags – quasi auf dem Lande. Heute ist der 1922 zu Prag eingemeindete Stadtteil, der etwas südlich des Vyšehrad liegt, ein dicht bebautes und eher gesichtslos modernes Viertel. Der alte Hof der Ordensleute in der Jiskrova 44/6, Ecke Branická, wirkt nunmehr wie ein – leider auch noch recht heruntergekommenes – Relikt aus ferner Zeit.

Ein Teil des heutigen Braník gehörte ab Mitte des 16. Jahrhunderts der Prager Altstadt, die es als landwirtschaftliches Gebiet nutzte. Ein anderer Teil wurde durch Kaiser Ferdinand II. 1620 an den Dominikanerorden des altstädtischen Kloster der Kirche St. Ägidius (Kostel sv. Jiljí), die wir bereits hier beschrieben haben, geschenkt. Ferdinand II. war der große Sieger der Schlacht  am Weißen Berg (wir berichteten hier) gewesen, in der die Böhmen ein letztes Mal versucht hatten, ihre Glaubensfreiheit und ihre Unabhängigkeit gegenüber den Habsburgern zu bewahren – vergeblich! Nach der Niederlage setzte eine Rekatholisierung ein, die gleichermaßen auf brutaler Unterdrückung des Protestantismus und auf eine Privilegierung der Kirche setzte, der nun viele Besitztümer zugeteilt wurden. Und dazu gehörte das Stück Land in Braník.

Ab 1625 bauten die Dominikaner auf den Grund einer älteren (daher nicht erhaltenen) Gutsfestung ein Gebäude, das zugleich Wirtschaftsbetrieb war,aber auch als die Vermögensverwaltung des Klosters in der Altstadt und als Residenz genutzt wurde. Im Jahr darauf richtete man – wie es bei Klöstern damals öfters der Fall war – eine Brauerei ein. Die Lage außerhalb der Stadt oder, um es genauer zu sagen, außerhalb der schützenden Stadtmauern erwie sich bald als nachteilig. Als die Schweden 1648 ein letztes Mal versuchten, Prag zu erobern, richteten sie hier große Verwüstungen an, die zunächst notdürftig behoben wurden. Aber je weiter die Zeit fortschritt, hielt man das nicht für genug. 1761 wurde Gebäude im Stil des Hochbarock völlig umgebaut. Der von vier Gebäuden (von den das von der Straße aus nicht sichbare südliche inzwischen nicht mehr existiert) umrahmte Innenhof wurde um einen großen Glockenturm ergänzt. Der wiederum war Teil der Kreuzkapelle, die innen mit prunkvollen Stuckornamenten verziert waren, von denen wohl immerhin ein Teil bis heute überlebt hat. Die Stuckaturen sind nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, aber immerhin zeugt noch das große Relief des gekreuzigten Jesus Christus (vor dem ein Mönch kniet) von der einstigen Pracht des Gebäude. Etwas unschön ist es schon, dass es z.Z. von einer durchsichtigen Plastikfolie umhüllt ist, aber das dient wohl dem Erhalt und der Konservierung.

Ein weiteres Relikt aus der Dominikanerzeit kann man mit guten Augen auf der Spitze des Turms erkennen. Als Wetterfahne kann man nämlich einen Hund erkennen, der eine Fackel im Maul trägt. Den findet man auch auf dem Wappen der Dominikaner. Ursprünglich soll es sich um einen Wortwitz gehandelt haben, weil die lateinische Bezeichnung Dominicanes für den Orden sehr wie domini canes klingt, was soviel „Hunde Gottes“ bedeutet. Irgendwann hat man sich das als Lob angesteckt, weil sich die Dominikaner das eine Art Wachhunde für die Reinheit der katholischen Lehre sahen, wozu passt, dass sie 1216 die berüchtigte Inquisition gründeten und betrieben. Auf jeden Fall zeigt der Hund Gottes auch heute noch den Bürgern von Braník die Windrichtung.

Die Dominkaner von St. Ägidius gehörten zu den wenigen Klostergemeinschaften Böhmen, die nicht im Zuge der Kirchenreformen Kaiser Josephs II. Anfang der 1780er Jahre aufgelöst wurden – möglicherweise, weil sie mit dem Hof in Braník und der damit verbundenen Landwirtschaft (alte Karten zeigen noch im späten 19. Jahrhundert ein großen Ackerfeld im Südwesten) als ökonomisch nutzbringend eingestuft wurde (der Kaiser verbot nur „unnütz“ meditative Orden). 1899 verkaufte der Orden Hof und Gelände an einen Brauerverein. Mit der Eröffnung der nahelegenen riesigen Brauerei Braník (pivovar Braník), über die wir bereits hier berichteten, wurd das Ganze aber obsolet, weshalb 1907 das Brauen eingestellt wurde. Es folgte eine Zeit ständiger Besitzer- und Zweckwechsel. Im Südflügel befand sich von 1919 bis zum Abriss 1969 ein Kino, das Eden, wo man in den frühen und mittleren 1960er wohl gerne Winnetou-Filme anschaute, die in der Tschechoslowakei außerordnetlich populär waren. In den anderen Gebäudeteilen gab es einen ständigen Wechsel von Geschäften und Werkstätten. Dem Gebäude kam die unsachgemäße Nutzung, die unsachgemäße bauliche Änderungen mit sich brachte, nicht. Viel historische Substanz wurde zerstört und allmählicher Verfall setzte ein. In den 1950er Jahren wollte man das Ganze sogar abreißen, was nur dadurch verhindert wurde, dass der Staat es 1958 unter Denkmalschutz stellte.

Den schleichenden Verfall, den so viele historische Gebäude unter dem Kommunismus durchleiden mussten, hielt das nicht auf. Nach dem Fall des Kommunismus suchte man nach Möglichkeiten, das Gebäude zu retten und gleichzeitig nutzbar zu machen. 2014 unterzeichnete die Stadtregierung von Prag 4 einen Vertrag mit der Mikrobrauerei Zemský pivovar (Landbrauerei), dass hier eine (in Anknüpfung an die alte Tradition) Brauerei mit Braugaststätte entstehen solle. Die Brauereibetreiber insistieren, dass sie tatsächlich Investitionen in Höhe von Millionen Kronen getätigt hätten, was sie 2017 in einem Ratshearing belegt hätten. Die Stadt behauptete hingegen, dass die Betreiber ihren Vertragsverpflichtungen nicht nachgekommen seinen. Die Betreiber sagten wiederum, dass die Bürokratie der Denkmalschutzbehörden sie an schnellerem Vorgehen gehindert. Eine neue Stadtregierung löste 2019 den Vertrag einseitig auf. Stattdessen plant man nun die Einrichtung einer Waldorfschule für alternative Pädagogik, was möglicherweise den ideologischen Präferenzen der Ratsmehrheit entspricht. Inzwischen haben erste sichtbare Reparaturen am Dach begonnen. Das ist natürlich an sich eine gute Nachricht. Nur schade, dass das Thema Brauerei damit vorerst vom Tisch ist… (DD)

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