Partizipatives Denkmal für Václav Havel

So wie Václav Havel, der heute 86 Jahre alt geworden wäre, stets die Provokation liebte, so löst auch der nach ihm benannte Václav Havel Platz (Náměstí Václava Havla) in der Neustadt ab und an Kontroversen aus. Ist er zu klein, zu realsozialistisch und ist das Denkmal Kitsch? Vielleicht ist das der Grund, warum er eigentlich recht gut zum Andenken an Havel passt…

Früher war das hier ein Teil der Piazzetta des Národni divadlo (Nationaltheater), über das wir hier berichteten. Die Dinge änderten sich als in den Jahren 1977 bis 1983 daneben nach Entwürfen des Architekten Karel Prager das grandios brutalistische Gebäude der Nová scéna (Neue Szene) erbaut wurde, über das wir hier berichteten. Der Alte Platz wurde dadurch zu einer Art Innenhof, der auf drei Seiten von dem neuen Gebäude umrahmt, das zwar durchaus künstlerisch originell war, aber doch arg nach realsozialistischer Architektur der Zeit aussah.

Zum Abschluss stellte man 1983 noch die große, auf einem Marmorsockel schwebende Statue Die Wiedergeburt (Znovuzrození) auf dem Platz auf. Sie war ein Werk des überaus regimetreuen Bildhauers Josef Malejovský, der unter den Kommunisten zum Nationalkünstler und mehrfachen Träger des Klement Gottwald Staatspreises erhoben wurde, und der dem Regime zwischen 1976 und 1986 als Parlamentsabgeordneter diente. Er war ein typischer Verfechter der Normalisierung, wie man das reaktionäre Zurückschrauben der liberalisierenden Reformen des Prager Frühlings unter dem Regime von Gustáv Husák nach 1968 nannte.

Man kann also verstehen, warum manch Beobachter ein wenig perplex war, als im September 2016 die Stadtregierung dem Ansinnen des Direktors des Nationaltheaters (zu dem die Nová Scená auch gehört), Jan Burian, Rechnung getragen wurde, und ausgerechnet dieser Platz nach Václav Havel benannt wurde.

Es eilte auch: Denn es stand der 80. Jahrestag der Geburt Havels, der fünf Jahre zuvor verstorben war, an und man wollte das Ereignis mit einer Platzbenennung und einer Denkmalseinweihung feiern. An 4. Oktober 2016 – ein Tag vor dem Geburtstag – wurde dem Platz der Name des großen Schriftstellers, Dissidenten und Präsidenten Václav Havel gegeben. Nun ja, da erinnerten sich auch viele Menschen daran, dass gerade das Nová Scéna ein Hort des Dissidententums war und viele Schauspieler dort mit Havel sich trafen und die Samtene Revolution vorangetrieben hatten.

Bei der Feier, an der (neben vielen anderen) Havels Witwe Dagmar Havlová, der damalige Kulturminister Daniel Herman und die damalige Bürgermeisterin Prags Adriana Krnáčová teilnahmen, wurde auch das Denkmal eingeweiht. Erschaffen wurde es von dem Bildhauer Kurt Gebauer, der sich als Kämpfer für die verbesserte kulturelle Ausgestaltung des öffentlichen Raums und als Provokateur in der Kunstszene einen Namen gemacht hatte. Unter einem in die Wand gravierten Autogramm Havels liegt ein run 160 hohes (aus Laminatguss angefertigtes) rotes Herz, um dass die Gitter drapiert sind, die es anscheinend einst eingefangen gehalten hatten, die aber nun gesprengt sind. Und dann leuchtet das Herz noch von innen, wenn es dunkel wird, wie man im großen Bild oben sehen kann. Großartig! Das ist eine so dick aufgetragene Allegoriesprache (Liebe/Freiheit), dass man zurecht ein wenig Ironie und Provokation dahinter vermuten kann.

Beim näheren Hinschauen ist das Ganze auch recht clever gedacht. Die Herzsymbolik passt zu einem Staatsmann, der (zumindest posthum) wirklich die Liebe der Menschen als Hoffnungsbringer gewonnen hat. Eigentlich liegen immer vor dem Denkmal Blumen oder Kerzen zu seinem Gedenken. An Feiertagen (hier kurz nach dem 10. Todestag 2021) ist das ganze Umfeld geradezu überschwemmt davon.

Besser als mit einem Herz kann man diese Zuneigung kaum ausdrücken. Zudem enthält das ganze auch ein partizipatives Element. Es wurden nämlich innerhalb von drei Tagen Botschaften gesammelt, die Menschen – darunter viele normale Bürger – an und über Václav Havel geschrieben hatten. Die wurden in das Herz eingraviert und wirken sehr authentisch wie spontane Graffiti (Bild oberhalb rechts). Oder, wie der Kurt Gebauer mit Blick auf Havel es damals sagte: „Was uns stört, was uns gefällt, was Havel für uns bedeutet. Es wird möglich sein, auf ein weiches Herz zu schreiben und zu gravieren, und dann wird das Ergebnis in ein rotes Laminat gegossen, das im Dunkeln leuchtet. Es wird uns daran erinnern, dass es notwendig ist, dass jemand mit einem großen Herzen hier und da kommt.“

Die ersten Menschen, die sich dabei auf dem Herzen verewigen durften, waren allerdings Havels Witwe Dagmar und die Schauspielerin Vlasta Chramostová, die als eine der Erstunterzeichnerinnen der berühmten Charta 77 zu den frühen und aktiven Mitstreiterinnen Havels als Dissident gegen das kommunistische Regime gehörte. Das Ganze ist schon anrührend. (DD)

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