Schräge Frauen

Schräge moderne Kunst kombiniert mit klassizistischer Architektur – zu sehem am Deym Palais (Deymovský palác, manchmal auch Deymův palác) in der Voršilská 130 / 8 und10 in der Prager Neustadt. Die seltsame unbekleidete Dame mit dem Glühbirnenkopf und einem Bierhumpen in der Hand ist das Werk des Bildhauers und Künstlers David Černý.

Der erfreut die Welt (und insbesondere Prag) schon seit längerem mit seinem Sinn für hintergründigen Humor und anarchischer Provokation – worüber wir schön öfters, unter anderem hierhierhierhier und hier berichteten. Tři ženy na domě – Drei Frauen zu Hause – heißt das Kunstwerk. Und so ist das nur eine von drei recht ungewöhnlichen Frauengestalten, die das Dach des Palais zieren. An den beiden Seitenrisaliten und auf dem mittleren Risalit befindet sich je eine eine Frauengestalt (alle mit Glühbirnenkopf). Die auf dem großen Bild oben befindet sich auf der linken Ecke des Gebäudes. Aber beginnen wir doch erst einmal mit dem Gebäude und seiner Geschichte selbst.

Die eigentliche Geschichte dieses Gebäudes begann 1702, als Johann Franz Ferdinand Graf von Berchtold zu Ungarschitz, dessen Familie 1673 in den Reichsgrafenstand erhoben worden war, nach Erwerb desGrundstücks damit begann, die vier dort vorher stehenden mittelalterlichen Häuser aus dem 14. Jahrhundert zusammenzulegen. Als der Graf 1720 darüber starb, setzte der neue Besitzer, Wenzel Ignaz Deym Graf von Stritez (den Grafenstand bekam er allerdings erst 1730 verliehen), die Zusammenlegung fort und schuf sich dadurch einen kleinen Barockpalast.

Die Familie von Deym wurde fortan auch zum Namensgeber des Palais‘. Der Palais wechselte allerdings danach erst einmal mehrfach die Eigner, zu denen dann u.a. das Geschlecht der Malovcové z Malovic gehörte, bis im Jahr 1800 ihn Josef Anton Graf Wratislaw von Mitrowitz, immerhin Oberster Kammerherr des Königs, erwarb. Der heuerte erst einmal den bekannten Architekten Ignaz Palliardi (wir erwähnten ihn u.a. hier und hier), der um 1821 das ganze einstöckige Gebäude im Stil des Klassizismus völlig umbaute. Deshalb befindet sich heute auch auf dem mittleren Giebel heute nicht das Wappen der Namensgeber Deym, sondern das Wappen der Wratislaw von Mitrowitz. Das Wappen und die anderen Stuckarbeiten am Palais sind übrigens das Werk des Bildhauers Ignaz Franz Platzer (schon erwähnt u.a. hier).

Als Graf Wratislaw von Mitrowitz im Jahre 1830 starb, hatte er keinen Stammhalter vorzuweisen, weshalb das Palais an seine Tochter Josepha vererbt wurde, die 1823 in den richtige Hoch- bis Höchstadel geheiratet hatte, indem sie Karl II. Fürst zu Schwarzenberg ehelichte. Da es damals mit Frauenrechten (insbesondere an Eigentum) nicht so weit her war, hatte man es nunmehr mit einem Schwarzenberg Palais zu tun, wobei sich dieser Namen nicht wirklich durchsetzte und die Deyms postum die Oberhand behielten. Der Fürst starb 1858 und seine Josepha lebte noch bis zu ihrem Tod 1881 hier. Danach wurde der Palais nicht mehr von der Familie bewohnt, sondern vermietet. 1928 zog hier etwa ein Postamt ein. Immerhin gab es für die Schwarzenbergs noch Mieteinnahmen, was 1948 aufhörte, als die Kommunisten, die gerade die Macht ergriffen hatten, das Ganze enteigneten. In das Gebäude zog die israelische Botschaft ein. 1967 zog sie wieder aus, weil die Tschechoslowakeit nach dem Siebentagekrieg die diplomatischen Beziehungen mit dem Land abbrach.

Als der kommunistische Irrsinn 1989 beendet wurde, erhielt immerhin Karel Schwarzenberg (der spätere Außenminister) rückerstattet. Das Gebäude dient seither in hohem Maße fortschrittlichem Engagement. So hat etwas die Dagmar und Václav Havel Stiftung Vision 97 (Nadace Dagmar a Václava Havlových VIZE 97), die von dem ehemaligen Schriftsteller, Dissidenten und Präsidenten Václav Havel und seiner Frau zur Förderung von Kultur und gesundheitspolitischen Anliegen gegründet wurde, ihren Sitz hier. So etwas schreit förmlich nach einer etwas unorthodoxeren und dissidentenhafteren Außengestaltung des Gebäudes. Und damit kam David Černý ins Spiel.

Der wilde Mann der tschechischen Kunstszene setzte seine Drei Frauen zu Hause 2021 auf das Dach des Palais. Neben der Frau mit dem Bierhumpen sehen wir das die (ebenfalls unbekleidete) eine stehende Dame mit einem seltsamen Tuch über dem Glühbirnenhaupt und mit einem Schild in der Hand (Bild oberhalb links). Und ganz auf der anderen Ecke liegt eine ebenfalls nackte Glühbirnendame lasziv auf dem Giebel und hält eine doppelläufige Flinte in der Hand. Bierglas, Schild, Gewehr – es ist nicht recht klar, was uns der Künstler damit sagen will. Aber es ist schräge. Irgendwie genügt das… (DD)

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