- Hans Weber
- November 1, 2024
„Medieval” – Ein Tschechisches Game Of Thrones?
Mit „Jan Žižka: Geburt eines Heerführers“ (international vermarktet als „Medieval“) kam in der vergangenen Woche ein blutiges Mittelalterspektakel um den gleichnamigen tschechischen Nationalhelden und Hussitenanführer auf die Leinwand. Mit einer halben Milliarde Kronen (20,36 Mio. Euro) ist es der teuerste jemals in Tschechien produzierte Film. Mitgewirkt hat neben Hollywood-Größen auch ein bekannter deutscher Schauspieler. Lohnt sich der Gang ins Kino?
Prag im Jahr 1402: „Gewalt, Tyrannei, Intrigen, Macht.“ Gleich in den ersten Szenen umreißt eine raue Männerstimme in Stichworten die gesellschaftliche und politische Lage im Mitteleuropa des frühen 15. Jahrhunderts. Die (angeblich) goldenen Zeiten Kaiser Karls IV. sind vorbei und nach dessen Ableben sind Machtkämpfe um die böhmische Königskrone sowie die Kaisernachfolge im Heiligen Römischen Reich entbrannt. Zusätzlich ist Europa entzweit durch die Existenz von gleich zwei Päpsten – einem in Rom und einem im französischen Avignon. Auch der Bevölkerung geht es nicht gut. Die Bauern sind der Willkür des Adels ausgesetzt, Gewalt steht auf der Tagesordnung und wer bis dahin noch überlebt hat, wird spätestens vom Schwarzen Tod dahingerafft. Zugleich bereitet die Stimme die Zuschauer auch schon einmal mental auf das vor, was visuell in den nächsten 125 Minuten folgen wird. Nämlich vor allem Gewalt und überraschend viele (und kreative) Arten zu sterben.
Die eingangs erwähnte Stimme aus dem Off gehört Sir Michael Caine, den der Regisseur Petr Jákl für sein filmisches Mittelalter-Epos als einen der Großen aus Hollywood gewinnen konnte. Im Film spielt Caine den alten und mächtigen Fürsten Boresch, der im Auftrag des glücklosen Königs Wenzel IV. (Karel Roden) unterwegs ist. In den Diensten von Boresch steht Jan Žižka (Ben Foster) mit seiner Söldnergruppe, der seinen Dienstherren gleich in den ersten Filmminuten vor den Schergen des durchtriebenen Heinrich von Rosenberg (Til Schweiger) beschützen muss. Und schon sind wir mittendrin im ersten Gemetzel, das mit dem Steinbruch von Velká Amerika eine eindrückliche Drehkulisse fand.
Auch dabei: Hollywood-Urgestein Sir Michael Caine (“The Dark Knight”, “Interstellar”, “Tenet”) spielt Lord Boresch. Foto: Bioscop
Will Tschechien mit seinem Film international bekannter machen: Judoka, Stuntman, Schauspieler und Regisseur Petr Jákl (links), zusammen mit Hauptdarsteller Ben Foster. Zu Jákls letzten Regiearbeiten gehörte “Ghoul – Die Legende vom Leichenesser”. Foto: Bioscop
Der Kampf um den Thron
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Machtspielchen am Königshof: Boresch möchte gerne König Wenzel auf dem Kaiserthron sehen und lässt Žižka die schöne Katharina (Sophie Lowe), eine Nichte des französischen Königs und zugleich die Verlobte des Heinrichs von Rosenberg entführen, um dessen Unterstützung für Wenzel zu erpressen. Aus Rache lässt dieser nun beinahe Žižkas gesamte Familie umbringen. In die Angelegenheiten mischt sich aber auch Wenzels intriganter Halbbruder, der ungarische König Sigismund (Matthew Goode), der mit mindestens einem Auge auch auf die Krone seines Bruders schielt.
Zwischen die Fronten gerät nun Žižka, der die „Drecksarbeit“ der Adligen erledigen muss und im Zuge von Auseinandersetzungen mit seinem Widersacher Torak (Roland Møller) sein linkes Auge verliert. So entfaltet sich die Handlung, die sich allerdings nur sehr lose an der tatsächlichen, überlieferten Geschichte orientiert. Im Jahr 1402 war Wenzel als römisch-deutscher König bereits abgesetzt, seine Aussichten auf die Kaiserkrone damit in weiter Ferne. Dass ein böhmischer Adliger sich Hoffnungen machen kann, die Nichte des französischen Königs zu ehelichen, dürfte auch eher ins Reich der Fantasie gehören, auch wenn Heinrich von Rosenberg tatsächlich zu den mächtigsten Fürsten im damaligen Königreich Böhmen und zu den ärgsten Gegnern Wenzels IV. zählte. Es gibt also einige historische Ungereimtheiten – ganz abgesehen von den im Film verwendeten Waffen: Über einen Großteil des Films kämpft Žižka mit einem sogenannten Degenbrecher, der aber erst in der frühen Neuzeit erfunden wurde. Letztendlich ist selbst über das Leben von Žižka vor seiner Zeit als hussitischer Heerführer – als welcher er nie eine Schlacht verloren haben soll – nur sehr wenig bekannt. Überliefert ist nicht einmal, wie und wann er sein Auge verlor, was ihm schließlich zur ikonischen Darstellung mit Augenbinde verhalf. Bekannt ist ebenso wenig, welches Auge Žižka eigentlich verloren ging. In Erscheinung trat der historisch gesicherte Jan Žižka (ca. 1360-1424) spätestens ab 1419 mit dem Beginn der Hussitenkriege. Zum tschechischen Nationalhelden wurde er vor allem nach einem Sieg über königliche Truppen auf dem Veitsberg bei Prag im Jahr 1420 – wo heute ein neun Meter hohes Reiterstandbild an ihn erinnert.
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