Öffentliche Toilette mit verändertem Zweck

Schon ab 1888 hatte der Prager Stadtrat beschlossen, dass auf Steuergelderkosten 12 öffentliche Toiletten gebaut werden sollten. Die großen Zeiten der Bedürnisanstalten kamen jedoch in den Goldenen Zwanziger Jahren. Es gibt heute nicht mehr viele interessante öffentliche Toilettengebäude, und die meisten kommen aus dieser Zeit, so zum Beispiel die Toilette am Ostrčilovo Náměstí 60.

Die entstand in den Jahren 1924/25 inmitten des damals noch von Obstbäumen bepflanzten Platzes und war in dem damals modernen kubistischen Stil gestaltet (eine stilistisch ähnliche Toilette hatten wir bereits hier vorgestellt). Allerdings wurde das Gebäude nie seinem eigentlichen Zweck zugeführt. Schon während des Baus wurden die Pläne geändert. Und so entstand in dem auf äußerlich sehr toilettenmäßigen Bau erst einmal eine kleine öffentliche Bücherei, bis dann um die Mitte des 20. Jahrhunderts noch einmal eine radikale Zweckänderung durchgeführt wurde.

Dieses Mal wurde es in ein Umspannwerk der städtischen Elektrizitätswerke umgewandelt. Daran erinnert heute allenfalls und sehr entfernt ein von Pražská energetika (Prager Energie) betriebener PREpoint, das heißt, eine E-Auto-Aufladestation. Ansonsten hat das äußerlich immer noch in Stil von öffentlichen Toilette der Mitt-1920er Jahre aussehende Gebäude abermals seinen Zweck geändert, und zwar – wenn man es so sagen kann – in einer der ursprünglichen Idee völlig entgegengesetztes. Jetzt ging es nicht um den „Output“, sondern eher um den „Input“, genauer gesagt um Kulinarik.

2012 zog nach einigen Umbauten die japanischen Handwerksbäckerei Hotaru bakery ein, die aber bald woanders hinzog. Es kamen ein Kebab-Stand ,dann eine Pizzeria und heute wieder ein Kebab-Stand. So ganz genau scheint man die Imbissrestaurants nicht mehr aufzählen zu können. Vielleicht wird die Lage aber bald besser. Der Ostrčilovo náměstí war nach dem weitgehenden Abholzen der Obstbäume ein eher etwas trostloser Platz. Seit Anfang 2024 hat man in optisch aufgebessert und dabei die alte Bedürfnisanstalt gleich mit berücksichtigt. Drum herum kann man jetzt im Sommer recht schön sitzen und das Gebäude selbst wurde frisch renoviert und gestrichen.

Die frühere graue Fassade des Gebäudes mag zwar historisch authentischer und toilettenhafter gewesen sein, aber die neue Fassade wird dem neuen Zweck, ein Imbiss mit Außengastronomie zu sein, eindeutig mehr gerecht. Zudem streicht die rot-weiß kontrastierende Fassade auch ein wenig deutlicher die eigentliche Architektur des Gebäudes heraus, die ja ein typisches Beispiel für den Kubismus der 1920er Jahre ist, der man damals auch auf profane Zweckbauten wie öffentliche Toiletten gerne verwendete und sie somit ein wenig aufzuwerten. (DD)

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