- Hans Weber
- November 1, 2024
Modřany: Kirche und Kreuzweg
Trotz der Urbansierung, die der Stadtteil Modřany (Prag 12) ab dem 19. Jahrhundert durchmachte, und die sich nach der Eingemeindung zu Prag 1974 noch durch allerlei realsozialistische Stadtplanung nicht immer vorteilhaft für das Stadtbild entwickelte, findet man gerade hier noch viele Ortsteile, bei denen der alte dörfliche Charakter noch gut erhalten ist. Das gilt vor allem für die unmittelbare Umgebung der kleinen Kirche Mariä Himmelfahrt (Kostel Nanebevzetí Panny Marie).
Die auf einem Hügel befindliche Kirche (Adresse: K Dolům 31/5) ist tatsächlich sehr alt. So alt, dass man nicht genau weiß, wann sie entstand. Oft nimmt man die Erwähnung einer größeren Stiftung an den Ort Modřany durch den böhmischen Herzog Soběslav II. im 12. Jahrhundert als Startschuss für den Bau an. Erstmals direkt und völlig eindeutig erwähnt wird sie erst in einer Liste von Kirchen der Erzdiakonie Říčany im Jahre 1384. Anscheinend hatte der damalige Erzbischof sie schon 1380 einmal besucht. Aber es scheint sicher, dass das Gebäude da schon lange vorher stand. Es dürfte sich zur Zeit des Besuchs um eine gotische Kirche gehandelt haben, von der außen erkennbar nur noch der zugemauerte Rest eines alten Spitzbogenfensters (Bild links) zu sehen ist.
1420 begannen die Hussitenkriege. In deren Verlauf wurde der Ort samt Kirche zuerst 1427 von den (frühreformatorischen) Hussiten überrannt und niedergebrannt, 1429 dann gleich noch einmal von den katholischen „Herren“. Danach war sie weitgehend zerstört, wurde aber bald wieder aufgebaut. Sie befand sich nun im Besitz der gemäßigten Hussiten, den sogenannten Utraquisten, wenngleich die Gemeinde keinen eigenen Pfarrer mehr hatte. Das alles lief so weiter bis zur verhängnisvollen Schlacht am Weißen Berg von 1620 (wir berichteten u.a. hier), bei der die protestantisch-hussitischen Böhmen gegen die katholisch-österreichischen Habsburger verloren. Mit der Glaubensfreiheit und der Selbstbestimmung Böhmens war es vorbei und der Dreißigjährige Krieg tobte. Und das bekam auch die Kirche zu spüren. Zuerst wurde sie 1631 von sächsischen Truppen geplündert. 1639 benutzten die schwedischen Truppen unter General Johan Banér das Kirchengebäude als Lager und Waffenarsenal.
Inzwischen hatten sich die Besitzverhältnisse geändert. Unter der Herrschaft der Habsburger wurden Dorf und Kirche den Zisterziensern des Klosters von Zbraslav übereignet, das etwas südlich von Modřany auf dem gegenüber liegenden Moldauufer liegt. Nach dem Ende des Krieges 1648 begannen die Mönche damit, der Kirche das barocke Aussehen zu geben, das das Gebäude (nach etlichen späteren Modifikationen) im Kern noch heute auszeichnet. Ganz war die Leidenszeit der Kirche aber noch nicht vorbei. Das Areal um Modřany wurde 1742 zum Aufmarschgebiet französischer Truppen, die im Zuge des Österreichischen Erbfolgekrieges daran gingen, Prag zu besetzen. Die Kirche war Dank der Bemühungen der Zisterzienser mittlerweile viel zu schön ausgestattet, als dass man sie hätte unausgeplündert lassen können. Die Franzosen widerstanden dieser Verführung leider nicht und die Kirche wurde abermals arg demoliert. Im nächsten Jahr wurden sie allerdings wieder von den Österreichern vertrieben. 1754 lancierte der Abt von Zbraslav, Adam Aysl, ein großes Wiederaufbauprogramm. Die Kirche wurde von Grund auf renoviert, ein wenig vergrößert und der ebenfalls zerstörte Glockenturm neben der Kirche wurde neu errichtet.
Von nun an kehrte ein wenig mehr Ruhe und Frieden ein. Ein großes Feuer, das 1802 nebenan stehende Pfarrhaus samt Schule zerstörte, verschonte die Kirche. 1809 wurde das Pfarrhaus wieder frisch aufgebaut und eingeweiht. Zwischen 1881 und 1883 gab es größere Reparaturarbeiten an der Kirche, wobei insbesondere das große steinerne Kreuz vor dem Eingang des Kirchhof errichtet wurde – man sieht es im großen Bild oben.
1893 bekam die Kirche auch eine neue und moderne Orgel, die eine ältere kleine Orgel aus dem Jahr 1690 ersetzte. Die neue Orgel wurde von dem bekannten Orgelbauer Josef Vanický aus Třebechovice bei Hradec Králové (Königgrätz) erbaut. In dem außerhalb der Gotetsdienste nicht zugänglichen Inneren wurden auch sonst immer wieder modernisierende Anpassungen durchgeführt, zuletzt 1994.
In dieser Zeit wurde auch der alte Kirch- oder Friedhof, der die Kirche umgibt, ummauert. Der Friedhof wurde zuerst 1896 und dann noch einmal 1949 erweitert und die Ummauerung entsprechend angepasst. Vom Kirchhof aus kann man schön den separaten Glockenturm erkennen, den Abt Aysl 1754 bauen ließ und der außerhalb der Mauer auf eine höheren Hügel steht und von alten Bäumen umringt, in einer Art kleiner Parklandschaft steht. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein auf einem quadratischen Sockel (mit abgeflachten Ecken) befindliches Oktogon. An allen Seiten befinden sich je drei Fenster mit neo-gotischen Spitzbögen – eine durchaus originelle Konstruktion. Im Turm befinden sich drei Glocken. Ursprünglich waren es nur zwei, die hier 1745 angebracht wurden. Die beiden Glocken, die nach den böhmischen Heiligen Nepomuk und Wenzel benannt wurden, wogen je 407 Kilogram. 1850 wurde noch die Glocke Maria mit einem Gewicht von 328 Kilo hinzugefügt. Leider wurde alle drei Glocken 1917 während des Ersten Weltkrieg eingeschmolzen, um Metall für Kanonen zu gewinnen. Sie wurden danach zwar 1923 wieder durch neue Glocken ersetzt, aber die wurden 1942 von der deutschen Wehrmacht konfisziert. In den unmittelbaren Nachkriegswirren und schon gar nicht unter den Kommunisten, die 1948 die Macht ergriffen, wurden die Glocken nicht erneuert. In den 1960er Jahren improvisierte man sogar mit Glockentönen, die man per Tonband irgendwo aufgenommen hatte, und die man dann per Lautsprecher verbreitete. Aber auch diese, für die Zeit des Kommunismus geradezu charakteristische Episode ging vorbei. Fünf Jahre nach dem Ende des Kommunismus, im Jahr 1994 wurden neue Glocken eingeweiht.
Und damit kommt man zu der eigentlichen Attraktion des Ortes, den neuen Kreuzweg (Křížová cesta). Dieser Kreuzweg (manchmal auch Passionsweg genannt) wurde erst 2015 errichtet und eingeweiht. Der Künstler, der Bildhauer Miroslav Beščec, wollte einen modernen Kreuzweg des 21. Jahrhunderts kreieren.
Es handelt sich – wie es mit wenigen Ausnahmen üblich ist – um einen Kreuzweg mit den 14 Stationen des Leiden Christi. Dafür wurden 14 grob in Kreuzform gehauene und rund 100 Kilogramm schwere Granit-Steine tief in den Boden eingelassen, so dass sie rund 60 Zentimeter herausragen. Jeder der Steine wurde von einem Gemeindemitglied als Stifter gespendet, d.h. bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung gekauft. Der Künstler selbst kaufte den ersten Stein für die Gemeinde. Stanisław Góra, der Vorsitzende der Caritas der Prager Erzdiözese (Arcidiecézní charita Praha) nahm am Ende im Oktober 2015 die Einweihung des Kreuzwegs vor. Gleichzeitig wurde auch die frisch instand gesetzte Parkanlage um den Glockenturm eingeweiht.
Der Bildhauer orientierte sich zwar an dem vorgeschriebenen Kanon der einzelnen 14 Stationen der Passion, wollte sie aber in eine moderne Bildsprache übersetzen, die den tieferen Gehalt der jeweiligen Ereignisse erläutern. Vier Beispiele seien hier gezeigt:
Von links nach rechts: (1) Die zweite Station; Jesus nimmt das Kreuz. DIe Hand soll dabei die Akzeptanz des Schicksal bedeuten, (2) die fünfte Station; Simon von Cyrene trägt das Kreuz Christi, die umarmenden Hände stellen den Gedanken der Nächstenliebe dahinter in den Mittelpunkt, (3) die zwölfte Station; Jesus stirbt am Kreuz, zweifellos die konventionellste Darstellung, (4) die dreizehnte Station, die eigentlich darstellen soll, wie Jesus vom Kreuz genommen wird, was sich in Beščecs Darstellung aber in Form der Darstellung des Kreuzes als Symbol einer Heilserwartung mit konzentrischen Lichtstrahlen zeigt.
Die sich nicht unbedingt selbst erklärenden Symbolbilder auf den Kreuzen werden nicht unmittelbar an „am Ort“ erläutert, aber am Eingang des Parkes gibt es eine große Tafel (Bild links), die nicht nur die Entstehungsgeschichte des Kreuzwegs, sondern auch jede einzelne Station und ihre künstlerische Bedeutung beleuchtet. Damit rundet sich sich jeder Ausflug zu dem kleinen Kirchenareal von Modřany, mit dem kleinen Gotteshaus, dem Friedhof, dem Glockenturm und vor allem dem Kreuzweg gelungen ab. Man bedauert es nicht, hierhin einen Ausflug gemacht zu haben. (DD)
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