- Hans Weber
- November 1, 2024
Elegant und schwungvoll
Möge doch keiner sagen dass man heutzutage keine schönen Brücken mehr bauen könne. Das beweist nicht zuletzt die Neue Troja Brücke (nový Trojský most), die die beiden Prager Stadtteile Holešovice und Troja verbindet. Die sieht zweifellos elegant aus. Aber warum wurde die Brücke mit dem Adjektiv „neu“ versehen.
Nun, es gibt in Sichtweite oberhalb eine Brücke, die in den Jahren 1924 bis 1928 (wir berichteten hier) erbaut wurde, und die den Namen Troja Brücke (Trojský most) trug. Die wurde zwar schon 1947 in Brücke der Barrikaden (Most Barikádníků) umbenannt, weil hier im Mai 1945 schwere Kämpfe im Zuge des Prager Aufstands gegen die Nazis (siehe auch hier und hier) stattfanden, derer man gedenken wollte (wir berichteten hier), aber man wollte wohl jede Verwechslung von vornherein ausschließen. Wie dem auch sei: Die alte Troja Brücke war schon lange dem Verkehr, der hier die Moldau querte, nicht gewachsen und leicht baufällig. Zur Entlastung baute man als Provisorium für den Schienennahverkehr die Troja Straßenbahn-Brücke (Trojský tramvajový most), die 1981 eröffnet wurde. Da die Stahlträgerkonstruktion die Geräusche der Bahnen arg lärmig verstärkte, nannten die genervten Bewohner der Umgebung sie meist „Rámusák“, was soviel wie „Rumpler“ bedeutet. Obwohl sie keine echte Lösung bot, blieb die Brücke bis 2013 in Betrieb. Dann kam das Ende für sie.
Denn schon 2005 hatte der Prager Stadtrat einen Wettbwerb für die Gestaltung einer neuen Brücke ausgeschrieben, die für den Straßenbahnverkehr geeignet und den Massen von Autos gewachsen war. Diesen Wettbewerb gewann ein gemeinsames Projekt der Architekturbüros Mott MacDonald CZ und Roman Koucký architektonická kancelář. Bei dem nun zu realisierenden Entwurf handelte es sich um eine Netzwerkbogenbrücke. Zwei geschwungene Stahlbögen, die am Scheitelpunkt zusammenlaufen, tragen eine Fahrbahn aus Spannbeton. 2662 Meter lang und 36 Meter breit wurde die Brücke. Parallel zu den Bauarbeiten wurde die alte Straßenbahnbrücke abgebaut. Die gesamten Bauarbeiten wurden von der ehemals staatlichen Baugesellschaft Metrostav durchgeführt, die sich auf Infrastrukturprojekte spezialisiert hat. Die avisierten Kosten erhöhten sich dabei von 400 Millionen Kronen auf 720 Millionen Kronen, was später zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Metrostav führte. Trotz alledem ging der Bau voran und im Oktober 2014 wurde die Brücke der Öffentlichkeit bzw. dem Verkehr übergeben.
Parallel zum Bau der neuen Brücke wurde die alte „Rámusák“ abgebaut. Damit begann man im Jahr 2010. Kurz darauf wurde die Straßenbahnbrücke nur noch einspurig genutzt, weil für den Abbau Teile des Stahlgerüsts hochgehoben werden mussten. 2013 war die Brücke rückgebaut und zu diesem Zeitpunkt hätte die neue Troja-Brücke auch schon fertiggestellt sein müssen. Wegen der Querelen um die Finanzierung hatte sich aber der Abschluss der Arbeiten bekanntlich auf 2014 verschoben. Die daduch entstandenen Verkehrsprobleme gehören aber mittlerweile der Vergangenheit an. An die erinnert nur noch der kleine Rest der Brückenauffahrt, den man auf der Seite des Ufers von Holešovice nur wenige Meter flussabwärts von der neuen Brücke als eine Art Denkmal bewundern kann, das oben in eine Art Aussichtsplattform verwandelt wurde.
Designkritiker lobten das Design der neuen Brücke als ästhetisch elegant, insbesondere weil das Längen-Höhen-Verhältnis so ungewöhnlich niedrg ist. Das ganze wirkt sehr flach und dadurch irgendwie sehr dynamisch und schwungvoll. Das wird nicht nur durch die Höhe-Länge-Proportionen unterstrichen, sondern auch durch die optisch dazu korrespondierende geschwungene Rippenstruktur der äußeren Umhüllung und vor allem der imposantenTrägerrippen unter der Brücke.
Besonders der Blick durch die tragenden Pfeiler, die ebenfalls mit abgerundeten Formen gestaltet wurden, sind schon für sich einen Besuch der Brücke wert (Bild rechts), die auf dem Troja-Ufer auch in einem hübsch begrünten Areal für Spaziergänge (auch in Richtung Zoo) liegen.
Runde Wendeltreppen, die ebenfalls dem Design geschmackvoll angepasst sind (Bild links), führen vom Uferweg unten auf das Fahrbahn-Level darüber. Oben angekommen sieht man breite Fußgängerwege, zwei Autofahrbahnen in jede Richtung und die Straßenbahngleise zwischen den beiden tragenden Stahlbögen (rechts). Damit schafft es die Brücke, eine Menge Verkehrsaktivitäten aufzunehmen. Weitere Entlastung verschaffte man dem Stadtverkehr dadurch, dass man nur wenige 100 Meter flussabwärts eine rund 3090 Meter lange Unterführung unter der Moldau im Rahmen des (aus drei Tunneln bestehenden) Blanka-Tunnel-Komplexes baute, der eine ungehinderte Stadtumfahrung ermöglicht. Dadurch wurde allerlei Verkehrschaos in Holešovice und der Innenstadt verhindert. Eröffnet wurde der Tunnel aber erst ein Jahr nach der Neuen Troja Brücke im Oktober 2015.
Durch den Tunnel und die Weiternutzung der Barrikadenbrücke ergänzt, leistet die Neue Troja Brücke das, was sie leisten soll, geradezu spielend, nämlich den üppigen Verkehrsfluss in diesem Teil der Stadt zu bewältigen. Dass sie obendrein noch gut designt ist, macht die Sache noch erfreulicher. Das ist auch geradezu offiziös bestätigt worden, denn 2015 bekam sie den prestigeträchtigen European Steel Design Award verliehen, den die European Convention for Constructional Steelwork seit 1997 vergibt. Bei ihrer Bewertung erging sich die Jury in euphorischen Tönen: “ Die Prager Troja-Brücke ist eine beeindruckende Leistung, die die Grenze zwischen Architektur und Ingenieurwesen verwischt… Die Brücke verdeutlicht die Eigenschaften von Stahl durch ihre sichtbare schlanke Struktur und Eleganz… Die Troja-Brücke ist wie eine Skulptur und eine schöne Ergänzung der Stadt Prag.“
Jedenfalls ist die Neue Troja Brücke zu einer weithin sichtbaren Landmarke geworden. Besonders schön erstrahlt ihre Eleganz, wenn man sie von der Anhöhe des nahegelegenen Botanischen Garten (über den wir hier berichteten) aus besichtigt.
In der Planungsphase wollte man der Brücke übrigens einen besonders ehrenvollen Namen geben. Das hätte auch die Verwechslungsgefahr mit der alten Troja Brücke minimiert. Namensgeber sollte der 2011 verstorbene erste demokratisch gewählte Präsident nach dem Fall des Kommunismus 1989 sein, der Dissident und Schriftsteller Václav Havel. Aber 2013 entschied sich der Stadtrat gegen den Namen Václav Havel Brücke (most Václava Havla) und für den konventionelleren Namen Neue Troja Brücke. (DD)
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