- Hans Weber
- December 18, 2024
Vom Kräutergarten zum Freizeitort
Wir befinden uns ganz nahe beim Touristen-Hotspot Wenzelsplatz (Václavské náměstí) oder der vielbefahrenen Vodičkova. Aber weil er nur durch recht kleine Durchgänge oder Passagen erreichbar ist, hat sich der Franziskanergarten (Františkánská zahrada) ein wenig vom Charakter einer Ruheoase bewahrt.
Der Name allein suggeriert bereits, wer die Namensgeber der fast quadratischen Garten- und Parkanlage waren. Das hängt wiederum mit der großen Kirche, an die der Garten grenzt. Ursprünglich war die gotische Kirche St. Maria Schnee (Kostel Panny Marie Sněžné), über die wir bereits hier berichteten, von Kaiser Karl IV. 1348 als Teil eines Klosters des Karmeliterordens geplant. Das wurde nicht so recht fertig und im 15. Jahrhundert predigten hier stattdessen Hussiten, die von hier aus 1419 den Ersten Prager Fenstersturz organisierten. 1603 begann hier wieder richtiges Klosterleben als die Franziskaner einzogen. Und auf die geht auch der Garten zurück. Als die Mönche ihn anlegten, dachten sie noch nicht unbedingt an Ruhe suchende Touristen. Obwohl anscheinend schon im 17. Jahrhundert sehr formal-barock gestaltet, diente das Ganze doch als ein Nutzobjekt, nämlich als Obst- und Kräutergarten. Der Anbau von Heilkräutern unterstützte die karitative Arbeit der Mönche.
Die Mönche betrieben in Nebengebäuden der Kirche unter anderem eine Klosterapotheke. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in der Mitte der Anlage ein kleiner Pavillon gebaut, dessen Inneres leider nicht öffentlich zugänglich ist, was schade ist, da sich drinnen wohl schöne barocke Deckenfresken befinden. Drumherum befindet sich tatsächlich noch ein kleiner Kräutergarten, der einen Eindruck vermittelt, wie es damals unter den Franziskanern war. Diese Nutzung hielt lange an, weshalb der Garten im Kern gut überlebte. Größeren Schaden richteten die deutschen Besatzer nach 1939 an. Während des Weltkriegs wurden hier nämlich große Wasserbecken für den Feuerschutz ausgehoben, was optisch doch recht nachteilig war. Erst 1985 schüttete man sie wieder zu.
Zu diesem Zeitpunkt war der Garten schon lange nicht mehr Privateigentum der Franziskaner. Unter dem Codenamen Aktion K hatten die Kommunisten, die 1948 die Macht ergriffen hatten, im Jahre 1950 begonnen, die Kirche zu verfolgen, Geistliche zu internieren und Klöster zu liquidieren. Das machte auch nicht vor den Franziskanern der Kirche Maria Schnee nicht halt, die brutal vertrieben wurden. Die Kommunisten öffneten noch im selben Jahr den Garten für die Öffentlichkeit. Nun konnte man den Garten für eine Rast oder als Durchgang, etwa vom Wenzelsplatz zum Jungmann-Platz, nutzen.
Anscheinend wurde er in dieser Zeit nicht so verschönert und/oder gepflegt, wie man es nun hätte erwarten sollen. Nach dem Ende des Kommunismus wurde er 1989 bis 1992 erst einmal geschlossen, um tiefgreifende Umbau- und Verschönerungsmaßnahmen durchzuführen. Die Franziskaner waren inzwischen restituiert worden und ins Kloster zurückgekehrt, aber der Garten sollte weiterhin öffentlich bleiben. Der Architekt Otakar Kuča (ein Gartenspezialist) und die Architektin Ivana Tichá realisierten ein Konzept, das Motive des alten formalen Barockgartens deutlich aufnahm, aber modern ergänzte. Alles wurde sehr geometrisch geordnet und es wurden viele Möglichkeiten geschaffen, im Schatten zu sitzen und den Anblick der Umgebung zu genießen. Dazu tragen insbesondere die bepflanzten Arkaden an den Seiten bei.
Vorsichtig ergänzt wurde die barocke Nachempfindung des Gartens durch einige passende Beispiele moderner Bildhauerkunst. So gibt es aus dieser Zeit einen Springsprunnen Der Junge mit der Muschel (Chlapec s mušlí) des Bildhauers Stanislav Hanzík. Bekannter ist die mysteriös wirkende Figurengruppe Die drei tanzenden Alraunen (Divoženky a Poletuchy) des Bildhauers Josef Klimeš, der die um einen Wasserbrunnen ergänzt wurden. Die Alraunen, eine Mischung von Pflanze und Sagenwesen, sind stabil konstruiert und werden gerne von kleinen Kindern als Spiel- und Klettergerät verwendet bzw. zweckentfremdet. Den Freizeitwert des Gartens, der auch von Einheimischen (und nicht nur Touristen) genossen wird, steigert das irgendwie.
Und im Jahre 2014 erfolgte sozusagen der „finishing touch“. An den beiden südlichen Eingängen des ummauerten Areals wurden zwei große metallene Türen angebracht. Auf ihnen erzählt der Bildhauer und Medailleur Petr Císařovský Etappen aus dem Leben des Heiligen Franziskus, dem Namensgeber des namensgebenden Ordens für den Garten. SIe sind zwar erkennbar modern, spielen aber – vor allem in der kassettenförmigen Struktur – auf Beispiele mittelalterlicher Kirchtüren (Beispiel hier) an.
Ein kleiner Spielplatz rundet die Sache ab. Man muss also nicht nur auf den Skulpturen der Alrauen klettern. Und die Hecken, die den Garten noch in quasi-barocker Weise geometrisch aufteilen, eignen sich hervorragend zum Versteckspielen. Trotzdem ist es hier nicht lärmig, sondern sehr beschaulich und erholsam.
Und so ist der Franziskanergarten mittlerweile zu einem Ausdruck echten Geschichtsbewusstseins geworden, der alte Traditionen mit moderner Freizeitkultur verbindet. (DD)
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