Pionierin des Pflegewesens

Zum heutigen Weltfrauentag präsentieren wir heute eine große Heldin des Alltags: Denn selbst in Berufen, die man heute fast schon als Frauendomäne ansieht, mussten sich Frauen dereinst ihre Stellung mühsam erkämpfen. Dazu benötigten sie besonders viel Talent und Willensstärke. Man kann es heute kaum glauben, dass selbst in einem damals sehr fortschrittlichen Land wie der Ersten Tschechoslowakischen Republik erst 1937 erstmals eine Oberschwester für ein Krankenhaus berufen wurde, die sich als große Pionierin des Pflegewesens erweisen sollte.

Kein Zweifel: Jarmila Roušarová war eine Kämpferin für ihre Sache. Leicht wurde es ihr nicht gemacht, denn sie wuchs früh als Waisenkind auf und musste bereits als Minderjährige in einem Kaufhaus arbeiten. Als sie volljährig wurde, beschloss sie 1922 in einer Krankenpflegerschule eine Lehre zu machen, um dann ab 1924 in einer Krankenstation zu arbeiten. Anderen Menschen zu helfen, sah sie als ihre Berufung. Sie arbeitete erst am Allgemeinen Fakultätskrankenhaus in Prag, dann schon im Bulovka-Krankenhaus, wo ihr Talent erkannt wurde, so dass 1928 das Rote Kreuz sie zwecks Förderung zu einem einjährigen Studium an das Beford College in London (Public Health) schickte. Sie avancierte zur Ausbilderin an der Staatlichen Masaryk Schule für Gesundheit und Sozialhilfe (Masarykova státní škola zdravotní a sociální péče), einer hochmodernen Institution, die mit Hilfe der amerikanischen Rockefeller Foundation finanziert, und Gesundheitspflege mit sozialer Betreuung kombinieren sollte – ein Avantgardeprojekt damals! Und Sie wurde bald mit höheren Aufgaben betreut. Sie leistete wesentliche Beiträge zur Gründung von Krankenpflegeschulen in Brünn (1937) und Ostrava (1939). 1937 trat sie in das Prager Fakultäts-Krankenhaus Bulovka (das erwähnten wir bereits hier) ein, das damals mit 1200 Betten zu den größten des Landes war, und wo sie als erste Frau die Position eines diplomierten Oberpflegers bekam, was bei Frauen umgangssprachlich Oberschwester heißt. Das klingt nicht so recht bedeutsam. Der Ausdruck in deutscher Amtssprache ist zwar dröge, aber zutreffend Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege. Es handelt sich in der Tat um einen hohen Managementposten. Den hatte Roušarová – und das war ihre große Leistung – zugleich erstmals mit einer klaren Berufsbeschreibung definiert und mit modernen Managementregeln unterlegt. Es war ein kleiner Meilenstein der Professionalisierung des Krankenhauswesens, den man nicht unterschätzen darf!

Während der Nazizeit wurde sie wieder zur Krankenschwester zurückgestuft, aber mit der Rückkehr der Demokratie kamen neue Chance. 1946 wurden in Prag zugleich die Eine Krankenpflegeschule und eine Höhere Krankenpflegeschule gegründet, die als fortschrittlichste Institutionen ihrer Art galten. Roušarová wurde zur Direktorin beider Institutionen und trug dazu bei, dass eine Professionalisierung und Diplomausbildungsgänge im Gesundheitswesen die Regel wurden. Die Kommunisten setzten sie 1950 ab und formal arbeitete sie wieder als bloße Krankenschwester, was sie auch mit Hingabe tat. Aber sie wollte mehr für das Gesundheitswesen leisten und widmete sich bis zu ihrem Tod 1979 nebenbei mit beträchtlicher Anerkennung der wissenschaftlichen Arbeit durch Publikationen zur Reform des Gesundheits- und Pflegewesens. Am Ende konnten selbst die Kommunisten nicht umhin, sie anzuerkennen. 1960 verlieh man ihr den Titel Verdiente Arbeiterin im Gesundheitswesen (zasloužilá pracovnice ve zdravotnictví). Immerhin. Eine Ehrung ist inzwischen hinzugekommen. Seit 2013 gibt im Foyer des Eingangsgebäudes (Bild rechts oberhalb) zum Krankenhauskomplex der Bulovka (Prag-Libeň, Budínova 67/2), wo sie einst Oberschwester wurde, eine Gedenktafel mit einem Portraitrelief, unter dem die Inschrift (in deutscher Übersetzung) steht: „Jarmila Roušarová, diplomierte Krankenschwester, 1900 – 1979, im November 1925 begann sie im Krankenhaus zu arbeiten und leistete später als erste zivile Oberschwester einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Krankenpflege. “ (DD)

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