Neu gebaut, gute Küche, umwerfende Aussicht

Ein geschmackvolles klassizistisches Gebäude, ein gutes Restaurant und eine geradezu umwerfende Aussicht. Diese Kombination ist selbst im schönen Prag keinesfalls immer selbstverständlich. Es geht um das Restaurant Nebozízek am Petřínské sady 411/14 auf dem Abhang des Petřín-Hügels auf der Kleinseite.

Hier gab es schon im Mittelalter einen großen Weinberg mit Gebäude, der seit dem 15. Jahrhundert nachweislich Nebozízek genannt wurde. Warum? Die Legende besagt, dass Wenzel, der junge Sohn und spätere Nachfolger des großen mittelalterlichen Kaisers und böhmischen Königs Karl IV., bei einer Begehung des Areals auf Tschechisch fragte, ob es zum Mittagessen Haferbrei oder Schnitzel gebe. Die Wortfolge „oder Schnitzel“ lautet auf Tschechisch „nebo řízek“ und es ist unbestreibar, dass er erste Buchstabe des Wortes „řízek“ (Lautschrift: ˈr̝iːzɛk) nicht nur für Nicht-Tschechen fast unaussprechlich ist, weshalb der kleine Wenzel so etwas sagte wie „nebozízek“, was „oder ein kleiner Bohrer“ bedeuten könnte. Das fand man witzig und es blieb hängen. Obwohl es nur eine unbewiesene Legende ist zulasten eines kleinen Kindes. Und wahrscheinlicher ist auch, dass der Ort so genannt wurde, weil sich die Wege den Weinberg hinauf immer schon so schlängelten wie die Rillen eines kleinen Handbohrers.

Im Jahre 1677 erwarb Karl Maximilian Graf Lazansky von Bukowa, böhmischer Hofvizekanzler und hochrespektierter Jurist seiner Zeit, Weinberg und Gebäude. Unter ihm wurde das Haus, das an der Stelle des heutigen Restaurants liegt, barockisiert. Eine barocke Statue vor dem Gebäude (Bild rechts) erinnert noch an diese Zeit. Andere Eigner folgten: Die richtige Idee, aber zu früh hatte 1809 der bekannte Buchdruckunternehmer Gottlieb Haase, indem er das Gebäude in etwas klassizistisch umgebauten Stil zu einem Ausfluglokal im Grünen machte, das er stolz Hasenburg nannte. Das lief so einigermaßen, aber 1843 richtete ein Feuer enorme Schäden an, so dass das Haus an die Stadt Prag fiel, die es wieder – strikter klassizistisch – aufbaute. 1882 kaufte schließlich die Stadt Prag das Gebäude, nannte es wieder Nebozízek und verpachtete es im Jahr darauf an den Prager Kaffeehausbesitrzer Gustav Fiedle, der es wieder als Ausflugslokal betrieb, wenngleich zunächst mit wenig Erfolg.

Die Lage verbesserte sich aber bald dramatisch, weil das umgebende Areal erst jetzt wirklich zum Ausflugstziel für größere Menschenmassen ausgebaut wurde. Im Zuge der großen Landes-Jubiläumsmesse von 1891, ein Großereignis, in der Wirtschaft und Industrie des Habsburgerreichs ihre Muskeln zeigen konnten, wurde das ehemalige Weinbergsareal von dem bekannten Landschaftsarchitekten František Thomayer (wir erwähnten ihn bereits u.a. hier und hier) zwischen 1891 bis 1895 in einen schönen, bewaldeten Erholungs- und Aussichtspark verwandelt.

Der ebenfalls 1891 erbaute, optisch dem Eiffelturm ähnelnde Aussichtsturm auf dem Petřín bot als Ausflugziel neue Anreize, für Auflügler, sich überhaupt die Mühe des Aufstiegs zu machen. Und mehr noch: Für den, der sich keine Mühe machen wollte, wurde im gleichen Jahr die berühmte Standseilbahn Petřín (wir berichteten) eröffnet, die nicht nur den bequemen Weg nach oben bot, sondern deren Mittelstation (natürlich Nebozízek genannt) quasi direkt vor der Haustür des Lokals lag (sieht man im Bild rechts). Bequemer konnte man den Gastaufenthalt nicht mehr bekommen. Der Erfolg war gesichert und blieb.

Nun ja, bis 1965. Zuvor hatte es allenfalls an der Vernachlässigung, die so typisch für die kommunistische Zeit ab 1948 war, gelitten. Aber in diesem Jahr kam es zu einem großen Erdrutsch am Hang, der das Gebäude so schwer beschädigte, dass man das Restaurant 1967 schließen musste. An (teuere) Wiederherstellung dachte man zunächst nicht. Und so verfiel das angeschlagene Gebäude immer mehr. Nur dem traditionsreichen Denkmalschützerverein Klub für das alte Prag (Klub Za starou Prahu), der unermüdlich für den Erhalt oder die Wiederherstellung warb und lobbyierte, verdankte man, dass Anfang der 1980er Jahre die Politik endlich doch ernsthaft darüber nachdachte, wie man dem Trauerspiel ein positives Ende setzen könnte.

Zu retten war das Gebäude aber nicht. Und so wurde es 1984/85 zuerst abgerissen und dann nach den Plänen von Václav Girsa, einem nicht nur national, sondern auch international anerkannten Architekten mit Spezialisierung auf Denkmalpflege (Bespiel: Schloss Bauska in Lettland), der mit unzähligen Preisen ausgezeichnet wurde, wieder neu aufgebaut. Keine exakte Kopie, aber Grundriss und Grundideen des alten Gebäudes wurden beibehalten und Ornamente rekonstruiert oder modern nachempfunden. Original sind nur Teile des Kellers und die Barocktreppe vor dem Eingang. Das Hauptgebäude wird im wesentlichen als Hotel betrieben für den Restaurantbetrieb steht ein gläserner Sommerpavillon (Bild rechts) mit Weinbar zu Verfügung, wodurch das wesentliche Asset des Lokals gesichert ist – die Aussicht. Vor dem Gebäude gibt es eine große Terrasse, so dass man im Sommer draußen sitzen kann.

Die Lage und die Aussicht könnte den Pächter dazu verführen, ohne Mühe große Gewinne einzufahren, indem man eine „Touristenfalle“ daraus macht, d.h. schlechtes Essen, schlechter Service, überteuerte Preise. Aber nein, wir haben es hier mit einen Restaurant mit Anspruch zu tun. Es gibt verfeinerte und modernisierte tschechische Küche (also nicht zu schwer und nur Gulasch mit Knödel!) und eine gute Weinliste, auf der sich auch sehr respektable tschechische Weine befinden. Die Preise sind ausgesprochen verhältnismäßig. Kein Nepp! Zusammen mit dem geschmackvoll klassizistischen Gebäude und der Aussicht über Park, Burg und Altstadt garantiert die Speisekarte mit ziemlicher Sicherheit einen gelungenen Abend oder Nachmittag für den Prag-Besucher. (DD)

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