Jugendstil im Dienst der Gesundheit

Etwas verloren neben einer Baulücke und einem nicht sonderlich schön ausgestalteten kleinen Park befindet es sich: Das Haus in der Moskevská 77/4 (Ecke Krymská) im Stadtteil Vršovice.

Dabei handelt es sich durchaus um ein kleines architektonisches Juwel. Das dreistöckige Gebäude mit seinem keilförmigen Grundriss wurde in den Jahren 1909/10 gebaut. Der Entwurf für das Haus stammt nämlich von dem berühmten Architekten Osvald Polívka (frühere Beiträge u.a. hierhierhier und hier), der zu den Großmeistern des Jugendstil in Prag gehört. Das Gebäude ist ein typisches Beispiel für die Spätphase des Jugendstils, dem geometrischen Jugendstil. Es wirkt weniger opulent und überbordend gestaltet als es beim Frühwerk Polívkas (das man meist dem üppigeren floralen Jugenstil zurechnete) der Fall war.

Trotzdem ist das Haus, dessen obere Stockwerke Mietwohnungen enthalten, mit sehr ansprechender Ornamentik ausgeschmückt. Die kommt gut zum Tragen, weil das Haus im Jahr 2016 gründlich renoviert wurde, was man der Fassade aniseht. Frühere Renovierungen und Umbauten, die aber den Grundcharakter des Gebäudes nicht veränderten, gab es übrigens schon 1935 und in noch einmal den 1980er Jahren.

Die Fassaden-Ornamentik greift vor allem Motive aus der klassischen griechischen Mythologie auf. Dabei ragen zwei, sich auf Höhe des ersten Stockwerks befindliche Medaillons aus Stuck hervor. Eines davon zeigt keinen geringeren als Asklepios (oft auch: Äskulap), den griechischen Gott der Heilkunst mit seinem schlangenumwobenen Äskulapstab. Dass sich die Schlange durchHäutung verjüngen kann und ihrem Fleisch damals Heilkräfte nachgesagt wurden, machte sie bis heute zum Symbol für Heilkunde (und zum Logo der Apotheker weltweit). Man sieht Gott Asklepios auf dem kleinen Bild links, wie er gerade hockend einige nützliche Heilkräuter von einem Strauch pflückt.

Ein zweites Medaillon zeigt uns Hygieia (wir sehen sie im großen Bild oben), die Tochter des Asklepios und Göttin der Gesundheit, die als Schutzpatronin der Apotheker gilt. Unser Wort „Hygiene“ leitet sich übrigens von ihrem Namen ab. Ein wenig erinnert einen die Darstellung an das alte bundesdeutsche Fünfzig-Pfennig-Stück. Aber das ist Zufall. Kurz: Irgendwie dreht sich hier bei den Stuckornamenten alles um Medizin oder Pharmazie. Man hat richtig getippt, wenn man deshalb vermutet, dass sich im Erdgeschoss ursprünglich eine Apotheke befand. Tatsächlich wurde das Gebäude damals von Polívka im Auftrag eines gewissen K. Fried (mehr war über ihn nicht zu erfahren) gebaut, der hier seine Apotheke betrieb. Das Haus ist seither dem Dienst an der Gesundheit treu geblieben, denn heute residiert im Erdgeschoss ein Optikergeschäft. (DD)

 

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