Kopf als Anschauungsmaterial

Als er am 8. Oktober 1909 in Pokupsko, einem Ort in der Nähe seiner Heimatstadt Zagreb, ein dort stattfindendes Erdbeben untersuchte, erforschte der kroatische Geophysiker, Seismologe und Meteorologe Andrija Mohorovičić systematisch die Grenzfläche von Erdkruste und Erdmantel und wie Diskontinuitäten der jeweiligen Laufgeschwindigkeiten die Erdbebenwellen beeinflussen. Man spricht in dem Zusammenhang von Mohorovičić-Diskontinuität, unter Seismologen auch liebevoll Moho genannt.

Seine Entdeckungen stellte er der Öffentlichkeit 1910 vor. Im weiteren Verlauf seines Lebens entwickelte er enorme Verbesserungen bei der Konstruktion von Seismographen zur Messung (und ggf. Vorwarnung) von Erdbeben. Dass er Architekten half, erdbebensichere Häuser zu konstruieren, sorgte endgültig dafür, dass er sich alle Ehren als Wohltäter der Menschheit verdient hatte. So wie etwa diese schöne Gedenkplatte an einem Pfeiler beim Klementinum in Prag. Aber warum Prag, wo es aufgrund der tektonischen Verhältnisse eigentlich nie zu Erdbeben kommt? Nun, das Klementinum war ursprünglich eine im 16. Jahrhundert gegründete Bildungseinrichtung der Jesuiten, aber zu Mohorovičićs Zeiten schon Teil der Universität. Und genau hier hatte Mohorovičić in den Jahren 1875 bis 1878 sein Studium in Sachen Mathematik und Physik durchlaufen und abgeschlossen. Kein Geringerer als Ernst Mach (wir berichteten hier) gehörte hier zu seinen Lehrern. Zurück in Kroatien gründete er schon 1887 ein eigenes meteorologisches Observatorium und brachte es 1891 zum Professor. Der Seismologie widmete er sich ab 1900 intensiv.

Dass er bei ihnen seine ersten akademischen Weihen erhielt, mussten die Prager irgendwann feiern. Der 100. Jahrestag seiner bedeutendenden Forschung zu Erdkruste und -mantel war der willkommene Anlass. Das konnte man mit einer kleinen tschechisch-kroatischen Freundschaftsgeste verbinden. Vielleicht machte das die Sache administrativ schwieriger. Auf jeden Fall schaffte es man zum korrekten Datum 2010 nicht. Machte aber nichts, denn am 22. September 2011 wurde genauso frohgemut vor der Spiegelkapelle des Klementinums eine Gedenktafel für den großen Forscher enthüllt, Dazu erschienen nicht nur Wissenschaftskoryphäen aus beiden Ländern. Auch der kroatische Parlamentspräsident Luka Bebić fand den Weg nach Prag und hielt einige salbungsvolle Worte über den großen Sohn seines Landes.

Die Gedenkplatte wurde von dem bekannten tschechischen Bildhauer Martin Zet geschaffen. Auf der Bronzetafel steht in Tschechisch und Kroatisch der Text: „Der kroatische Geophysiker, der 1910 die Schnittstelle zwischen Erdkruste und oberem Erdmantel entdeckte, studierte von 1875 bis 1878 am Klementinum der Karlsuniversität in Prag. Andrija Mohorovičić 1857-1936.“ Dazwischen befindet sich eine Portraitbüste des Wissenschaftlers. Das obere linke Viertel ist versenkt und mit hellerer Metalllegierung gestaltet. Dadurch sieht der Kopf aus, als ob er als Anschauungsmaterial für die wissenschaftliche Entdeckung der Erdschichten diene, so wie in einem Lehrbuch. Das ist irgendwie eine witzige Idee. Humorlose Anhänger des großen Mohorovičić hätten darauf humorlos reagieren können. Haben sie aber nicht. Vielleicht haben die alle einen Sinn für Humor, was für sie spräche. Und so hat der große Seismologe nun für einen trockenen Wissenschaftler ein besonders originelles Denkmal gesetzt bekommen. (DD)

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