Neorenaissance und Werbung

Für das erste Kaufhaus in Prag war nichts zu teuer. Selbst in der Luxusmeile, in der sich das Gebäude befindet, ragt es heraus, was die Opulenz der Fassadengestaltung angeht. Die Rede ist vom Kaufhaus Haas (obchodní dům Haas) in der Na příkopě 847/4 nahe des Wenzelsplatzes.

Die Fassade ist auch immer ein Stück Werbung für das Kaufhaus, dachte sich wohl der dänisch-österreichische Architekt Theofil Hansen, als er die Entwürfe für das Gebäude anfertigte, das dann in den Jahren 1869 bis 1871 von den Architekten und Bauunternehmern Alfred Kirpal und Aleš Linsbauer fertiggestellt wurde. Auftraggeber war die 1810 gegründete und auf die Produktion von Teppichen und Möbelbezügen spezialisierte Firma Philipp Haas & Söhne, die Anfang der 1860er Jahre Filialen in ganz Mitteleuropa neue Filialen eröffnete, so in Preßburg (heute Bratislava) und in Budapest und so auch in Prag.

Hansens Entwurf gliederte, wie man oben im großen Bild sieht, die Werbung für die Firma geschickt in die dem Stil der italienischen Spätrenaissance nachempfundene Architektur des Hauses. In dieser Weise war man übrigensauch schon 1866 beim Haupthaus in Wien verfahren. Die in einem Wappen präsentierten Buchstaben des Firmennamens (H-A-S) sind wundervoll historisierend von zwei Greifen aus der antiken Fabelwelt eingerahmt. Anspielungen auf den Namen finden sich auch auf den Sockeln unterhalb der großen Säulen auf Höhe des ersten Stocks. Die antikisierende Ästhetik darf einen aber nicht vergessen lassen, dass es sich bei dem Haus um eine moderne Stahlkonstruktion handelte und die Räumlichkeiten innen den Ansprüchen moderner Kaufhausarchitektur genügten.

Die sehr üppige skulpturale Ausstattung ist das Werk des Prager Bildhauers und Steinmetzes Josef Freund, dem man u.a. den hübschen Brunnen auf dem Karlsplatz in der westlich von Prag gelegenen Stadt Kolín verdankt. Besonders beeindruckend sind die vier allegorischen Statuen über den Säulen, die Wissenschaft, Handel, Industrie (kleines Bild rechts) und Kunst (links) darstellen. Hier verbindet sich Kommerz nicht beachtlicher Kultur.

Durch die hohen Säulen, die oben mit Rundbögen abgeschlossen sind, konnte der Architekt die Fassade sehr klassisch und traditionell strukturieren, während drinnen der Verkaufsraum mit genügend natürlichem Licht ausgestattet war. Eine sehr geschickte architektonische Leistung, die dem ästhetischen Geschmack der Zeit ebenso entsprach wie dem damals vorherrschenden wirtschaftlichen Fortschrittsgedanken.

Die Idee, in die Architektur Werbung einfließen zu lassen, war auch ein wenig typisch für die Firma Haas & Söhne, die 1880 zur Aktiengesellschaft umgewandelt wurde (und seit 1982 nicht mehr existiert). Sie galt als Pionierfirma, was die damals recht neuartige und hypermoderne Idee flächendeckender Werbung anging, und fuhr damit lange Zeit wirtschaftlich sehr gut (s. hier ab S.43). Der historistische Baustil – auch ein „werbendes“ Markenzeichen – mag damals zu einer seriösen Außenwirkung für das Unternehmen beigetragen haben (die heute etwas unter der schrilleren Werbung des dort heute residierenden Modeunternehmens leidet). Wir, die Heutigen, sollten froh darum sein, weil das Bleibende des Ganzen ein kunsthistorisch sehr interessantes Gebäude ist. (DD)

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