- Hans Weber
- November 1, 2024
Stausee mit Freizeitwert
Der Hostivař Staudamm (Hostivařská přehrada) liegt mitten in einem Naturschutz– und Ausflugsgebiet. Und es hat, dank des Freibades, noch einen hohen Freizeitwert dazu. Was will man mehr?
Wandert man von dem Stadtteil Hostivař hin zum Stausee (man kann natürlich auf von anderen Ortschaften hierher kommen), geht man eine zeitlang an einem der schönsten und idyllischsten Teile des kleinen Moldaunebenflusses Botič vorbei. Wegen seines kurvenreichen Flusslaufs an dieser Stelle nennt am den Abschnitt auch Mäander (Meandr) – so benannt nach der Bezeichnung für eine bestimmte Form fortlaufender Ornamente. Nach rechts kann man hochsteigen zu einer alten keltischen Wallanlage (wir berichteten hier) oder man geht den sehr ebenerdigen Weg einige Meter weiter, um vor dem Staudamm zu stehen.
Dort wo heute der Stausee ist, setzte sich eigentlich der Mäander fort und seit 1734 stand hier die Mouchův mlýn (Fliegen-Mühle), die bis auf die (nunmehr unter Wasser liegenden) Fundamente abgerissen wirde, als der Staudamm in den frühen 1960ern gebaut wurde. Schon ab 1906 hatte es immer wieder Pläne für die Aufstauung des Botič an dieser Stelle gegeben, die aber in nur vier kleinere Schwimmbecken mündeten. 1924 baute 1919 der gegründete Fußballverein SK Hostivař ein etwas größeres Schwimmbad, das jedoch bereits ein Jahr später von einem Hochwasser zerstört wurde. 1950 baute hier der örtliche Turnerverband Sokol ein noch größeres Bad mit einer 50m-Bahn und zwei kleineren Becken, dass aber ebenfalls mit dem Bau des Staudamms verschwand. Nicht zuletzt wegen der vielen Hochwasser fasste man 1958 nämlich den Beschluss, zur Regulierung einen richtig großen Staudamm zu bauen.
Als der Bau in den Jahre 1961-63 durchgeführt wurde (die Auffüllung erfolgte 1964) plante man mehr als nur eine verbesserte Hochwasserregulierung. Mit dem 13m hohen und 110m langen Damm wollte man die Wasserkraft für die Gewinnung von Elektrizität gewinnen und baute ein kleines Wasserkraftwerk (Bild oberhalb rechts), dessen Abflusstunnel heute noch an den originalen Staudamm erinnert, bevor 2021 bis 2023 eine völlige Neukonstuktion des Staudamms erfolgte. Zum anderen wollte man die Landschaft, die durch den Bau etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde, und den Wert des Areals für die Ausflügler der nahen Siedlungsgebiete erhöhen.
An den Hügel neben dem See wurden etwa 240ha neu aufgeforstet. Um den ganzen Stausee wurden bequeme Wanderwege gelegt. Auch wenn die Landschaft nicht mehr wie der alte Flussmäander aussah, war die Sache für Spaziergänger äußerst attraktiv und auch landschaftlich schön. Immerhin hatte man nun Prags größtes Gewässer vor sich – 2,5km lang, bis 400m breit, mit einer Fläche von 42ha und einem Volumen von 1.845.000 m³. In leichten Kurven kann man von Hostivař zum benachbarten Ort Petrovice wandern. Neben guter Busanbindungen betrieb man mit dem Motorkatamaran Želva II. in den 1970er Jahren sogar einen Bootsverkehr, der allerdings inzwischen eingestellt worden ist.
Die eigentliche Attraktion wurde jedoch das große Schwimmbad, das in der Nähe des Damms gebaut wurde. Es ist mehr als ein Bad. Es verfügt über einen Sandstrand (!), verschiedenen Möglichkeiten sich Erfrischungsgetränke und Speisen zu sich zu nehmen, einen FKK-Strand, Kinderspielplätze, Bootsverleih, Tennis- und andere Sportmöglichkeiten, aufblasbare Rutschen, Trampoline und auch sonst alles, was man sich so von einem Freizeitbad erwarten kann. Sogar eine Bühne für Konzerte und andere Veranstaltungen gibt es. Angeblich soll die Anlage bis zu 15.000 Menschen fassen. Im Bild links sieht man davon wenig, weil die Aufnahme im Frühjahr entstand, als das Bad noch geschlossen war. Aber um so mehr kann man die Riesendimensionen erkennen.
Der Botič ist nicht der einzige Bach, der den Stausee speist. Von Osten her mündet der Hájecká potok (Háje Bach) in das Gewässer – nach wenig mehr als einem halben Kilometer, den er vom Stadtteil Háje zurücklegt, einer großen Plattenbausiedlung. Kurz vor der Einmündung hat man ein landschaftlich gut eingepasstes Rückhaltebecken (Bild rechts) angelegt, um das Wasser zum Stausee zu regulieren und ggf. auf Wasserreinheit zu überprüfen.
Ab und an muss der Hostivař Stausee mal gründlich überholt werden. 2010 ließ man das Wasser komplett ab, weil die Wasserqualität zu schlecht war. Insgesamt 198.000 m³ Sediment wurde abgetragen und weggeschafft. Die Arbeiten dazu wurden erst 2012 fertiggestellt. Im Jahre 2021 wurde wiederum mit Verbesserungsarbeiten am Damm selbst begonnen. Das ganze Gebäude wurde überholt, der Gehweg verbessert und neue Beleuchtungen angebracht. Alles im Namen der Sicherheit, Vor allem wurde aber links am Stauseerand eine große Überlaufrinne angebracht, die das Äußere des Damms stark verändert hat, und der Verbesserung der Hochwassersituation unterhalb des Stausses verbessert. Die Arbeiten wurden 2023 beendet.
Der Staudamm hat auf jeden Fall die, angesichts der überraschend volatile Hochwassersituation des Botič jedenfalls gut in den griff bekommen und hat zudem ein kleines Freizeitparadies geschaffen. Während er die Sicherheit der Bürger talabwärts garantierte, musste einmal selbst um seine Sicherheit fürchten. Am 2. Juni 1990 explodierte auf dem Altstädter Ring eine Rohrbombe, die 18 Menschen verletzte. Die Täter wurden nie gefasst, man vermutet aber, dass es entweder ehemalige Mitarbeiter der Staatsicherheit, die den zu dieser Zeit stattfindenden Wandel von der kommunistischen Tyrannei zur Demokratie verhindern wollten, oder psychisch Kranke (was sich beides nicht ausschließt) Zwei Monate später, am 2. August würde eine zweite Rohrbombe gleicher Bauart am Hostivař Staudamm gezündet. Gottseidank kam niemand zu Schaden und der Staudamm überstand das Attentat souverän. (DD)
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