Tragischer Irrtum

Als am 14. Februar 1945 – heute vor 78 Jahren – in Prag die Sirenen heulten, blieben die meisten Bewohner gelassen. Es hatte hier kaum Luftangriffe gegeben, wohl aber recht viele Fehlalarme. Die meisten Menschen meinten, sie müssten nicht in einen Luftschutzkeller flüchten. Doch diesmal war der Alarm echt. Und die Katastrophe nahm ihren Lauf.

Und die Katastrophe war ungeplant. Die Bombardierung von Prag durch amerikanische Bomber war eigentlich eine Serie von Pannen mit schrecklichen Folgen für die Stadt. Was war geschehen? Am Abend zuvor hatte die Bombardierung von Dresden begonnen. Die 62 Bomber vom Typ B17 der Eighth Air Force, die früh am Morgen gestartet waren, sollten an diesem Angriff teilnehmen. Schon kurz nach dem Start in den England kam die Staffel wegen widriger Wetterbedingungen vom Kurs ab und flog zu weit südöstlich. Kaum in den deutschen Luftraum eingedrungen, fiel das Radar des Hauptflugzeugs aus. Als man aus 9 Kilometer Höhe endlich eine größere Stadt erblickte, war man sich nicht sicher, ob man sich wirklich über Dresden befand oder möglicherweise über Pilsen, das aber als Ersatzziel geplant war, falls der Sprit nicht bis Dresden reichte. Spätere Untersuchungen ergaben, dass die Bombercrews nicht ahnten, dass sie sich über Prag befanden.

Der Angriff dauerte nur von 12.25 Uhr und 12.27 Uhr. Die Bilanz: 701 Tote, 1400 Verletzte, 68 völlig zerstörte Häuser, unzählige mehr schwer beschädigt. Auch wichtige Kulturstätten wurden in Mitleidenschaft gezogen. Schwer beschädigt wurde das gotische Emmaus-Kloster (auch hier). Und besonders grotesk: Die große Synagoge von Vinohrady, die von den Nazi noch nicht zerstört worden war, wurde ebenfalls zur Ruine bombardiert (siehe hier). Auch wurde die Erinnerung danach immer wieder schmerzlich zurückgeholt. Noch 1971 fand man bei Bauarbeiten 23 Leichen von Vermissten, die bei dem Bombenangriff in einem Keller verschüttet wurden und dort wohl erstickt waren.

Dem Angriff folgten lange Propaganda-Schlachten. Zuerst schlachteten die Nazis den Fall aus, um die besetzten Tschechen gegen ihre mutmaßlichen Befreier aufzuwiegeln. Kommunisten nutzten später den Bombenangriff aus, um den Klassenfeind im Westen zu diffamieren. Die Amerikaner hätten mit Absicht einen Terrorangriff lanciert. Dieser Meinung schließen sich die meisten Historiker natürlich nicht an. Für die amerikansiche Strategie hätte es keinen Sinn ergeben, ein von Nazis geschundenes Volk, das man als Verbündeten sah, zu terrorisieren. Zudem wurden keine strategisch relevanten Ziele bombardiert. Die waren Ziel der wenigen – fast nur in Außenbezirken stattfindenden – tatsächlich geplanten Luftangriffe auf Prag gewesen, die es gab. Etwa der Angriff auf ein Kraftwerk in Holešovice im November 1944 oder der Großangriff auf (kriegswichtige) Maschinenwerke in Kbelý im März 1945.

Aber das spendet keinen Trost. Vielleicht macht die Tatsache, dass das Ganze auf einem Navigationsfehler und techniuschen Pannen beruhte, die Sache für die Hinterbliebenen noch tragischer und sinnloser. Jedenfalls wird der Opfer immer wieder gedacht. Im Februar 2015 wurde durch den Rat von Prag 2 am Karlsplatz (Karlovo náměstí 500/37) die Denkmal für die Opfer der Bombardierung Prags (Památce obětí leteckého bombardování Prahy) eingeweiht, die wir oben sehen. Gestaltet wurde sie von dem Bildhauer Petr Císařovský. Die Gedenkplakette ist bewusst sehr schlicht gehalten. Es handelt sich um eine Stahlplatte, auf der sich 701 Kreuze befinden – die Zahl der Opfer des Angriffs. Darüber befinden sich Zeilen des von den Nazis 1945 ermordeten Schriftstellers und Malers Josef Čapek (wir berichteten hier): „Není zlých pravd, ale jsou zlé skutečnosti“ (Es gibt keine schlechten Wahrheiten, aber es gibt schlechte Wirklichkeiten). (DD)

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