- Hans Weber
- November 1, 2024
Schlösschen mit Gastronomie
Ein kleines architektonisches Juwel in bester Lage mit schöner Aussicht und mit einem großen Biergarten ausgestattet: Über die Popularität des Letná-Schlösschen (Letenský zámeček) muss man sich nicht wundern.
Es sieht aus wie ein richtiges Schlösschen im Sinne eines kleinen Adelspalastes und heißt ja auch so. War es aber nie. Immerhin steht es da, wo dereinst tatsächlich so etwas stand. Im Jahre 1715 hatte hier nämlich Franz Johann Joseph Graf von Waldstein Herr von Wartenberg einen kleinen Sommerpalast erbauen lassen, den er Belvedere (was ja soviel wie „schöne Aussicht“ bedeutet) nannte, und zwar recht passend. Man befindet sich ja auf der Letná Höhe, einer Park- und Gartenlandschaft hoch über der Moldau, von der aus man einen tollen Blick auf die gegenüber liegende Altstadt genießen kann. Das Areal war im Dreissgjährigen Krieg Albrecht von Waldstein (den kennt man ja als Wallenstein von Schiller).an die Familie gefallen, der das Gebiet mit Wegen für die Landwirtschaft versehen hatte. Die Nutzung für ein kleines Lustschloss des Nachfahren sollte aber nicht lange währen. Es kam der Österreichische Erbfolgekrieg, im Verlauf dessen 1742 die Franzosen in Prag einmarschierten und dabei nichts besseres zu tun hatten, als das Schloss restlos zu zerstören.
Lange, um nich zu sagen, sehr lange Zeit wurde hier nichts gebaut. Das Land lag brach. Erst 1863 gab es wieder fleißige Bauaktivitäten zu verzeichnen. Das heute hier zu sehende gebäude entstand. Die Pläne stammten von dem Architekten Vojtěch Ignác Ullmann (siehe u.a. diesen und diesen früheren Beitrag), dem wir u.a. den Bau der heutigen Akademie der Akademie der Wissenschaften (über die wir hier berichteten) verdanken. Er galt als ein Meister der Neorenaissance und so verwundert es nicht, dass sich der Entwurf ein wenig von der 1542 von dem großen Renaissance-Architekten Andrea Palladio gebauten Villa Godi in Venetien inspirieren ließ. Die Freitreppe, die luftige Loggia, der zierliche Turm und die hohen rundbögigen Fenster vermittel ein geradezu authentisches italienisches Flair. Aber so vornehm und schlossartig das Gebäude aber auch aussieht, so wenig war es als Schloss oder Adelsresidenz konzipiert. Es war von Anfang an, was es heute noch ist: Ein Restaurant plus Biergarten.
Die Lage sollte sich als ausgesprochen günstig erweise – nicht nur, weil es eben schön gelegen war und mit einer tollen Aussicht aufwarten konnte, 1891 setzte die große Zeit des Aufschwungs für den Gastronomiebetrieb ein, den hier im Stadtteil Holešovice. fand in diesem Jahr die Prager Jubiläumsausstellung 1891 (Jubilejní zemská výstava) statt, in der das Habsburgerreich eine große Präsentation seiner industriellen und handwerklichen Kapazitäten vorführte. Und für die Großmesse baute man vom Moldauufer zum Letná hoch die hypermoderne Letná-Standseilbahn (Lanovka na Letnou), die nun die Ausflügler mühelos in Scharen herantrug. Sie war eines von mehreren Standseilbahn-Projekten, mit denen man Ende des 19. Jahrhundert verkehrstechnisch den Höhenunterschieden in der Stadt beikommen wollte, und von denen heute nur noch die berühmte Standseilbahn Petřín im Dienst ist (wir berichteten hier). Leider wurde sie 1916 im Zuge der Mangelökonomie des Ersten Weltkriegs stillgelegt.
Aber der Laden lief auch so. Schon wegen der der geradezu oprimalen Lage, die einen steten Ausflüglerzustrom sicher, aber auch, weil man sich von Anfang an immer um kleine zusätliche Attraktionen kümmerte. So legte man schon kurz nach Vollendung des „Schlösschens“ vor dem Gebäude ein vielbenutztes Feld für Pétanque (das ist ein Zielwurfspiel mit Metallkugeln, ähnlich dem Boule) an, das heute noch genutzt wird. Gleichzeitig wurde für Freiluft-Musikdarbietungen obendrein ein hübscher überdachter Pavillon angelegt, der heute denkmalgeschützt ist (Bild rechts). Man kann sich richtig vorstellen, wie die Böhmen damals im Biergarten fröhlich singend zur Blasmusik schunkelten. Ab und an findet so etwas wohl immer noch statt. Und hinter dem Schloss wurde schon 1894 eine ganz besondere Attraktion aufgestellt, nämlich ein großes Karusell mit Holzpferden (bild oberhalb links). Der Besitzer Josef Nebesky hatte es zunächst 1892 in Vinohrady auf der anderen Flussseite aufgestellt, aber erst hier kam die vom Bauunternehmer, Architekten und Zimmermann Matěj Bílek konstruierte Amüsiereinrichtung für Kinder (und Erwachsene ebenso) voll zum Tragen. Wir werden noch später gesondert über dieses älteste noch existierende Karussel in Europa berichten.
Damals wie heute war der Hauptzweck des „Schlösschens“ die Gastronomie. Das beschränkt sich nicht nur auf den Biergarten, für den vor einigen Jahren ein Gebäude für den Außenausschank aufgestellt wurde.Im Inneren das eigentlchen „Schlösschens“ befindet sich ein gehobener und vielseitiger Restaurantbetrieb, der von der Firma Nonet betrieben, von Jan Kroh gemanagt wird. Im Erdgeschoss gibt es ein kleines gemütliches Restaurant für die laufende Kundschaft, das nach dem Architekten Brasserie Ullmann benannt ist. Geht man die schöne Freitreppe hoch, so findet man dort den großen Belcredi Saal (Sál Belcredi), den man für besondere Festanlässe (Hochzeiten, zum Beispiel) mieten kann und der bis zu 130 Gäste fasst (Bild links). Wer es initimer und romantischer haben will, kann auch den kleinen Gastraum ganz oben im Turm für ein nettes Candle-light-dinner mieten – ideal für einen Heiratsantrag (oder für windige Geschäfte, die im Verborgenen abgeschlossen werden müssen, dann aber nicht notwendig mit Candle light). Was immer man dort beim Essen tut, man tut es mit der besten und schönsten Aussicht auf die Stadt! (DD)
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