Ein Barockhaus und zwei berühmte Schauspieler

Das Hausschild über der Eingangstür verrät den Namen: Haus zum Weißen Lamm (Dům U Bílého beránka). Schon die schöne Kartusche, die das Bild des Weißen Lammes umrahmt, erweist sich als ein geradezu typisches Stück echten Barockstils.

So soll es wohl sein, denn das Haus in der Míšeňská 67/10 auf der Kleinseite Prags liegt in einer ganz besonderen Straße. Die Míšeňská ist die einzige Straße in Prag, die heute noch nur und ausschließlich aus barocken Häusern des frühen 18. Jahrhunderts besteht. Und dieses ist daher keine Ausnahme. Diese wirklich außerordentliche stilistische Kohärenz lässt sie für entsprechende Historienfilme überaus geeignet erscheinen. Und tatsächlich war sie zum Beispiel auch einer der Drehorte für den weltbekannten Mozart-Film Amadeus des tschechisch-amerikanischen Regisseurs Miloš Forman von 1984.

Zurück zu dem hochbarocken Haus in der Míšeňská 67/10: Im Jahre 1708 kaufte der Goldschmied Jan Fischer hier eine Parzelle des aufgeteilten und bald völlig verschwundenen Thuner Gartens (Thunovská zahrada) und im Jahre 1726 wird zum ersten Mal erwähnt, dass er hier ein neues Barockhaus erbauen lassen, und zwar durch den Architekten Filip Spannbrucker (wir erwähnten ihn bereits hier).

Primär handelte es sich um sein Wohnhaus. 1864 wurde hinter dem Vordergebäude ein neuer Hofflügel gebaut, der in den 1930er Jahren abgerissen und neu aufgebaut wurde. Auch innen im Gebäude gab es ab und an Umbauten, etwa 1900 durch den Architekten František Holeček und 1933 durch František Vacek. Sie veränderten den barocken Charakter aber kaum, vor allem nicht von außen.

In dem wunderschönen zweistöckigen Haus mit Scheingiebel und der Lamm-Kartusche (die übrigens um einen kleinen Habsburger-Doppeladler – Bild oberhalb links – ergänzt ist, die möglicherweise den Erbauer Jan Fischer als ausgesprochenen Loyalisten gegenüber der katholischen Monarchie ausweist) wurde übrigens der große Bühnenschauspieler und Pionier des realistischen Schauspielstils, Eduard Vojan geboren, nachdem deshalb auch der ganz in der Nähe gelegene der Vojan Park (Vojanovy sady) benannt ist, über den wir hier schrieben. Er gebahr sich hier im Jahre 1853 und lebte hier auch bis zu seinem Tod 1920. Danach überließ er das Haus seinem ebenfalls bekannten Schauspielerkollegen Zdeněk Štěpánek, der vor allem in der Zwischenkriegszeit zum Filmstar avancierte.

Der ließ im Jahre 1948 für Vojan eine bronzene Gedenktafel mit einem Portraitrelief (siehe Bild oberhalb rechts) anbringen, die an Vojans Geburt hier 1853 erinnert. Angefertigt wurde sie von dem bekannten Bildhauer Stanislav Suchard (den erwähnten wir u.a. hier und hier), ist mithin also ein bedeutsames Kunstwerk. Da man ihn nach dem Zweiten Weltkrieg der Kollaboration mit den Nazis beschuldigte (unter Druck hatte er wohl tatsächlich einige politisch bedenkliche Erklärungen abgegeben), wurde Štěpáneks Karriere durch etliche Schauspielverbote lange Zeit eingeschränkt und das Haus wurde verstaatlicht. Er selbst starb 1968 im gegenüberliegenden Restaurant U Tří pštrosů (Zu den drei Straußen), über das wir bereits hier schrieben, innerhalb von Sekunden während er ein Bier trank. Seine Nachfahren bekamen das Haus, das sie 1993/94 sorgfältig renovierten, nach dem Ende des Kommunismus restituiert. (DD)

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