- Hans Weber
- December 18, 2024
Entdeckungsreise zum Burgwall
Die Erdwälle sind längst von Bäumen und Sträuchern überwachsen. Nur wenig ist noch sichtbar von ihr, der frühmittelalterlichen Wallburg bei Klecany, rund zwei Kilometer nördlich der Prager Stadtgrenze. Hoch über dem rechten Ufer der Moldau stand die Pravý Hradec (Rechte Burg) im Schatten der gegenüber auf dem linken Ufer gelegenen Levý Hradec (Linke Burg, über sie berichteten wir hier), die als die Wiege des böhmischen Reiches und des Herrschergeschlechts der Přemysliden, das von dort aus das Land christianisierte.
Pravý Hradec dürfte möglicherweise in einem nicht mehr ganz zu klärenden militärischen Zusammenhang mit der Levý Hradec gestanden haben, denn es war immer gut, zwei Ufer eines strategisch wichtigen Flusses zu bewachen. Lange vermutete man schon hier eine Wallburg. Alte Chroniken erwähnten vage, dass im Jahr 777 der legendäre Přemysl, der Stammvater des böhmischen Herrschergeschlechts, hier einem treuen Gefolgsmann das spätere Burgareal schenkte, das aber offenkundig nicht identisch mit der in der Nähe liegenden Festung ist, die hier im 14. Jahrhundert entstand, und aus der sich später durch Umbau das örtliche Schloss Klecany entwickelte.
Erst Josef Ladislav Píč, einer der Pioniere der Archäologie in Böhmen und Leiter der archäologischen Abteilung des Nationalmuseums, wies 1891 nach, dass sich hinter etlichen Erdformationen am südöstlichen Rand von Klecany eine alte Wallburg von rund 5,8 Hektar Ausmaßen verbarg. Die datierte er später in seinem mehrbändigen Standardwerk Starožitnosti země české (Altertümer der böhmischen Länder, 1899-1909) auf das 12. Jahrhundert, aber spätere Forschungen gehen davon aus, dass die Burg ihre Blüte im 8. bis 10. Jahrhundert hatte. wie überhaupt das Areal um Klecany mit seinem die Moldau überragenden Felsvorsprung schon seit dem Bronzezeitalter besiedelt war.
Im Jahr 2000 führte die Archäologin Nad’a Profantová zusammen mit ihrem Kollegen Ivan Krutina eine Teilausgrabung durch, bei der zwei Gräberfelder aus dem 10. Jahrhundert mit reichen Grabbeigaben gefunden wurden. Eine vollständige Erforschung der Burganlage steht aber noch aus. Profantová vermutet mit gutem Grund, dass sich zum Ende des 10. Jahrhundert in der Wallburg eine hölzerne Kirche befand, aber es gibt eben noch keine archäologische Evidenz dafür. Inszwischen hat ein 2007 gegründeter und sehr engagierter Freundesverein aus Klecany einen kleinen Lehrpfad mit Tafeln eingerichtet und wirbt für weitere und intensivere Forschungen im Gelände, das möglicherweise noch einige Überraschungen in sich bergen könnte.
Man muss als Ausflüger im landschaftlich übrigens sehr schönen Areal schon sehr nach erkennbaren Spuren der Burg such, die kaum je mehr als ein Erdwall mit Palisaden gewesen sein kann. Im Nordosten ist der Wall noch am deutlichsten erhalten. Und dadurch, dass er dort noch mit Strauchwerk überwachsen ist, während das Innenareal häuptsächlich aus Wiesenlandschaft besteht, kann man sich die Ausmaße recht gut vorstellen. Im Westen kann man spärliche Spuren eines Grabens erkennen. Am äußeren Felsrand zur Moldau sind durch Besiedlung und Steinabbau wohl einige Teile der Anlage verloren gegangen.
Richtig schön bemerkt man allerdings, wenn man dem Wegweiser des Pfads hinunter zu Moldau durch die Čertovka (Teufelsschlucht) folgt, und erkennen kann, wie damals die steilen Felsabstürze in die uralte Verteidungsstruktur einbezogen wurden. Der Weg durch die größtenteils künstliche, d.h. gegrabene Schlucht, die weiter unten einen scharfen Bogen macht, damit der Feind von unten nicht die Bewegung von Verteidigern zum Ufer erkennen konnte, lässt wohl am deutlichsten den sonst kaum erkennbaren Festungscharakter des Areals erkennen (siehe Build links und großes Bild oben)n.
Manchmal ist es ja aufregender, wenn man fast nichts sieht, als wenn viel geboten wird. Das regt die Phantasie an. Jedenfalls ist der wunderschöne Wanderweg um die alte Burganlage so etwas wie eine spannende Entdeckungsreise mit schönem Moldaublick. Das sollte aber die Archäologen nicht davon abhalten, in Zukunft intensiver und umfänglicher Ausgrabungen zu unternehmen. Selbst sollte man hier aber nicht mit Hacke und Spaten loslegen – auch wenn die Versuchung groß ist und man eventuell wirklich etwas Wertvolles findet. Die Archäologie soll man besser den Archäologen überlassen. (DD)
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