- Hans Weber
- November 1, 2024
Kleines Theater, großes Repertoire
Prag, das ist nicht nur das das große und weltberühmte Nationaltheater (Národní Divadlo). Es ist vor allem auch eine äußerst lebendige Szene von kleinen und experimentellen Theatern. Einige Beispiele nannten wir bereits hier, hier, hier oder hier.
Eines, mit einem sehr interessantem Spielplan, ist das Divadlo D21 (Theater 21), auch kurz D21 genannt. Der Name leitet sich einfach von der Adresse an, der Záhřebská 468/21 in Vinohrady (Prag 2). Im Jahre 2003 wurde das Theater von einem Bürgerverein befreundeter Schauspieler als Malé Vinohradské divadlo (Kleines Vinohrady Theater) gegründet, erst ab 2012 gab man sich den Namen D21, was zunächst aufregender klingt, weil sich das mit der simplen Hausnummer nicht sofort erschließt. Schon kurz nach der Gründung übernahm Hana Mathauserová, die Leitung, die auch die den Darstellern gehört. Ihr kommt zu gute, dass sie nicht nur Schauspielkunst, sondern auch Betriebwirtschaft studiert hat.
Den solch ein Kleintheater finanziell aufrechtzuerhalten, verlangt (auf wenn die Stadt Prag etwas zuschießt) viel ab. Aber, wie sie einmal in einem Interview sagte: „Und wenn es kein Geld gibt, müssen wir alles tun, um es zu verdienen, und wir arbeiten einfach mit dem, was wir haben.“ Künstlerische Leiter ist der Schauspieler, Fernseh- und Theaterregisseur Jakub Šmíd, der als Regisseur u.a, mit der Fernsehserie Bankovkovi berühmt wurde, die KIndern das Wirtschaftsgeschehen nahebringen soll.
Von der Straßen sieht es aus, ab ob das Theater in einem alten Neorenaissancehaus (Bild links oberhalb) residierte. Aber das ist nur der Durchgang zum Hinterhof (Bild oberhalb rechts), wo sich das eigentliche Theater befindet – ganz, wie es sich irgendwie für ein Kleintheater diser Art gehört. Drinnen geht man eine Treppe hoch um dann in die recht große und wohl ausgestattete Bar hineinzukommen, die immer gut besucht ist (und möglicherweise das Theater mit profitabel macht). Dort kann man sich dann die Zeit vertreiben, bis man 5 MInuten vorher eingelassen wird. Es gibt keine Sitznummerierung, man setzt nach dem Motto, wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Es gibt zwei Säle, von denen meist der große Saal (Pyramida) mit 90 Sitzplätze genutzt wird, aber ab und an auf ein kleiner Saal mit 57 Sitzplätzen. Das Ensemble besteht nur aus acht Schauspielern, was bei größeren Stücken Kostümwechsel und mehrere Rollen für einen Akteur bedeutet, was wiederum ausgesprochen souverän gemeistert wird. Das Programm erhebt den Anspruch progressives, experimentelles und dabei trotzdem unterhaltsames Theater für das Publikum zu sein – etwas, was normalerweise (gerade in Deutschland) ja nicht so häufig gelingt, aber im D21 funktioniert. Das Repertoire besteht auf eigenen Autorenstücken oder originellen Bearbeitungen klassischer Theaterstücke wie etwa Moliere. EIn besonderer und oft origineller Schwerpunkt besteht vor allem in der Umsetzung von (nicht dramaturgischen) Literaturwerken von Autoren wie etwa Karel Čapek oder Edgar Allan Poe. Im großen Bild oben sieht man die ausgespochenen gelungene Bearbeitung des 1967 erschienenen Romans Der Leichenverbrenner (orig.: Spalovač mrtvol) von Ladislav Fuks (auch in einer Filmversion mit Rudolf Hrušínský bekannt) – ein Stück, bei dem es um einen heuchlerischen Krematoriumsangestellten geht, der in den Zeiten des Nazi-Protekorats endgültig seine Maske fallen lässt und zum mörderischen Monster wird.
An manchen Zeiten außerhalb des Abendprogramms gibt es spezielle Kinder- und Märchenprogrammen. Ab und an werden auf auswärts Aufführungen vorgestellt, nicht zuletzt aus für gute Zwecke, etwa bei Auftritten vor Alzheimerpatienten. Vor allem aber gibt es ein eigenes Programm für Schulen. Rund 120 Auftritte sind das im Jahr. Zu den Stücken, die für Kindergärten, Grund- und weiterführende Schulen gedacht sind, werden auch Einführungen weiterführende Workshops geboten. Ofr handelt es sich um Stücke mit zeitgeschichtlichem Hintergrund. Wenn man bedenkt, wie klein das Ensemble ist, beindruckt diese Leistung schon ungemein. Und keine Sekunde kommt auf der Bühne Langeweile auf. (DD)
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