Von Wassermännern Und Moosweibchen – Sagen Aus Dem Erzgebirge

Sagenhafte Gestalten treiben sich im Erzgebirge herum. Moosweibchen, Wassermänner und Otternkönige sind nur einige von ihnen.

Buschweibchen in der Umgebung des hohen Steines

Wie im hohen Steine zwischen Graslitz (Kraslice) und Markneukirchen menschenfreundliche Zwerge wohnten, so hielten sich in den umliegenden Wäldern Buschweibchen auf, welche häufig in die Häuser kamen und dort Essen begehrten, wofür sie manch’ seltenen, kostbaren Stein, manch’ heilkräftige Pflanze zurückließen.

Manche Leute nennen sie auch Moosweibchen, und man schildert sie als zwerghafte Gestalten, über und über mit Moos bewachsen und Kleider aus Baumrinde und Flechten tragend. Einst bezeigte sich ein solches Wesen besonders wohltätig, wie uns die folgende Sage berichtet.

Zu wiederholten Malen vernahmen Beerweiber und Schwämmesammlerinnen aus einem dichten Gestrüppe in der Nähe des hohen Steines heftiges und anhaltendes Niesen; aber keiner von ihnen fiel ein, »Helf Gott!« zu rufen. Wenn sie sich dann auf den Heimweg begaben, sahen sie aus dem Gebüsche ein Moosweibchen treten, das sich unter schweren Seufzern und traurigen, vorwurfsvollen Blicken entfernte. Einst aber, als das Niesen denn gar zu laut und häufig erschallte, sagte ein Weib: »Nun, so helf Gott der Person, welche so heftig da drin niest!« Augenblicklich stand eine weiße Frau vor ihr und sagte freudig: »Du hast mich erlöst, hier empfange Deinen Lohn!« Mit diesen Worten überreichte sie dem armen, erschrockenen Weibe einen schweren Moosknollen und verschwand. Der überreichte Knollen aber enthielt ein großes Stück Gold, welches das Weib reich machte.

(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 135.)

Der Wassermann flickt

Bei Seestadtl (Ervěnice) am Fuße des Erzgebirges liegt an der Straße ein großer Teich, welcher durch einen breiten, mit Gebüsch bewachsenen Damm eingeschlossen ist und der »Steinteich« genannt wird. Bei diesem Teiche soll sich ein Wassermann öfter am Ufer sehen lassen. Gewöhnlich flickt er dann seine Kleider. Nach dem Glauben der Landleute steigt er immer nur während des Mittagsläutens an das Ufer, setzt sich am Fuße des Dammes hart am Wasser nieder und flickt. Wer ihn verspottet, der wird von ihm in das Wasser hinabgezogen; bloß demjenigen, welcher des Morgens vor dem Ausgehen gebackene Semmelschnitte verzehrt, kann er nichts anhaben. Hat einer den Wassermann beleidigt und keine Schnitten gegessen, so nutzt ihm selbst das Hersagen des Spruches nicht mehr: »Wassermann plump, zieh mich nicht in Tump, zieh mich nicht zu tief nei’, dass ich nicht stecken blei’.«

Der Wassermann ist immer schlecht gekleidet. Sein alter zerdrückter Hut ist voll großer Löcher, durch welche oft Büschel struppiger, grüner Haare herausragen. Sein Gesicht ist mit einem starken Bart bewachsen, und wenn er seinen Mund öffnet, erblickt man seine großen grünen Zähne. Sein Rock sowie seine Hosen sind immer zerrissen und kotig, und er flickt daran, so oft er ans Ufer steigt. Hat er jemandem nachgestellt und ihn unter’s Wasser gezogen, so lässt er sich lange nicht sehen.

Eines Morgens trug ein Bauernmädchen Gemüse hinauf nach Eisenberg, und nahm, um zuzustrecken, ihre Richtung über den Damm. Sie war fast hinüber, als sie unten am Damme einen alten Mann sitzen sah, der an einem zerrissenen Rocke flickte und ihr zunickte. Das Bauernmädchen, welches eben nicht an den Wassermann dachte, gab ihm einen Schimpfnamen, worauf sich der Wassermann erhob und seinen Mund öffnete. Die Bäuerin erschrak und lief, so schnell es ihre schwere Last erlaubte, über den Damm hin; der Wassermann hinter ihr drein. Trotz ihres Schreiens sprang er auf den Korb, den sie auf dem Rücken trug und fasste sie beim Halse. Vor Todesschrecken rief sie: »Jesus Marie!« und sogleich war der Wassermann verschwunden. Das Mädchen kam halbtot im Schloss an und wurde noch dazu ausgelacht, als sie vom Wassermann erzählte. Nach drei Tagen starb sie und alle Leute waren fest überzeugt, dass daran nur die Berührung des Wassermanns schuld gewesen sei.

(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 162.)

Der Otternkönig und die Schlangenkönigin

Die Beerensammler im Erzgebirge erzählen von einem Otternkönig, welcher ein goldenes Krönlein trägt und über das ganze Natterngezücht herrscht. Derselbe hat die Gewohnheit, in einer Quelle zu baden und zu trinken; weiß man die Stelle und breitet daselbst ein weißes Tuch aus, neben das man eine Schüssel mit Semmel und Milch gestellt hat, so legt dann der Otternkönig sein Krönlein während der Mahlzeit auf jenes Tuch. Wer sich desselben schnell bemächtigt, dem bringt es Reichtum und Glück; wird er aber von den durch das Pfeifen des Königs gerufenen und von allen Seiten herbeieilenden Nattern erreicht, so ist er unrettbar verloren.

In Schönlinde (Krasná Lípa) erzählt man: Wenn man mit Schlangen und Nattern in guter Freundschaft leben will, muss man sich vor allem die Schlangenkönigin zur Freundin machen. Dies geschieht, wenn man an einem heißen Tage zum Waldrande geht, ein weißes Tüchlein ausbreitet und ein Schüsselchen Milch mit Weißbrot darauf stellt. Jeden Tag muss man das tun, bis die Schlangenkönigin endlich ihr Krönlein auf dem Tuche liegen lässt. Wer dies Krönlein hat, ist vor Schlangen und Nattern sicher.
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