Sozialist aus dem Palast

Er wurde immerhin in einem ehemaligen Adelspalast geboren, der sozialiststische Publizist und Schriftsteller Josef Boleslav Pecka, der heute vor 125 Jahren, am 25. Juli 1897, im fernen Chicago starb.

Um fair zu bleiben: Im Gegensatz zu vielen heutigen Lifestyle-Linken war Pecka tatsächlich Arbeiter, der sich in seiner Jugend wechselweise als Weber und Gießer seinen Lebensunterhalt hart verdient hatte. Und sein Geburtsort, der Schlick Palast (Šlikův palác) war damals schon lange kein echter Palast mehr. Mitte des 17. Jahrhunderts hatte die Adelsfamilie Schlick hier tatsächlich aus älteren zwei Häusern einen Barockpalast zusammengebaut, der 1845 auf Veranlassung eines späteren Besitzers von dem Architekten Johann Heinrich Frenzel in das klassizistische Gebäude umgewandelt wurde, das wir heute hier sehen. Dabei wurden Wohnungen zum Vermieten eingerichtet. Ein Teil wurde ab 1875 sogar als Waisenhaus genutzt. Ergo wurde Pecka zwar im Palast, aber garantiert in einer kleinen Wohneinheit geboren.

Aber nun mehr zur Person: Als echter Arbeiter hatte er sich früh für die Lehren des deutschen Sozialisten Ferdinand Lassalle begeistert und gründete in den 1870er Jahren die ersten Zeitungen und Zeitschriften der Arbeiterbewegung, etwa die Zeitung Dělník (Arbeiter) oder ab 1878 die ungleich bekanntere Zeitschrift Dělnické listy (Arbeiter-Blätter). Im Jahr 1874 gehörte er zu den Gründern der Vereinten Österreichischen Sozialdemokratischen Partei (die Vorgängerin der heutigen SPÖ), die sich allerdings bald aufspaltete, so dass ab 1897 eine völlig eigenständische böhmische Partei der Sozialdemokraten entstand. Ab 1881 wurde der Obrigkeit das Ganze so ungeheuer, dass gezielt Sozialdemokraten wegen Aufruhranstiftung verurtelt wurden. Pecka wurde 14 Monate ins Gefängnis gesteckt. Seine weiteren Aktivitäten danach wurden immer wieder behindert, weswegen er 1885 in die Vereinigten Staaten auswanderte. An die publizistischen Erfolge seiner böhmischen Zeit konnte er dort nicht wieder voll anknüpfen. Er starb 1897 in Chicago, wo es eine große tschechische Exil-Community gab, für die 1877 sogar ein eigener Tschechischen Nationalfriedhof eingerichtet worden war, auf dem Pecka dann auch beerdigt wurde.

Es gibt kein Anzeichen dafür, dass Pecka totalitäres kommunistisches Gedankengut vertrat, aber die Kommunisten, die 1948 die Macht in der Tschechoslowakei ergriffen, sahen in ihm ein Teil des „progressiven“ Traditionsbestandes und vereinnahmten ihn einfach. Also wurde eine Gedenkplakette am Schlick Palast am Pohořelec 111/25 im Burgbezirk angebracht, dort wo Pecka geboren wurde. Die Aufschrift lautet: „In diesem Haus wurde am 19. Januar 1849 Josef Boleslav Pecka, einer der ersten Vorkämpfer des Sozialismus, geboren. Er starb 1897 in Chicago.“ Die Plakette mit einem kleinen Portraitmedaillon gestaltete der Bildhauer und Keramiker Václav Vokálek, immerhin ein Schüler des bedeutenden Josef Václav Myslbek (dem wir die Reiterstatue des Heiligen Wenzel auf dem Wenzelsplatz verdanken) und des ebenso bedeutenden Jan Štursa. Vokálek hatte schon vor den Zweiten Weltkrieg eine größere, auch internationale Bekanntheit erreicht, und blieb auch in kommunistischen Zeiten gefragt und nahm führend bei der Gestaltung der großen Prager Ausstellung zum 40. Gründungstag der Kommunistischen Partei 1961 teil. In den 1960er Jahren dürfte auch die Gedenkplatte für Pecka entstanden sein – handwerklich solide, aber nicht von den Vorgaben des biederen Sozialistischen Realismus abweichend. (DD)

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