- Hans Weber
- November 1, 2024
Ein Stück Eisenbahngeschichte Žižkovs: Die Hohe Hrabovka-Brücke
Ihren Namen trägt sie zu Recht, die Hohe Hrabovka Brücke (Most Vysoká Hrabovka). Die wirkt in der Tat schon beeindruckend, wenn sie sich den Weg zwischen den oberen Stockwerken der großen Wohn- und Mietshäuser an der Husitská in Prag Žižkov durchzwängt.
Sie begann ihr Leben als Eisenbahnbrücke. Die mächtige Stahlkonstruktion gibt es hier schon seit 1871 und sie war Teil der in den Jahren 1870 bis 1872 durch die k.k. privilegierte Turnau-Kralup-Prager Eisenbahn (TKPE) gebauten Strecke, die Prag mit dem späteren Stadtteil Vysočany verband. Die – obwohl zweispurig geplant – recht enge Strecke führte vom heutigen Prager Hauptbahnhof (Praha hlavní nádraží) aus ein ganzes Stück an der Südseite des Vítkov-Berges entlang bevor sie oberhalb der heutigen Route parallel zu dieser weiter verlief. Und über 20 Meter der Strecke überspannt die Brücke in großer Höhe die Husitská.
Die TKPE wurde 1883 von der k.k. privilegierte Böhmische Nordbahn übernommen, bis diese dann im Jahre 1908 verstaatlicht wurde, d.h. zuerst in den Besitz des österreichischen, dann ab 1918 des tschechoslowakischen Staates überging. Die Strecke wurde im Jahr 1926 um eine Verbindung nach Prag Libeň ergänzt und kurz darauf sogar elektrifiziert. Die Strecke entlang des Vítkov-Berges wurde dann bis zum Jahr 2008 weiterhin für den Zugverkehr verwendet. Dann setzte eine großangelegte Neugestaltung des Eisenbahnnetzes in Nähe des Hauptbahnhofs ein. Vor allem die 2009 eröffnete Neue Verbindung (Nové spojení), die vom Hauptbahnhof aus über eine rund 1000m lange Betonbrücke (Bild rechts) durch zwei je rund 1300m lange Tunnel durch den Vítkov-Berg nach Holešovice bzw. Libeň machte die alte, zu enge Trassenführung letztlich obsolet.
Das hatte auch Konsequenzen für die Brücke. Man hatte seit 2006 schon geplant, die alte Trasse in einen schönen Spazierweg für Ausflügler umzuwandeln, wozu die schöne Berg und das darauf befindliche Nationaldenkmal (wir berichteten hier) ja auch einluden. Die gute Idee hatte zur Folge, dass die Brücke von unten aus der Husitská-Sicht immer noch wie eine klassische Eisenbahnbrücke aussieht. Die Stahlstreben ruhen auf den beisseitigen Sockeln aus Ziegelbeton, wie sie es schon 1871 taten. Alles ist so eingerichtet, dass es die schwere Last des Eisenbahnverkehrs gut bewältigen kann. Nur, dass aber obendrauf keine Gleise mehr, sondern ein bequemer Asphaltweg – man sieht ihn im Bild links – zu finden sind.
Während die Große Hrabovka-Brücke (Bild rechts) mit ihrer Umwandlung in einen Spazierweg noch glücklich davon kam, ereilte eine andere Brücke ein traurigeres Ende. 2009 riss man die „kleine Schwester“ der großen Brücke ab, die sogenannte Kleine Hrabovka (Malá Hrabovka), die zwar wesentlich weniger hoch, aber mit 42,5m deutlich breiter war. Sie entstand 1872 im Zuge des Baus der sogenannten Prager Verbindungsbahn (Pražská spojovací dráha). Die war ein Großprojekt, bei dem die drei wichtigen Bahnhöfe - Hauptbahnhof, Prager Staatsbahnhof, Smíchov – enger miteinander verknüpft werden sollten. Alle Bahnhöfe waren ja von verschiedenen Eisenbahnunternehmen für unterschiedliche Eisenbahnlinien gebaut worden, was zunehmend als eine Unannehmlichkeit für die Reisenden empfunden wurde, die oft zu Fuß die weiten Strecken zwischen den Bahnhöfen bewältigen mussten. Die kleine Brücke verband nun auf kurzer Strecke die TKPE- und die Gleise der k.k. privilegierte Franz Josephs Bahn, wobei sie im Grunde eine Abzweigung der TKPE-Linie kurz nach dem Hauptbahnhof war.
Für die Verbindungsbahn gab es bei der kleineren Brücke auch eine Haltstelle, die hauptsächlich für den Berufsverkehr gedacht war, an dem aber in kommunistischer Zeit sogar für eine gewisse Zeit der internationale Expresszug Vindobona hielt. Die Haltestelle befand sich auf dem Land des ehemaligen Gehöfts Hrabovka und hieß deshalb auch Hrabovka. Das ursprüngliche barocke Gebäude des Gehöfts entstand um 1730 und gilt als das älteste Haus in Žižkov (das Bild links zeigt den heutigen Zustand). Nach etlichen Besitzerwechseln und etlichen zum Teil weitreichenden Umbauten, gelangte es 1850 in den Besitz, der dort ein Gartenrestaurant aufmachte, das er nach sich selbst Hrabova zahrada – Hraba-Garten – nannte. Am Ende blieb der Name Hrabovka nicht nur für Gehöft und Restaurant hängen, sondern auch für die großen Eisenbahnprojekte der unmittelbaren Umgebung – inklusive beider Brücken, der Hohen und der Kleinen Hrabovka.
Mit der Neugestaltung der Bahnstrecken nach 2009 war die kleine Brücke für den Eisenbahnverkehr nicht mehr von Nutzen. Der Abschnitt der Verbindungsbahn wurde samt Haltestelle entfernt. Hier befindet sich heute ein kleiner Gehweg, bei dem man Dank der alten Ummauerungen noch den Streckenverlauf erkennen kann (Bild rechts). Dass es nicht mehr die originale Brücke von 1872 war, die wegen Baufälligkeit 1992 durch eine neue (recht stilecht ähnliche) Brücke ersetzt, minderte die Trauer der Brückenfans nur wenig. Zusammen hatten die beiden rund 118m voneinander entfernten Brücken über der Husitská doch ein recht beeindruckendes Bild abgegeben.
Wo die Brücke an der südlichen Seite der Husitská dereinst ihre Stützpfeiler hatte, kann man noch gut erkennen. Hier führt eine steile (und neue) Holztreppe den gemauerten Abschluss des Streckenabschnitts hinaus, wie man links sieht. Auf der anderen (nördlichen) Seite kann man Dank der Landschaftsplanung hier am Fuße des Vítkovberges eigentlich gar nicht mehr erkennen, wo der Brückenpfeiler stand und wie die Trasse verlief. Am Ende bietet die Hohe Hrabovka-Brücke immer noch die eindrücklichste Erinnerung an die alte Eisenbahngeschichte von Prag-Žižkov. (DD)
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