- Hans Weber
- November 1, 2024
Švejkscher Humor bevor es Švejk gab…
Das ist schon so etwas wie der gute Soldat Švejk noch bevor es den Švejk überhaupt gab. Oder gab es den Soldaten Švejk im eigentlichen Sinn etwa immer schon? Steckt etwa in jedem böhmischen Soldaten ein kleiner Švejk?
Jedenfalls haben die putzigen Sgraffiti auf der Fassade des dreistöckigen Wohnhauses in Ostrovní 1707/14 in ihrem Sinn für das Karikaturenhafte, gepaart mit einem gewissen Unernst gegenüber soldatischem Drill schon auf den ersten Blick etwas gemein mit den von Josef Lada angefertigten originalen Illustrationen zu Jaroslav Hašeks Schelmenroman vom guten Soldaten Švejk. Nur, dass der erste Band des Roman mit Ladas köstlichen Zeichnungen 1921 erschien (nachdem es schon erste Versuche mit dem Charakter 1912 – den Ur-Schwejk sozusagen – gegeben hatte). Und das, was wir hier sehen, stammt aus dem Jahre 1890. Da war der Autor des Švejk gerade einmal sieben Jahre alt.
Was ist der Hintergrund dieser witzig gehaltenen soldatischen Motive? Nun, das Haus, das nach den Plänen des Architekten Architekt Čeněk Štraybl (über den ich nichts herausfand, außer dass er noch dieses Gebäude gebaut hat) ersetzte ein zuvor dort befindliches militärisch genutztes Gebäude. An der Stelle stand nämlich ein Werbungs- und Rekrutierungsbüro der Österreichischen Armee. Die wurde übrigens im selben Jahr 1890 im Sinne der Reichseinheit Kakaniens mit der Ungarischen Armee zu einer Gemeinsamen Armee zusammengelegt. Ob das Verschwinden des Rekrutierungsbüros etwas damit zu tun hatte, weiß ich nicht, aber es verschwanden Ende des 19. Jahrhundert sowieso und unabhängig davon alle militärischen Einrichtungen (meist Kasernen, Soldatenfriedhöfe oder Militärhospitäler) aus dem Innenstadtbereich Prags.
Wie dem auch sei: Beim Neubau wurde der militärischen Vergangenheit des Hauses jedenfalls sichtbar gedacht. Und zwar auf witzige Art, wie man auf dem großen Bild oben sieht. Die vor dem Essenfassen wartenden Soldaten der k.u.k.-Armee, die von ihrem Offizier lächelnd betrachtet werden, sind offenbar guter Stimmung und mehr am leiblichen Wohl, denn am Kampfeinsatz interessiert. Selbst ab und an notwendige Disziplinierungen (Hiebe auf den Hintern), werden, wie das kleine Bild links zeigt), allenfalls von dem Betroffenen unangenehm aufgenommen. Die Offizieren sehen das Leben weiterhin von der leichten Seite und schäkern mit den Mädels herum…
Das ist schon große Kunst. Kein Wunder, denn man hatte für die Gestaltung der Sgraffiti ja auch einen großen Künstler gewonnen, nämlich keinen Geringeren als Mikoláš Aleš (frühere Beiträge u.a. hier und hier). Der galt als einer der großen Historienmaler seiner Zeit. Normalerweise ging es dabei sehr ernst und pathosgeladen zu. Hier lernt man ihn von seiner ungewohnt heiteren Seite kennen. Ausgeführt wurden die Bilder nach seinen Entwürfen von dem damals benfalls recht bekannten Maler Josef Bosáček.
Man muss sich das Ganze näher anschauen, um noch mehr Witziges zu finden. Man nehme die (links im Fries befindliche) Anfangsszene, in der ein potentieller Rekrut das Heim der Eltern verlässt. Ganz klar ging der Künstler dabei von der Vermutung aus, dass nur naive Landeier sich überhaupt in den Wehrdienst hineinbugsieren ließen. Auch findet sich, wie das Bild oberhalb rechts zeigt, ein Panorama von österreichischen Soldaten aus allerlei Zeiten (aktuell, napoleonische Kriege, 17. Jahrhundert), die hier irgendwie zusammen dienen.
Der Gang durch die Zeiten wird oberhalb zwischen den Fenstern des ersten Stocks fortgesetzt, wo man fünf große Tafeln mit einzelnen Darstellungen von Offizieren bewundern kann. Auf dem Bild rechts von links oben nach rechts unten: Ein Husar aus der Zeit Maria Theresias (Mitte des 18. Jahrhunderts), ein Dragoner aus der Zeit der Napoleonischen Kriege (um 1813), ein Ulan aus dem österreichisch-preußischen Krieg von 1866, ein Jäger aus der gleichen Zeit und ein Kürassier, wiederum aus der Zeit von Mara Theresia.
Schmale Sgraffiti an den Seiten des Hauses mit (ausnahmsweise recht konventionell dargestellten) Militärtrophäen ergänzen das Ganze.
Kurz: Das hübsche, aber an sich eher unscheinbare Neo-Renaissance-Haus Straybls wurde durch die karikaturenhaften Darstellungen von Mikoláš Aleš in ein humorvolles Gebäude mit Erlebniswert verwandelt – ein Soldatenpanoptikum, bei dem man die große Zeit des guten Soldaten Švejk schon am Horizont der Zeit erahnen kann. (DD)
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