Überreste eines Landgutes – Ahoj aus Prag!

Man tritt ein und über einem eröffnet sich diese wunderbare Decke im Stil der Neorenaissance. Man ist eingestimmt aus das Café Savoy (Kavárna Savoy), das von sich behauptet, den Standard Wiener Kaffeehäuser zu erreichen (man ist schließlich hier in Kakanien). Und das sogar mit Recht.

Gelegen ist es in der Vítězná 124/5 auf der Kleinseite (Prag 5) direkt hinter der Brücke der Legionen (Most Legii) auf dem linken Moldauufer. Das dreistöckige Gebäude, in dem es förmlich residiert, ist schon von außen und für sich genommen beeindruckend. Unzählige Male fuhr man mit der Straßenbahn vorbei und bewunderte die schöne Stuckfassade im Erdgeschoß und den Blick in die Fenster, wo man die Bar erkennen konnte. Irgendwann musste man mal hineingehen, um dann nicht enttäuscht zu werden. Das Innere hält, was das Äußere verspricht, und zwar schon seit 1893, als das von dem Architekten Lazar Kraus geplante Haus, in dessen oberen Stockwerken sich Wohnungen befinden, fertiggestellt wurde.

Kaum, dass man sich einen Status als gehobenes Café und Restaurant verdient hatte, kam Unheil am Horizont auf. Während der Hungerzeiten des Ersten Weltkriegs wurden an Stelle des Cafés hier nun Lebensmittelläden, darunter eine Metzgerei, einquartiert. Das tat den Räumlichkeiten nicht wirklich gut, aber nach dem Krieg ging es – wieder als Café – bergauf.

Bis 1948 die Kommunisten die Macht ergriffen. Die enteigneten das Gebäude und funktionierten es in ein Rekrutierungsbüro für die Polizei um. Die Wand- und Deckenmalereien wurden brutal mit Gips überdeckt. Teile der Stuckarbeiten wurden zerstört. Ein Trauerspiel. Ein Akt der Barbarei. Den Kommunismus erledigte gottlob die Samtene Revolution von 1989. Die Polizei verschwand aus den Räumlichkeiten und es wurde bald wieder ein Restaurant im Gebäude betrieben.

Dem fehlte wohl das Kapital zur Grundrenovierung und das Ganze schien kaum mehr als eine etwas verräucherte Hospoda. 2001 wurde Nägel mit Köpfen gemacht und eine große und sicher sehr teuere Renovierung und Restauration des Lokals begonnen. Als das abgeschlossen war, übernahm 2004 die Ambiente Gruppe, die keine Restaurantkette mit einheitlichem Design und Angebot ist, sondern individuelle Restaurants mit Qualitätsanspruch betreibt, das Ganze. Gemanagt wird das Savoy, das seither überhaupt erst so heißt (!), nunmehr von Geschäftsführer Jakub Kišš.

Aber die Reputation des Hauses liegt natürlich in den Händen von Chefkoch František Skopec. Der sorgt nicht nur für die hausgemachten Konditoreiwaren – herrliche Kuchen, Torten und Törtchen, sondern auch dafür, dass vor allem Kunden aus umliegenden Büros hier ein Frühstück und ein (schnell serviertes) Mittagsmahl der gehobenen Stufe einnehmen können. Ein Beispiel dafür ist dieses ungeheuer frisch zubereitete Pasta-Gericht von der Mittagskarte im Bild links. Das kulinarische Angebot reicht gehoben-tschechisch bis international.

Und wer schon gut essen muss, soll wenigstens nicht schlecht trinken. Ein Haus mit diesem Anspruch verfügt selbstredend auch über einen Sommelier. Der heißt Ondřej Pěnička und sorgt für eine sehr weitgefächerte Weinliste, die internationale (darunter auch welche aus unterschätzten Ländern wie der Schweiz) und gute tschechische Weine umfasst. Und auch die Bar (Bild rechts) kann sich sehen lassen. Ein paar mehr Biersorten (vor allem von Kleinbrauereien) stünde einer tschechischen Variante des Wiener Kaffeehauses besser zu Gesicht, aber eigentlich ist einem hier sowieso mehr nach Wein.

Und man muss natürlich noch ein Wort zur Inneneinrichtung verlieren. Dank der satten sieben Meter Deckenhöhe kommen die restaurierten Deckengemälde erst so richtig zur Geltung. Außerdem lässt sie im linken Teil (vom Eingang aus gesehen) Platz für eine schöne Empore, wo ein Teil der Gäste einen erhöhten Ausblick genießen kann. Dort oben kann man auch die Malereien und die Stuckarbeiten näher bewundern. Im unteren Teil der Empore befindet sich die Konditorei mit ihrem köstlichen Kuchenbuffet. Das gehörte wohl nicht zur Original-Einrichtung von 1893, ist aber geschmackvoll eingepasst.

Überhaupt hat man bei der Inneneinrichtung geschmackvoll Altes und Neues kombiniert. Es ist alles so, wie man sich es von einem Kaffeehaus erwartet von den feinen Thonet-Holzstühlen zu den kleinen Marmortischen. Die neue illuminierte Regalwand mit der Zurschaustellung des Weinangebots (rechts) im rechten Flügel des Cafés mag modern sein, passt aber. Ja, unter Touristen mag das Savoy nicht so bekannt sein wie etwa das Café Louvre oder das Slavia (die sich beide in der Nähe, aber auf der anderen Flussseite befinden). Aber es hat mindestens denselben, wenn nicht sogar den echteren Prager Kaffeehaus-Flair. Und dass mehr Prager als Touristen es kennen, heißt nicht, dass man auf eine Reservierung verzichten kann. Die ist nämlich dringend empfohlen. (DD)

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