Droht eine Schlammschlacht?

In der ersten Runde liegen der frühere General Petr Pavel und der frühere Regierungschef Andrej Babiš vorne. In zwei Wochen ist Stichwahl. Babiš legt mit persönlichen Anwürfen gegen Pavel los.

In der Tschechischen Republik hat der ehemalige Generalstabschef und frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Petr Pavel, gute Aussichten auf das Amt des Staatspräsidenten. Pavel ging als stärkster Kandidat aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Freitag und Samstag hervor. Er hat mit 35,4 Prozent nur einen hauchdünnen Vorsprung vor dem früheren Ministerpräsidenten Andrej Babiš mit 34,99 Prozent, gegen den er am 27. und 28. Januar in die Stichwahl geht. Doch hat die drittplatzierte Kandidatin, Danuše Nerudová (14 Prozent) bereits durchblicken lassen, dass sie nunmehr Pavel unterstützen wolle, ebenso drei weitere, abgeschlagene Bewerber.

Allerdings sind bei acht Kandidaten viele Stimmen im zweiten Wahlgang „neu“ zu vergeben. Babiš hat als Milliardär und Chef seiner ANO-Partei alle Möglichkeiten für eine verschärfte Wahlkampagne in den kommenden beiden Wochen. Er dürfte sich als „Oppositionskandidat“ positionieren. Tschechische Kommentatoren verweisen darauf, dass Wahlergebnisse nicht arithmetisch vorherzusagen seien und mit einer spannenden oder gar „dramatischen“ zweiten Runde zu rechnen sei. Erste Äußerungen der Kandidaten lassen jedenfalls eine Schlammschlacht mit persönlichen Angriffen und angeblichen Enthüllungen befürchten.

Pavel, Jahrgang 1961 und Sohn eines Offiziers der damaligen Streitkräfte der kommunistischen Tschechoslowakei, gehörte seit seinem Schulabschluss am Militärgymnasium Opava 1979 bis zum Ausscheiden als Viersternegeneral 2018 der Armee an. Nach der Wende besuchte er Stabslehrgänge in den USA und in Großbritannien, seit 2015 hatte er den höchsten NATO-Posten inne, den ein europäisches Mitglied des Bündnisses erreichen kann. Im Wahlkampf sprach er sich für Recht und Ordnung aus, gesellschaftspolitisch zeigt er ein eher liberales Profil.

Pavel, Putin und der Begriff „Spion“

Babiš, 1954 als Sohn eines kommunistischen Außenhandelsfunktionärs geboren, ist nach Ende des Kalten Krieges mit seinem Konzern Agrofert (u.a. Lebensmittelerzeugung, Chemie, Medien) zum Milliardär geworden. 2012 gründete er die Partei ANO, die „unzufriedene Bürger“ ansprechen will, zog ins Parlament ein, wurde Finanzminister und bis 2021 Ministerpräsident. Ihm wurden, unter anderen durch die EU-Kommission, Interessenkonflikte zwischen dem in Treuhänderschaft ausgelagerten Konzern und dem Staatsamt vorgeworfen. Auch gab es Korruptionsvorwürfe, die Babiš bestritt. Ein Verfahren in einem Fall, in dem ihm Subventionsbetrug vorgeworfen wurde, ging kurz vor der Präsidentenwahl erstinstanzlich zu seinen Gunsten aus.

Babiš warf am Wochenende nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses dem pensionierten General Pavel seine Vergangenheit in der tschechoslowakischen Armee vor. Pavel gehörte dort der militärischen Aufklärungstruppe an, die für Missionen auch hinter den feindlichen Linien trainiert wurde, vergleichbar etwa den Fernspähern in der Bundeswehr. Babiš setzte das in einer rhetorischen Frage mit dem russischen Geheimdienst KGB gleich, indem er darauf verwies, dass Russland bislang das einzige Land in Europa sei, in dem ein ehemaliger „Spion“ Präsident sei. Auch sprach er davon, dass Pavel die Invasion des Warschauer Paktes zur Niederschlagung des Prager Frühlings befürwortet habe.

Pavel erwiderte, die Pressekonferenz seines Konkurrenten lasse erwarten, dass dieser seinen Wahlkampf „nur mit Lügen“ bestreiten werde. Pavel hat mehrfach darauf hingewiesen, dass ein militärischer Nachrichtendienst etwas anderes ist als ein Auslands- oder gar Inlandsgeheimdienst, und dass seine Vergangenheit vor Antritt seiner NATO-Verwendungen vielfach durchleuchtet wurde. Babiš wiederum wurde nach Feststellungen slowakischer Behörden von der tschechoslowakischen Stasi als Informant geführt, was er freilich bestreitet. Mitglieder der kommunistischen Partei waren Babiš wie Pavel.

Pavel sprach von einer „großen Herausforderung“, in der Stichwahl gegen Babiš anzutreten, „und ich mag Herausforderungen“. Er warf seinerseits dem früheren Ministerpräsidenten leere Versprechungen, Populismus und eine „Abkehr der Demokratie vom prowestlichen und europäischen Kurs“ vor. Nerudová, eine frühere Universitätsrektorin, die in Umfragen etwa gleichauf mit den beiden führenden Kandidaten gemessen worden war, gestand ihre Niederlage ein. Sie bezeichnete Pavel als „demokratischen Sieger“ der ersten Runde. Babiš hingegen sei ein „großes Übel“, das es zu besiegen gelte. Wie die Zusammenarbeit gestaltet werden solle, werde am Montag besprochen.

Ministerpräsident Petr Fiala, der eine Mitte-Links-Koalition aus fünf Parteien führt, ließ seine Sympathien für Pavel erkennen. Babiš wurde hingegen ausdrücklich vom scheidenden Präsidenten Miloš Zeman unterstützt. Tatsächlich konnte Babiš laut der Nachrichtenagentur ČTK in den Wahlkreisen am besten punkten, in denen vor fünf Jahren Zeman vorne lag, allerdings in absoluten Zahlen mit schlechterem Ergebnis. Gemäß einer anderen Analyse lag Babiš in denjenigen Gemeinden vorne, in denen höhere Armutsraten, mehr Zwangsvollstreckungen und ein niedrigeres Bildungsniveau ausgewiesen werden. Der Vorsprung Pavels vor Babiš in der ersten Runde war historisch knapp, seit das Staatsoberhaupt der Tschechischen Republik direkt gewählt wird. Die Wahlbeteiligung war mit 68 Prozent hoch, verglichen mit den früheren Wahlen.

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