Tunnelverwaltung und Geheimtipp für die Freunde des Brutalismus

Direkt vor dem großen Stadion Strahov (Velký strahovský stadion) im Stadtteil Břevnov findet man eines der Meisterwerke der Architektur des Brutalismus in Prag. Es ist das Gebäude der Tunnelverwaltung TSK (Budova správy tunelů TSK) in der Šermířská 2335/11.

Den Tunnel, über den es wacht, sieht man natürlich und naturgemäß nicht, weil er sich tief unter der Erde im Inneren des Berges befindet, auf dem das Gebäude steht. Das kühn mit Rohbeton, emaillierten Kacheln, Aluminiumrahlen und blau/grau getöntem Glas konstruierte Gebäude wurde in den Jahren 1980 bis 1981 nach den Entwürfen des Architekten Jiří Trnka, dem Sohn des ungleich bekannteren gleichnamigen, Malers, Bildhauers und Trickfilmregisseurs, erbaut. Der wiederum ist unter anderem durch den Bau der Metro-Station am Prager Hauptbahnhof bekannt geworden, die im Jahr 1974 eröffnet wurde.

Zu dieser Zeit hatte man mit der Umsetzung des Plans für den Bau des Strahov Tunnels (Strahovský tunel) begonnen, der als schnelle Umfahrungsmöglichkeit die enge Innenstadt vom Autoverkehr entlasten sollte. 1979 hatte man mit einem ersten Erkundungsstollen begonnen und 1985 fingen die eigentlichen Bauarbeiten am Tunnel an. Die dauerten dann bis zum Jahr 1997.

Im Bild links sieht man die Einfahrten des Tunnels für die beiden Fahrtrichtungen von der Smíchover Seite aus. Mit seinen 2004 Meter Länge ist er immer noch der längste seiner Art in ganz Tschechien. Als er geplant wurde, herrschte noch der Kalte Krieg und die Menschen hatten Angst vor dem Atomkrieg. Deshalb bekam der Tunnel so dicke beweglich schließbare Stahltüren für den Notfall, dass er zum Atombunker umfunktioniert werden konnte, der Platz für 15.000 Menschen mit einer maximalen Aufenthaltsdauer von 72 Stunden samt Nahrungs- und Wasserversorgung bietet.

Der atomare Notfall trat gottlob nie ein. Stattdessen wurde der Tunnelverkehr mit immer moderner Videotechnik ordentlich überwacht, die Anlage gut instandgehalten, der Abgasgehalt gemessen und kontrolliert und sowieso alles gut und ordentlich verwaltet. Und das tat man eben in dem schönen brutalistischen Verwaltungsgebäude vor dem Stadion. Hier zog 1980 bereits die Technische Straßenverwaltung (Technická správa komunikací, TSK) der Stadt Prag ein, die damals (genauer: ab 1977) den Prager Verkehrsbetrieben unterstand und heute immer noch hier, aber als stadteigene Aktiengesellschaft (ab 2014) residiert.

Das Verwaltungsgebäude, das von Brutalismus-Kennern manchmal liebevoll Raumschiff (kosmická loď) bezeichnet wird, ist aus vielschichtigen geometrischen Elementen komplex zusammengesetzt. Verschachtelt angesetzte Treppenaufgänge und Ummauerungen tun das Übrige, das Ganze optisch sehr abwechslungsreich erscheinen zu lassen. Da es noch vollumfänglich genutzt wird, bestehen auch keine Pläne, es abzureißen, wie es mit dem recht ähnlich und bedeutsamen Transgas-Gebäude in Vinohrady geschah (wir berichteten hier). Es scheint hier nicht einmal ein Streit darüber zu bestehen, ob man es entweder unter Denkmalschutz stellen oder abreißen soll. Es bleibt einfach, wie es ist.

Das ist gut so, denn letztlich ist das Gebäude ein Teil eines Ensembles, das man nicht zerstören darf. Zu diesem gehören noch zwei kleinere Nebengebäude und vor allem der Ventilationsturm des Tunnels, der neben einigen kleineren Luftschächten für die Belüftung des Tunnels sorgt. Der steht auf dem Vorplatz, den sich das Gebäude und das Stadion teilen. Ganze 48 Meter hoch ist er und drinnen sorgen 11 große Turbinen für die propere Entlüftung des von Abgas geschwängerten Tunnels. Vollendet wurde er schon 1990 und ist in seiner Eleganz seither so etwas wie ein Architekturdenkmal eigener Art geworden. Zusammen mit dem Stadion, das an dieser Seite ebenfalls in den 1970er Jahren brutalistisch umgestaltet wurde, hat man hier an diesem Ort ein Ensemble von Bauten, das als großer Geheimtipp für die wachsende Zahl der Brutalismus-Fans empfohlen werden darf. (DD)

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