Unauffälliges, aber bedeutendes technisches Kulturdenkmal

Dass diese Brücke etwas Besonderes sein soll, merkt man auf den ersten Blick nicht so recht. Aber sie ist eine technische Erstleistung von Rang! Es handelt sich nämlich um die erste Betonbrücke für den Straßenverkehr nicht nur in ganz Prag, sondern in ganz Tschechien (damals noch Böhmen). Kaum einer der unzähligen Autofahrer, die täglich hier herüberfahren, ist sich dessen bewusst, das er sein Fahrzeug über ein Industriedenkmal rollt.

Die Brücke befindet sich im Stadtteil Libeň (Prag 8) und quert die Rokytka, einen kleinen Nebenfluss der Moldau. Die Straße, die darüber führt, heißt heute Zenklova und ist benannt nach Petr Zenkl, einem bedeutenden Politiker der Ersten Republik, zeitweisen Bürgermeister Prags und nach der kommunistischen Machtergreifung 1948 Anführer der Exilorganisation Council of Free Czechoslovakia. Damals, als die Brücke im Jahr 1896 gebaut wurde, hieß die Straße allerdings noch Primátorská. Die Brücke hat eine Spannweite von 13,30 Metern, eine Höhe von 2,75 Meter und die Dicke des Bogens beträgt 0,95 Meter.

Es entsprach dem Modetrend der Zeit, dass man damals zu Ende des 19. Jahrhundert selbst modernste Technik, auf die man eigentlich stolz war, hinter einer historisierenden Fassade oder Außenerscheinung verstecken wollte. So auch hier. Es scheint eine typische Brücke der Zeit im Stil der Neorenaissance zu sein. Erst die Nahsicht lässt erahnen, dass man aber dennoch nicht einen der üblichen verputzten Steinbauten vor sich hat. Selbst das Geländer mit seinen typischen historisierenden Kegeln ist aus Beton gegossen. Auch die gusseiesernen Laternen lassen das Ganze altmodisch erscheinen. Die Brücke verdanken wir dem talentierten Architekten Antonín Los, der zuvor u.a. am Bau des Dresdner Bahnhofs mitgewirkt hatte und an etlichen Flussregulierungsprojekten führend beteiligt gewesen war.

Nur von der Ostseite kann man die Brücke noch in der altmodischen aussehenden Form bewundern, die sie ursprünglich hatte. 1945 (und teilweise wohl schon 1909) überbaute man den Flusslauf auf der westlichen Seite über eine Strecke von fast 100 Metern völlig, so dass die Rokytka hier für eine lange Strecke völlig verschwindet. Die westliche Seite der Brücke mit ihren Neorenaissance-Geländern verschwand so ebenfalls. Das mindert die Bedeutung dieses Kulturdenkmals nicht vollständig, weshalb man auch schon kurz nach Eröffnung stolz eine Gedenktafel am südlichen Teil des Geländers anbrachte, die noch einmal das technische Wunder deutlich herausstellte: „Die erste Betonstraßenbrücke in Böhmen. Entworfen für eine maximale Bewegungslast von 1000 kg/m2 und in 35 Tagen vom Ingenieur Antonín Los, Ingenieur, Baumeister und Landvermesser, gebaut. 28.09.1896“

Trotzdem ist die Überbauung des Flusses und die damit verbundene Minderung der Brücke kulturhistorisch suboptimal. Die Stadtteilregierung ließ daher 2011 Pläne verlauten, dass eine Renovierung und Restaurierung des umgebenden Areals geplant sei. Im Mittelpunkt stehe dabei auch der sich hinter der Brücke befindliche (und im großen Bild oben sichtbare) Svět-Palast (Palác Svět), ein wichtiges Baudenkmal des frühen Funktionalismus in Prag aus den Jahren 1932/34, über das wir bereits hier berichteten. Dieses Gebäude sollte renoviert und der davor gelegene Elsnicovo náměstí (Elsnic Platz) verschönert werden, was – zwecks Auflockerung der dortigen Betonwüste – die Wiederfreilegung des Flusses und somit auch die Wiederherstellung der Brücke in alter Pracht sinnvoll erscheinen lässt. Die Pläne sind aber leider seither der Realsierung nicht näher gekommen, obwohl man in letzter Zeit ein paar zaghafte Renovierungsfortschritte am Palac Svět beobachten kann. Es besteht also Hoffnung, dass man die Brücke als technischen Pionierbau doch irgendwann wieder im authentischen Zustand zu Gesichte bekommt. (DD)

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