Jüdischer Friedhof, seit 1990 geschlossen

Als in der zweiten Hälfte im Zuge der Industrialisierung die Gesamtbevölkerung von Smíchov dramatisch anwuchs, wuchs auf die jüdische Gemeinde dort. Und die brauchte einen eigenen Friedhof, der auch ihren religiösen Vorschriften entsprach. Zwar gab es bereits den sogenannten Alten Jüdischen Friedhof in Smíchov (Starý židovský hřbitov na Smíchově; unser Bericht hier) aus dem Jahre 1788, aber es war absehbar, dass der allmählich zu klein wurde.

Also wurde im Jahre 1903 der Neue Jüdische Friedhof in Smíchov (Starý židovský hřbitov na Smíchově) gegründet. Was die Frage des Ortes für den neuen Friedhof anging, so war die leicht zu beantworten. Denn es gab unterhalb im Tal beim Ortsteil Malvazinky bereits Land, das bereits zur Nutzung als Friedhof ausgewiesen war. 1875 war hier nämlich der große Friedhof Malvazinky (heute bekannt als der Begräbnisort für Karel Gott) für die nicht-jüdischen Bürger Smíchovs, das damals übrigens noch nicht zu Prag gehörte (das kam erst 1922). Bei den verschiedenen neuen Friedhöfen wurden damals meist großzügige Vergrößerungskapazitäen vorsorglich eingeplant. Und das recht liberale Smíchov stellte das entsprechende Land gerne der örtlichen Beerdigungsbruderschaft (Hebräisch: Chewra Kadischa) der jüdischen Gemeinde zur Verfügung. Obmann der Bruderschaft und Tempel-Vorsteher der damals recht großen Israelitischen Cultusgemeinde in Smíchov war damals der Unternehmer Heinrich Taussig, der 1908 verstarb und somit zu den früh dort Begrabenen gehörte. Nur eine kleine Mauer (Bild oberhalb links) trennt den allgemeinen vom jüdischen Friedhof.

Der Alte Jüdische Friedhof wurde stillgelegt und bis in die 1930er Jahre allenfalls sporadisch für Beerdigungen geöffnet. Der Neue Jüdische Friedhof von Smíchov war schließlich groß genug angelegt. VIele örtlich Prominente fanden hier ihre letzte Ruhestätte, nicht nur Heinrich Taussig und viele seiner Familienangehörigen, sondern zum Beispiel auch die Angehörigen der Familie großen Industriellendynastie Portheim (wir erwähnten sie u.a. hier und hier). Zu erwähnen ist auch der Jurist, Übersetzer und sozial engagierteDichter Friedrich Adler, der u.a. die deutsche Übersetzung von Bedřich Smetanas berühmter Oper Die Verkaufte Braut (Prodaná nevěsta) anfertigte, die wahrscheinlich heute weltweit häufiger gespielt wird als die tschechische Originalfassung.

6025 Quadratmeter rund 800 Gräber umfasst der Friedhof heute. Allerdings war er ursprünglich größer ausgelegt. Durch den Holocaust der Nazis waren fast alle jüdischen Gemeinden geschrumpft. Der zentrale, 1890 gegründete Neue Jüdische Friedhof (Nový židovský hřbitov), die jüdische Sektion des großen Olšany-Friedhof in Žižkov, wurde nun immer mehr Hauptbegräbnisstätte für die verschiedenen jüdischen Gemeinden in Prag. Weil das Land für einen Zuwachs an Grabstätten absehbar nicht mehr genutzt werden würde, wurde ein unbenutzter Teil im Norden des Friedhof als Bauland freigegeben.

In den Jahren 1982 bis 1985 wurde ein Teil für den Bau eines, architektonisch recht brutalistisch gestalteten Gotteshauses (Bild links) der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten verwendet. Im Jahre 1990 wurde der Friedhof dann endgültigstillgelegt, das heißt, nicht mehr für neue Begräbnisse genutzt. Der Friedhof wurde darob auch für Besucher geschlossen, was verständlich wegen der Gefahr von Grabschändungen, aber auch traurig ist, weil der Friedhof über die Jahre einen schönen alten Baumbestand entwickelt hat, der zum meditativen Spazieren durch die Anlage eigentlich einlädt. Hinzu kommen viele schöne Grabsteine, die viel über die Grabkultur der Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sagen. Die Adventisten waren aber immerhin so nett, dass sie vor der Mauer am Eingang eine erhöhte Rampe installierten, die als eine Aussichtsplattform dient und den Blick über fast das ganze Areal erlaubt. (DD)

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