Es geschah wohl eher, weil sie hier hier leichter zu verteidigen waren, und nicht, wegen des atemberaubenden Ausblicks. Auf jeden Fall liegen viele vorgeschichtliche Burganlagen in großer Höhe zwischen pittoresken Felsenlandschaften. Eine davon ist die Burgwallanlage Hradiště Na Pišťáku.
Sie liegt unweit des Flusses Berounka, einem Nebenfluss der Moldau oberhalb des kleinen Städtchens Řevnice, das rund 20 Kilometer südwestlich der Prager Stadtmitte gelegen ist. Entfernt man sich ein wenig von Ort und Fluss in die dahinter liegenden Höhen, findet man wunderschön malerische Wanderwege, deren vorläufiges Highlight der Aussichtspunkt des Felsrückens Babka ist, von dem aus man vorab die umgebende Wald- und Berglandschaft bewundern kann. Dann muss man über nicht markierte und von den meisten Wanderkarten nur vage wiedergegebenen Pfaden sich unterhalb dieses Berges den Weg bahnen, um nach wenigen Minuten im Wald die Umrisse der vor Jahrtausenden aufgehäuften Erdwallanlagen zu erspähen.
Die Region um die Berounka war so etwas wie ein vorgeschichtlicher Siedlungsschwerpunkt, bevor das nördlicher gelegene Prag wohl das Rennen um den Metropolstatus klar gewann. Ein Beispiel für die Wallburgen in der Region stellten wir bereits hier vor. Die Hradiště Na Pišťáku wurde anscheinend schon von Mönch Cosmas, dem berühmtesten der mittelalterlichen böhmischen Chronisten, in seiner im frühen 12. Jahrhundert verfassten Chronica Boemorum (Chronik der Böhmen) als eine Grenzfestung eines frühen slawischen Herrschaftsbereichs erwähnt. Aber in diesen Zeiten hatte die Anlage, deren aufgeschütteten Wälle sich lange über den Bergrücken erstrecken (Bild oberhalb rechts), schon sehr, sehr viel Geschichte auf dem Buckel.
Das kam im Jahre 1930 so richtig ans Licht, als Emanuel Šimek, einer der großen Archäologen und Geographen des Landes, hier erstmals systematische Ausgrabungen durchführte. Er fand Keramikreste, die auf eine Besiedlung des Ortes in der Jungsteinzeit (4200 bis 2000 v. Chr.) hindeuteten, jenem Zeitalter, in dem die Menschen in der Region überhaupt zum ersten Mal sesshaft wurden. Auf Funde aus der Spätbronzezeit (1200 bis 750 v. Chr.) und der Hallstattkultur (750 bis 420 v. Chr.), die schon in die Zeit der Kelten hineinreicht, stieß man ebenfalls. Und natürlich fand man auch Gegenstände aus dem Frühmittelalter (ab 600 n. Chr.), also jener Zeit, über die der gute Cosmas schrieb. Das wurde auch bei einer neuerlichen Ausgrabungen im Jahr 2006 bestätigt.
Im Jahr 2008 übernahm die in Pilsen befindliche Westböhmische Universität (Západočeská univerzita) die Schirmherrschaft über den Fundort. Unter der Leitung von Daniel Stolz, einem Archälogen, der sich auf die Frühgeschichte der Region nahe der Berounka ein wenig spezialisert hat, wurde weitergegraben und systematisch das Gelände vermessen. Aber auch ohne das Studium der Vermessungsergebnisse ist für den Besucher die Anlage der Burg gut erkennbar. Auf der westlichen Seite, wo der Bergrücken spitz zuzulaufen beginnt, erkennt man noch die Wall-Graben-Anlage (Bild rechts), die als Eingang dient und wahrscheinlich durch hölzerne Wachtürme zusätzlich geschützt war. Hierhin ist der Aufstieg auch noch nicht sonderlich steil.
Aber schon die Südseite stellt sich als steiler und felsiger Abgrund dar, den der potentielle Feind und Eroberer wohl nur schwer bewältigen konnte. Rund 100 Meter Höhenunterschied hätte er fast senkrecht unten vom Bach Moklický heraufklettern müssen – und das mit schwerer Bewaffnung. Man hatte sich etwas gedacht bei der Wahl des Ortes, der eine Aret natürliche Festung bildete. Von der Abbruchkante oben (Bild links) aus kann man schon die schöne Landschaft genießen. Die Wall-Graben-Anlage riegelte also hauptsächlich den gut zu Fuß erreichbaren Teil ab. Das erleichterte im Ernstfall die Verteidigung des Ganzen. Aber auch dort, wo die Natur durch die steilen Bergmassen die Anlage schützte, überließ man die Sache nicht ganz der Natur.
Tatsächlich, so fanden die Archäologen heraus, gab es drei Wallringe mit Erdaufschüttungen und Palisaden, die ein Feind hätte überwältigen müssen. Man wollte wohl auf jeden schlimmsten Ernstfall vorbereitet sein. Ob der je kam, weiß man nicht. Funde, die auf eine Eroberung hinweisen, gab es wohl nicht. Anscheinend schreckte die schiere Verteidigungsfähigkeit der Burganlage in der langen, sich über Jahrtausende erstreckende Nutzungszeit alle möglichen Eindringlinge von vornherein ab. Dort, wo man am sichersten war, nämlich am äußersten Ende des Bergrückens, wo es zu beiden Seiten besonders steil bergab geht, hat man heute einen kleinen Aussichtspunkt mit Sitzbank eingerichtet. Denn hier ist die Aussicht am grandiostesten. Man sieht im Bild rechts, wie Lady Edith den Ausblick, der sich ihr hier bietet, genießt. man kann den alten Jungsteinzeit-Menschen nur dankbar sein, dass sie dereinst diesen Ort als Festung wählten. (DD)