Galerie mit Biene

Das des Rudolfinum, so weiß man, ist eines der großen Konzerthäuser Prag, wo, Antonín Dvořák 1896 die Tschechische Philharmonie gründete, und wo eine zeitlang Parlamentarier tagten. Weniger bekannt ist, das sich im hinteren Teil (Eingang am Alšovo nábřeží. 79/12) eine Ausstellungshalle befindet, die Galerie Rudolfinum, wo die Parlamentarier damals ihre Mahlzeiten zu sich nahmen.

Es handelt sich eigentlich um einen Musentempel für Musik und bildende Künste. In den Jahren 1876 bis 1884 erbaut im Jahre 1885 eröffnet, ist es natürlich ein Werk der beiden Architekten Josef Zítek und Josef Schulz, die auch den Konzertsaal entworfen hatten. Die Galerie wurde für Ausstellungen des 1835 gegründeten Kunstvereins für Böhmen genutzt sowie für die Sammling alter Kunst der Gesellschaft Vaterländischer Kunstfreunde von 1818, die heute den Kern der Sammlungen der Nationalgalerie bildet. Ein Teil war als Galerie für moderne Kunst konzipiert, wo bis zum Ersten Weltkrieg die größten Maler der Zeit wie Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Pablo Picasso, Gustave Courbet, Édouard Manet, Marc Chagall, Henri Matisse, Georges Braque, Paul Klee und viele andere ausgestellt wurden.

Die Zeit der avantgardistischen Ausstellungen endete mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, der zugleich das Ende des Habsburgerreichs bedeutete. Die Erste Tschechoslowakische Republik wurde im Oktober 1918 ausgerufen und man begab sich auf die Suche nach einem geeigneten Ort für die Parlamentssitzungen des neuen Abgeornetenhauses. Die Wahl fiel auf den Konzersaal des Rudolfinums (der Dvořák-Saal), das nun von 1919 bis1938 und noch einmal 1945/46  als Parlament fungierte. Der hintere Teil, also die Galerie Rudolfinum, wurde auch dem Parlament zugeordnet, allerdings nicht als großer Plenumssaal.

Das Verabschieden von Gesetzen ist ja eine anstrengende, die dem Abgeordneten viel abverlangt. Deshalb ist eine gute Ernährung so wichtig. In der prächtigen Eingangshalle (man sieht sie im Bild links) der Galerie, die den Besucher einst auf den Kunstgenuss einstimmen sollte, wurden nun Tische aufgestellt und das Ganze zur Parlamentkantine. Gut gesättigt, so das Motto, lässt es sich besser regieren. Die großartige Innengestaltung im Stile der Neorenaissance tat dabei ihr übriges, um der Sache Glanz zu verleihen. Aber es gab noch mehr als die Kantinennutzung.

Der erste Präsident der Republik, Tomáš Garrigue Masaryk, wollte immer nahe am legislative Geschehen sein. In einem Der Räume, von dem man direkt von oben auf die essenden Abgeordneten in der Kantine schauen konnte, richtete er sein eigenes Büro ein. Masaryk, der sich als moderner Politiker verstand, fand wohl die bereits recht veraltete Neorenaissance-Architektur nicht so recht passend. Als kunstsinniger Mensch wollte er natürlich die schönen Deckengemälde nicht zerstören, aber immerhin sollte die hölzerne Vertäfelung des Raums in einem dezent darauf abgestimmten (und bis heute bestehenden) Art Déco-Stil gefasst werden – und so baute man das Ganze dann um, samt einer stilgerechten Wanduhr. So konnte nun Masaryk den Gesetzgebern zwar nicht beim Gesetzgeben zuschauen, aber immerhin bei Essen. Dabei werden sowieso die wirklich wichtigen Absprachen getroffen.

Nachdem die parlamentarische Nutzung des Gebäudes nach 1946 auslief, wurde der Konzertsaal wieder der Musik gewidmet. Die Galerie jedoch wurde erst einmal weiterhin zweckentfremdet. Die meisten Räume wurden für den Unterricht des nebenan residieren Konservatoriums genutzt. Erst in den Jahren 1989 bis 1992 wurde das Gebäuden mit dem Ziel grundlegend renoviert, hier wieder eine Ausstellungshalle zu eröffnen. Damit beauftragtwe man den Architekten Karel Prager, der eigentlich als einer der Großmeister des modernen Brutalismus in Stahl und rohem Beton bekannt war (wir berichteten darüber u.a. hierhier und hier), in diesem Falle aber sich um eine sehr werktreue Rekonstruktion des alten Neorenaissancebaus bemühte.

Und am 1. Januar 1994 konnte die Galerie, die so viele Metamorphosen von der Parlamentarierkantine hin zum Nebengebäude des Konservatoriums mitgemacht hat, wieder im Sinne der ursprünglichen Nutzung eröffnet werden. Die Ausstellungshalle verfügt über 1.500 m² Ausstellungsräume, genug, um darin recht beeindruckende Ausstellungen zu präsentieren, die dann hauptsächlich im ersten Stock stattfinden. Das schlichte Neorenaissancedesign der Räume ist dabei nicht wenig hilfreich. Beim letzten Besuch konnte man die Werke der ukrainischen Künstlerin Zhanna Kadyrova sehen, die die Grauen des russischen Überfalls auf ihr Land sehr plastisch darstellte.

Ach ja, sowohl bei den Neorenaissance-Innenbemalungen als auch etwa auf den Sphingen am Eingang (Bild links) ist (neben einigen Vögeln) die Biene das am häufigsten vertretene Tier. Das klassische Symbol des Guten und Schönen ist sozusagen die eigentliche Signatur des Gebäudes. Zudem war sie das Wappentier des damaligen Hauptsponsors, der Städtische Sparkasse Prag (Městská spořitelna pražská), wobei sie da wohl eher die Sparsamkeit verkörperte. Da konnte man gar nicht anders als sie zum Symbol zu erheben. Wie dem auch sein: Das hat man in der Galerie so verinnerlicht, das man oben auch dem Dach echte Bienenstöcke aufgestellt hat, die auch satt Honig produzieren. Ab und an kann man an Führungen teilnehmen und davon kosten. (DD)

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