Illustrer Bau des illustren Unternehmers

Umwerfend! Wuchtig! Jedenfalls einzigartig sieht das Eingangsportal des Maceška Palastes (Maceškův palác) in der Vinohradská 2165/48, Ecke Budečská, im Stadtteil Vinohrady aus.

Die illustre Architektur passt zum ebenfalls sehr illustren ursprünglichen Besitzer. Das Gebäude wurde nämlich in den Jahren 1928/29 nach den Plänen des Architekten Jan Jarolím im Auftrag des Industriellen, Lebensmittelunternehmers, Immobilieninvestors und Brauereibesitzers Emanuel Maceška erbaut. Der war, wie die Aufzähling zeigt, ein unternehmerischer Tausendsassa. Ab 1895 begann er im Kleinen mit der Wurstproduktion, nannte aber bald die größte Wurstfabrik Prags sein eigen. Von da an stieg er im großen Stil in den Lebensmittelsektor ein, vornehmlich im höheren Delikatessniveau. Die Firma war bekannt, dass ihre ungarische Salami jede echt ungarische übetraf. Und seine Streichwurst machte seinen Namen doppeldeutig bekannt, hieß sie doch „Maceška“, handelte es sich dabei doch nicht nur um den Namen des Produzenten, sondern auch um das tschechische Wort für „Stiefmütterchen“ (Blume). Als Markenbezeichnung gibt es sie übrigens immer noch und sie wurde einfach zum Synonym für tschechische Teewurst.

Nebenbei kaufte er viele Immobilien in Prag oder baute sie, darunter die neue Firmenzentrale in der Vinohradská 1254/61, in der er sich auch wohnlich einrichtete. Zur Versorgung mit den Grundmaterialien für den Lebensmittelkonzern kaufte er mittelböhmischen Votice riesige Ländereien, die er geradezu industriell (inklusive Brauerei) für die Lebensmittel aufmöbelte. Gleichzeit wirkte er so eifrig als Mäzen für das Kultur- und Sozialleben des Ortes, dass er dort viele Jahre immer wieder zum Bürgermeister gewählt wurde. Und als er für weitere Firmenbüros schließlich in Prag ein neues Gebäude bauen ließ, wollte er dabei auch gleich als Kulturförderer auftreten. Der Maceškův palác beinhaltete nämlich nicht nur Büros und Wohnungen, sondern auch ein großes Luxus Kino im Erdgeschoss mit 930 und einem Orchestergraben mit Platz für 16 Musiker (man führte ja noch Stummfilme vor, die so begleitet wurden), das im August 1929 mit dem französischen Film Madame Récamier eröffnet wurde. Daneben gab es kleiner Räume für Kulturveranstaltungen und als soziale Einrichtung zog hier das Staatliche Institut für Zahnmedizin (Státní ústav pro zubní lékařství) ein. Daneben gab es etliche Restaurants, in denen u.a. meist die Biermarke Starozámecký pivo aus Maceškas Brauerei in Votice gezapft und serviert wurde.

Besonders für die Kultursäle erwies sich Jarolím als er geeignete Architekt, da er schon bei anderen Theaterbauten mitgewirkt hatte, etwa das Gebäude des heutigen Semafor Theaters am Wenzelsplatz. Stilistisch ist das Gebäude nicht leicht einzuordnen. Es steht irgendwo zwischen zwei (zugegebenermaßen sehr ähnlichen) Stilen, dem Purismus, eine Vorstufe des Funktionalismus, der mit wenig dekorativen Elementen und klarer Geometrie optische Wirkung erzielen will, und der Kubismus, bei dem es um die Zerlegung ästhetischer Objekte in geometrische Elemente ging. Der Giebel an der Seite zur Budečská ist mit seiner Dreiecksform ein typisches Statement des Kubismus, aber der Rest der Fassade geht mit solchen Dekorationselementen eher sparsam um, mit Ausnahme des fast schon pseudo-klassizistisch wirkenden fulminanten Portals..

Das Gebäude ist ein geradezu formidabler Ausdruck des Aufschwungs des Maceškaschen Unternehmens-Imperium, das (nachdem Maceška vor dem Ersten Weltkrieg beinahe einmal in den Konkurs gegangen war!) in der Zeit der Ersten Republik nach 1918 geradezu glänzend florierte. Aber alls die Republik endete, sank auch Maceškas Stern…

Die Nazis übernahmen 1939 die Macht im Land. Maceška schloss sich sogleich dem Widerstand an und unterstützte u.a. finanziell Familien von Verhafteten und Hingerichteten. Wie bittere Ironie des Schicksals mutet an, dass ausgerechnet sein Haus in der Vinohradská 1254/61 durch den irrtümlichen Bombenangriff der US-Air Force am 14. Februar 1945 zerstört wurde. Nach dem Krieg wurde er in absurder Weise der Kollaboration mit den Nazis beschuldigt. Er konnte seinen Ruf rehabilitieren, aber schon 1945 (noch von der nicht-kommunistischen Regierung unter Edvard Beneš) wurde der Maceškův palác verstaatlicht. Als die Kommunisten 1948 die Macht ergriffen, folgte bald die vollständige Verstaatlichung aller seiner Firmen. Er zog sich darob in eine Hütte von Verwandeten in Bojanovice zurück und kehrte dem öffentlichen und unternemerischen Leben den Rücken zu – bis zu seinem Tod 1966.

Aber der Maceškův palác blieb immerhin als eine Landmarke in Vinohrady baulich erhalten. Er vervollständigt ein sehr veritables und geradezu einzigartiges Ensemble von kombinierten Nutz- und Kulturbauten der Ersten Republik in Vinohrady, die Modernität und Repräsentation kombinierten, etwa den nahegelegenen Radiopalast – Haus der Post- und Telegraphen-Angestellten (den beschrieben wir schon hier), den Hauptsitz der nationalen tschechoslowakischen Tabak-Direktion (wir berichteten hier) oder das Haus des Orbis Verlags (auch hier). Das Kino im Maceškův palác war übrigens noch bis 2006 in Betrieb, wenngleich defizitär. Unter dem Kommunismus war es arg heruntergekommen. Die Erben, die 2001 restituiert wurden, sahen sich mit unfairen Bedingungen (sie sollten u.a. die unbrauchbare und verrottete Sitzeinrichtung des Kinos extra kaufen). Eine Zeitlang betrieb der bekannte Schauspieler Pavel Trávníček im Gebäude ein Theater. Am Ende musste aber Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Es begannen großangelegte Renovierungs- und Umbauarbeiten. Die waren 2014 abgeschlossen. In diesem Jahr wurde dann auch das ehemalige Großkino unter dem Namen Royal Theatre and Club Chic als vielseitige Stätte von verschiedenen Kulturveranstaltungen wieder eröffnet. In anderen Räumlichkeiten befindet sich das Theater der renommierten Schauspielerin und Tänzerin Marianna Arzumanová, die hier zugleich eine Theaterschule betreibt. Daneben gibt es in dem fünfstöckigen Riesenkomplex auch weiterhin etliche Firmenbüros und Wohnungen. Die heutige Nutzung würde den vielseitigen Unternehmer, Mäzen und Kulturfreund Emanuel Maceška wahrscheinlich zugesagt haben. (DD)

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