Hausschild mit Walnuss

Das barocke Fresko der Flucht aus Ägypten (mit einer arg spitzwinklig geratenen Pyramide) über dem Toreingang ist eines der Schmuckstücke seiner Art in der Prager Altstadt. Kein Wunder, dass sich ausgerechnet das Nationale Denkmalpflege Institut (Národní památkový ústav) das dazugehörige Gebäude in der Liliová 219/5 als Zentrale ausgesucht hat.

Das Voříkovský Haus (Dům U Voříkovských) ist tasächlich ein vielschichtiges Kulturdenkmal, in dem sich fast die ganze Geschichte der Altstadt wiederspiegelt. Die Historie des Hauses lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen und im Keller sind auch tatsächlich noch gotische Gewölbe erhalten. Eigentlich waren es drei „Reihenhäuser“. Ursprünglich gehörten Land und Gebäude dem Geschlecht Berka von Duba (tsch.: Berková z Dubé), das es allerdings 1329 an den Dominikanerorden spendete. Es gehörte nun zum Klosterbereich, vom dem heute noch die  Kirche der Heiligen Anna (Kostel sv. Anny; wir berichteten bereits hier) als sichtbarstes Zeugnis überlebt hat. Schon bald gingen Teile des Gebäudes abwechselnd an Adlige und Bürger über, bis im frühen 15. Jahrhundert die Dominikaner das ganze Anwesen verkaufte.

Um diese Zeit wurde im Gebäude eine Brauerei eingerichtet, die bis tief ins 19. Jahrhunderts in Betrieb war, und in ihrer Blütezeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen Ausstoß von jährlich mehr als 110.000 Liter Bitterbier (heute in Prag eher eine Seltenheit) und ca. 40.000 Liter hellem Bier hatte. Die Brauerei war lange sozusagen das Kontinuum des Ganzen, während nach dem Weggang der Dominikaner sonst die Besitzer recht häufig wechselten, wobei sie aber nicht selten durch von ihnen veranlasste Umbauten ihre Spuren hinterließen. Anfang des 17. Jahrhunderts vergrößerte die Familie Špetlové z Janovic, indem sie die drei Gebäude zu einem zusammenlegte und so den heutigen Grundriss schuf. 1663 erwarb es Franziskus Cortesi von Peregrino (der etliche Häuser in der Altstadt besaß) und schon drei Jahre später ein gewisser Martinu Aronovi z Rosenštejn.

Von den folgenden Eignern ist vor allem Jan Bohuslav Ritter Vořikovští z Kunratic erwähnenswert, weil er dem Haus den Namen gab – Voříkovský Haus. Der war übrigens zwischen 1700 und 1723 Bürgermeister der Altstadt, was eine ganz schön lange Amtszeit ist. In seine Zeit fällt möglicherweise das Fresko mit der biblischen Szene der Flucht aus Ägypten. Es folgten ab Ende des 18. Jahrhunderts wieder etliche Besitzerwechsel und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wohnte hier wohl auch der große Sprachforscher Josef Jungmann, dem man das erste tschechische Wörterbuch (publiziert zwischen 1834 und 1839) verdankt, und über den wir u.a. bereits hier berichteten. In den Jahren 1873 bis 1875 erfolgten größere Veränderungen an der Fassade nach Plänen des Bauunternehmers und Architekten Václav Džbanek, der vor allem den nördlichen Teil vorsichtig im Stil des Klassizismus umgestaltete – erkennabr vor allem be iden Fensterrahmen. Das Ganze fügte sich aber in Gesamtbild ein, zumal die wesentlichen Kunstelemente der Barockzeit (etwa der Torbogen mit der Flucht aus Ägypten) erhalte blieben.

1948 verstaatlichten die Kommunisten das bisher private Gebäude schon kurz nach ihrer Machtergreifung. Es wurde zum Lager der Staatsbibliothek umfunktioniert, wozu man recht unsachgemäße Veränderungen an der alten Gebäudesubstanz vornahm und generell dem Ganzen mehr langsamen Verfall, denn echte Pflege angedeihen ließ. Nach dem Ende des Kommunismus unternahm man erste Renovierungsmaßnahmen und dachte über ein zukünftige Nutzungen nach. Seit 2005 dachte man dabei an das Nationale Denkmalpflege Institut (Národní památkový ústav), das 2003 qua Gesetz aus früheren Vorläuferorganisationen hervorgegangen war. Das Institut dient der Pflege der Denkmäler in staatlichem Besitz, führt den Denkmälerkatalog, berät die Politik wissenschaftlich bei Fragen des Denkmalschutzes und betreibt Restaurierungen.

Nach langen Planungen und umfänglicher Instandsetzung und vielen Umbauten in den Jahren 2015 bis 2017 zog das Nationale Denkmalpflege Institut hier ein und nutzt es seither als seine Zentrale. Besucher können das Haus nur bei besonderen und seltenen Anlässsen von innen bewundern, etwa bei Vorträgen oder Tagen der Offenen Tür. Das lohnt sich wohl, da hier noch Wangemälde und Decken aus allen Stilepochen, die das Haus durchlief erhalten sind. Aber auch von außen mach das Gebäude viel her – nicht zuletzt wegen der Flucht nach Ägypten. wer das genauer betrachtet, wird auch darunter eine andere Besonderheit entdecken, nämich eine kleine barocke Skulptur einer Hand, die eine Walnuss hält. Es handelt sich um das spezifische Hausschild des Gebäude, das in einer Zeit, da es noch keine Hausnummern gab, so etwas wie das Erkennungszeichen des Hauses war. Und gewiss gehört es zu den originelleren in der Altstadt. (DD)

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