- Hans Weber
- December 18, 2024
Unter dem Schutz des Heiligen Antonius
In der schönen barocken Kartusche sieht man den Heiligen Antonius von Padua mit dem Jesuskind – passend zum 13. Juni, dem heutigen Gedenktag III. Klasse für den Heiligen. Als Schutzpatron ist der Heilige so etwas wie eine Allzweckwaffe, die etwa Pferden, Schiffbrüchigen, Liebenden, Bergleuten, Schweinehirten und unzähligen anderen seinen Schutz gewährt.
Die Kartusche mit dem dereinst von keinem geringeren als Wilhelm Busch in Gedichtform gebrachten Heiligen befindet sich über dem Eingang des Hauses zum Künzl (dům U Kynzlů) in der Míšeňská 70/4 auf der Prager Kleinseite. Die Míšeňská ist etwas besonderes. Bis 1708 befand sich hier der sogenannte Thuner Gartens (Thunovská zahrada), ein Park, der nun aufgelöst und in Parzellen aufgeteilt wurde. Darob wurde in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum hier neue und deshalb auch stilistisch recht einheitliche Häuser gebaut. Und so ist die Míšeňská die einzige Straße in Prag, in der sich auch heute noch ausschließlich barocke Häuser des frühen 18. Jahrhunderts befinden. Das macht sie beliebt für entsprechende Historienfilme und so war die Straße auch u.a. einer der Drehorte für den 1984 gedrehten weltbekannten Mozart-Film Amadeus des tschechisch-amerikanischen Regisseurs Miloš Forman.
Zurück zum Haus mit der Nummer 70/4. Die Landparzelle wurde also 1708 an einen Inspektor der Reichsgüter namens Maximilian Wend verkauft. Nach dessen Tod 1736 verkaufte die Witwe es für 1200 Goldmünzen an einen gewissen Michael Thurward, der dann in den Jahren 1736 bis 1744 dieses hübsche und reich dekorierte einstöckige Barockhaus für sich baute, dass dann 1792 für 2050 Goldmünzen an einen gewissen Ignaz Künzl ging, der dann – obwohl er es nicht erbaut hatte – zum Namensgeber dees Hauses wurde. Zu den späteren Besitzern gehört ab 1898 der Verleger Karl Reyle, der in diesem Jahr hier eine Druckerei einrichtet. Der Besitzer floh 1938 vor den Nazis nach Argentinien und danach übernahm die Firma Jánský a Navrátil, die Druckerei, die 1949 von den Kommunisten verstaatlicht wurde. 1956 wird hier die Elektrofirma Remos (spezialisiert auf Kleinherde) einquartiert, die hier zeitweise 18 Personen für die Herstellung von Elektrokleinteilen beschäftigt.
Über alle diese verschiedenen Entwicklungen und Nutzungen wurde das Gebäude natürlich auch immer wieder umgebaut und erneuert, wenngleich das Äußere immer seinen barocken Urcharakter beibehielt. Innen wurden Ende des 19. Jahrhunderts kleiner Hoftrakte errichtet und 1886 wurde das Treppenhaus umgebaut. Und 1920 wurde das Obergeschoss grundlegend verändert, aber auch hier wurde auf stilgerechtes Bauen wertgelegt (man beachte das moderne, auf Barockkunst anspielende Gottesauge im Bild links).
Nach dem Ende des Kommunismus wurden hier keine Elektrogeräte mehr gebastelt. Es wurde renoviert und in den Jahren 2004 wurde 2006 wurde das gesamte Gebäude noch einmal einem umfangreichen Umbau unterzogen, der durch das Atelier RUA unter der Leitung der Architekin Hana Seho gestaltet wurde. Heute residiert hier vor allem das Café und Restaurant Tři století (Drei Jahrhunderte), das urgemütlich aussieht und solide internationale und tschechische Cuisine anbietet, und das irgendwie unter dem Schutz des heiligen Antonius zu stehen scheint. (DD)
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