- Hans Weber
- November 1, 2024
Satan und Maria in einem Haus
Adam und Eva werden, so lehrt uns die Bibel in Genesis 3: 1-6, von einer Schlange verführt, vom verbotenen Baum der Erkenntnis die verbotene Frucht zu nehmen und und zu verspeisen. Und damit kommt der Sündenfall mit der Vertreibung aus dem Paradies. Wer zweifelt, dass Satan hinter der Schlange steckt, der wird durch die Skulptur über dem Eingang des Hauses in der Žatecká 41/4 (Altstadt) eines Besseren belehrt.
Da lauert der böse Satan nun leicht verschlagen und hält dem nächsten Opfer die biblisch überlieferte Schlange hin, die wiederum vom ihm den Apfel gereicht bekommt, der in der Bibel eigentlich nur eine unspezifische Frucht im Allgemeinen ist, aber sich irgendwann historisch zu einem Apfel konkretisierte. So hatten es Künstler seit dem Mittelalter in ihren Darstellungen des Sündenfalls eben immer wieder imaginiert bis sich die Idee, es müsse damals ein Apfel gewesen sein, bei uns so richtig festsetzte. Und wir können dankbar sein, dass es der neutral wirkende Apfel war, den sie darstellten, und nicht etwa eine Banane, weil das der Szene schnell den nötigen Ernst und die gebotene Würde genommen hätte.
So liebevolle Darstellungen des Satans findet man selten auf Prager Hausfassaden. Aber keine Angst: Das vierstöckige Wohn- und Mietshaus ist kein Domizil für angehende Satanisten und von hier aus führt der Weg nicht direkt in die Hölle. Um sich dessen zu versichern bevor man eintritt, schaue man nach oben. Über dem ersten Stock kann man dort ein wunderschönes Medaillon aus Majolika sehen, dass die Heilige Jungfrau Maria mit dem Jesuskind zeigt, die wohl Schutzpatronin des Hauses ist (während der Satan nur als Warnung vor der Verführung zum Böses dient). Das farbige Relief der Maria, die den Satan schon in Schach halten wird, ist umrahmt von der Inschrift LP 1914, was heißt léta Páně oder auf Deutsch: Im Jahre des Herren 1914. Und das ist natürlich Baujahr des Hauses.
1914 befand man sich in der künstlerischen Endphase des Jugendstils. Der geometrische Jugendstil, den wir dem Architekten des Hauses, František Schlaffer (der schrieb sich manchmal auch auf Tschechisch Šlafer), verdanken, den wir schon hier vorstellten, ist sehr streng und minimalistisch und weist schon auf die kommende kubistische oder funktionalistische Moderne hin. Aber die Maria ist noch ganz und gar ein klassisches Werk des Jugendstils.
Das Gebäude steht auf dem Platz eines früheren Hauses. Zu Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dieser Teil der Altstadt stückweise niedergerissen, um die alten Häuser durch größere und modernere Mietshäuser zu ersetzen. Von dem früheren (wahrscheinlich im Renaissancestil gebauten) Haus an dieser Stelle wissen wir, dass es von 1615 bis 1641 der nordwest-tschechischen Stadt Žatec gehörte (möglicherweise als Unterbringung von Stadtrepräsentanten, die etwas etwas offiziell in der Hauptstadt zu erledigen hatten). Damit hat das Haus der Straße, in dem nun der Satan auf uns hinabblickt, auch ihren Namen Žatecká. (DD)
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