Ein großer Europäer verlässt die Bühne

Tschechiens früherer Außenminister Karel Schwarzenberg ist tot. Er brachte 1989 Noblesse und politische Weitsicht aus dem Exil zurück nach Prag. Dort wirkte er an der Seite Václav Havels, bis er selbst um ein Haar Präsident wurde.

Vor wenigen Tagen erst, am 28. Oktober, dem Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei, verlieh ihm Präsident Petr Pavel den höchsten Orden Tschechiens. Karel Schwarzenberg konnte die Ehrung aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst entgegennehmen. Zu diesem Zweck reiste sein Sohn an.

Schwarzenberg, der „Fürst“, wie die Tschechen den berühmten Adelsspross liebevoll nannten, war seit Längerem krank, vor allem Herz und Nieren plagten ihn. Vor ein paar Tagen wurde der 85-Jährige von Prag aus in ein Krankenhaus nach Wien gebracht. Begeistert war er davon nicht. Er glaube nicht, dass es in Österreich bessere Ärzte als in Tschechien gebe, äußerte er in einer patriotischen Aufwallung. Aber, so fügte der „Fürst“ hinzu, auf diese Weise könne er wenigstens seine Familie öfter sehen.

Mit Schwarzenberg verlässt eine der letzten großen politischen Gestalten die Bühne in Prag. Es war ein großes Glück für das Land, dass er Ende 1989 dem Ruf von Václav Havel folgte und als dessen Kanzler auf der Prager Burg half, im Nachbarland nach Jahrzehnten kommunistischer Unrechtsherrschaft neuerlich Freiheit und Demokratie zu etablieren.

Schwarzenberg brachte neben politischer Weitsicht über den nationalen Tellerrand hinaus die bis dahin im tschechoslowakischen Arbeiter- und – Bauernstaat so sehr vermisste Noblesse aus dem Wiener Exil zurück. Eines des äußeren Anzeichen: der „Fürst“ führte an der Moldau wieder den Handkuss sowie als spezielles Accessoire die Fliege neu ein. Sehr wohl fühlte er sich aber auch in einer gewöhnlichen tschechischen Kneipe beim Bier, gern umgeben von jungen hübschen Frauen.

Vor 1918 gehörten die Schwarzenbergs zu den reichsten Familien Europas. Neben 200.000 Hektar Land besaß die Familie auch mehr als ein Dutzend Schlösser in Österreich, Böhmen und Deutschland. 1941 wurde der Besitz von den Nationalsozialisten enteignet, nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch teilweise zurückgegeben. Die 1948 an die Macht gewählten Kommunisten beschlagnahmten das Eigentum, das erst nach 1990 teilweise restituiert wurde. Ein knappes Jahr nach der Machtergreifung der Kommunisten verließ die Familie die Heimat und emigrierte nach Österreich.

Dort studierte der junge Adlige Jura und Forstwissenschaften, ohne abzuschließen und kümmerte sich zunehmend um die Besitztümer außerhalb von Böhmen. Frühzeitig begann Schwarzenberg zudem, sich mit Politik zu befassen. Er unterstützte den Widerstand gegen das kommunistische Regime in seiner Heimat, später engagierte er sich auf internationaler Ebene für verfolgte Menschenrechtler. Ein Thema, das ihn auch nach seiner Rückkehr nach Prag begleiten sollte – an der Seite Havels und vor allem auch als zweimaligen Außenminister.

Auch innenpolitisch vermochte Schwarzenberg seine Popularität fortlaufend zu steigern, engagierte sich auch parteipolitisch in der konservativen TOP 09, der er einige Jahre vorstand. Sein Ansehen brachte ihn dazu, 2013 an den Präsidentschaftswahlen in Tschechien teilzunehmen. Im ersten Wahlgang erhielt er den zweithöchsten Stimmenanteil und unterlag in der folgenden Stichwahl nur knapp dem früheren sozialdemokratischen Premier Miloš Zeman.

Das Staatsoberhaupt wurde seinerzeit erstmals direkt vom Volk gewählt, nicht mehr von dem beiden Kammern des Parlaments. Das führte zu einem harten Wahlkampf, in dem Zeman überraschend die „deutsche Karte“ zog und die Wähler erfolgreich mit der völlig aus der Luft gegriffene Behauptung verunsicherte, unter einem Präsidenten Schwarzenberg drohe der Ausverkauf des Landes an die nach dem Zweiten Weltkrieg kollektiv vertriebenen Sudetendeutschen.

Schwarzenberg blieb auch nach der Niederlage in der Politik und war bis zum Schluss ein geschätzter Analytiker weltpolitischer Entwicklungen.

Mitte der zu Ende gehenden Woche sahen sich die Wiener Ärzte veranlasst, den prominenten Patienten in ein künstliches Koma zu versetzen. Am Samstag schließlich ist Karel Schwarzenberg im Spital im Kreis seiner Familie gestorben.

Article by Hans-Jörg Schmidt

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